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Kirche in WDR 4 | 11.11.2024 | 08:55 Uhr

Stille

Guten Morgen,

Trübes Wetter, wenig Sonne, graue Gedanken. November halt.

Eine Zeit, in der man leicht den Blues bekommt.

Der Karneval, der heute beginnt, ist eine Art, den Blues zu vertreiben.

Ich möchte Ihnen in dieser Woche ein geistliches Training für die Seele vorstellen.


Heute: Die Stille

Stille ist wunderbar geeignet, die Seele zu stärken. Allerdings muss ich sie üben.

Mitten in der Hektik des Alltages, im Lärm der Zeit: Stille.

Zeit, um zur Ruhe zu kommen, zu mir selbst, zu Gott.

Stille meint dabei etwas anderes, als dass gerade nichts los ist.

Nicht der Leerlauf im Wartezimmer, im Stau oder, wenn ich abends erschöpft ins Bett falle.

Es geht um qualifizierte Stille.

Momente tiefer Konzentration. Wenn mein Handy und Fernseher einmal aus sind.

Und das tiefe, innere Gespräch beginnt.

Viktor Frankl, ein berühmter Psychiater des letzten Jahrhunderts, beschreibt dies so:
„Gott ist mein Gegenüber in Momenten letzter Einsamkeit, der Partner meiner intimsten Selbstgespräche.“ (1)


In der Stille Gott und mir selbst begegnen. Das ist eine uralte Erfahrung des Glaubens.

Innere Einkehr bei Gott, um äußere Widerstandskraft zu finden.


In der Stille mit Gott reden – das hilft gerade an hektischen Tagen. Von Martin Luther gibt es den schönen Satz: „Ich habe heute so viel zu tun. Ich muss erst einmal beten.“

Still werden, ins Gespräch mit Gott gehen, um den eigenen Kopf klar zu bekommen.

Für mich selbst sind dabei vor allem die Stunden morgens und abends wichtig.


Doch Stille auszuhalten, strengt an. Das ist richtiger Seelen-Sport.

Weil mich nichts ablenkt. Weil ich konfrontiert bin mit mir selbst.

Mit meinen Sorgen, Wünschen, Fragen, Ängsten.

Mit Einsamkeit und Leere. Mit der Unruhe in mir.

Es braucht Übung, damit umzugehen und nicht davor zu fliehen.


Doch, so oft ich es tue, spüre ich, wie ich in der Stille eine neue Haltung finde.

Wenn ich mich nicht in mir selbst und in meinen Sorgen vergrabe.

Sondern wenn ich mich dafür öffne, dass Gott zu mir spricht.

Ich dehne meine verkrümmte Seele in mir. Richte meinen inneren Kompass neu aus.

Sehe die Welt, die anderen, mich selbst im Horizont der Liebe Gottes.


Doch wie geht das: Beten? Gerade, wenn man es lange nicht mehr oder vielleicht noch nie gemacht hat? Mir hilft es oft, mir die Worte anderer zu leihen.

Wie im berühmten Psalm 23:

„Gott, der Herr, ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.“

Doch dann geht’s weiter: “Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn Du bist bei mir, Gott“.

Interessanterweise wird Gott gerade hier zum Du. Dann, wenn es schwierig wird.

Stille, beten, mit Gott und sich selbst ins Gespräch gehen – das tut gut gegen Novemberblues. Wenn Sie mögen, schreiben Sie mir gerne Ihre Stille-Erfahrungen.

Ihnen einen gesegneten, stillen Tag!


Ihr Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland aus Düsseldorf.


Quellen:

(1) Viktor E. Frankl, Der unbewußte Gott. Psychotherapie und Religion, dtv 35038, München, 14. Aufl. 2017, S. 100.



Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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