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Sonntagskirche | 22.12.2024 | 08:55 Uhr
Vorfreude
Guten Morgen,
„Opa, nur noch dreimal schlafen, dann besuche ich dich mit meinem neuen Fahrrad“, begrüßt mich meine Enkelin Mia begeistert. Sie bekommt zu Weihnachten ein neues Rad und freut sich riesig drauf. „Und worauf freust du dich am meisten, Opa?“, fügt sie noch an. Ich zögere. Besondere Geschenke erwarte ich zu Weihnachten nicht. Eigentlich habe ich doch alles, was ich brauche. Oder kann es mir jederzeit problemlos leisten. Ich sage: „Oh Mia, ich freue mich schon ganz doll darauf, wenn wir beide dann zusammen eine Radtour machen“. Auf dem Heimweg denke ich: Freue ich mich – nach mehr als sieben Lebensjahrzehnten - noch auf Weihnachten? Und überhaupt: Wann habe ich mich zum letzten Mal so ganz richtig gefreut? Mit zunehmendem Alter ist das immer seltener. Da beneide ich meine Enkel. Um ihre unvermittelte, spontane und sinnliche Freude! Sie können sich auf Weihnachten von ganzem Herzen freuen. Klar, vor allem auf die Geschenke.
Freude im Leben ist für Kinder und Erwachsene ganz wichtig. Ich finde es interessant, dass der Apostel Paulus als gestandener Mann in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi schreibt: „Freut euch immerzu, weil ihr zu Gott dem Herrn gehört! Ich sage es noch einmal: Freut euch!“ (BasisBibel, Philipper 4,4).
Wenn es mir gut geht, ist es leicht, mich zu freuen. Und wenn ich zu denen gehöre, die nicht das haben, was sie brauchen? Wie soll ich mich freuen, wenn wesentliche Dinge meines Lebens fehlen? Gesundheit, Partnerschaft, passende Arbeitsstelle und Auskommen? Eine Lebensperspektive, ein Ziel, für das es sich zu leben lohnt? Die Freude, von der Paulus spricht, hat noch eine andere Dimension. Es ist die Freude über die Nähe Gottes. Gott kommt mir nahe. Er ist Mensch geworden. Das feiern wir Weihnachten mit der Geburt von Jesus. Das ist eigentlich unfassbar für mich: dass Gott durch Jesus selbst menschliche Erfahrungen gemacht hat von Geburt bis zum Tod mit Freude und Leid. Und dass er uns damit in allem nahe ist. Denn unsere Welt ist nicht nur eine Gute voller Glück und Freude. Ich sehe das Elend der Geflüchteten, die vor entsetzlichen Kriegen geflohen sind. Ich schäme mich, wenn sie nach Elend und Flucht bei uns nicht freundlich aufgenommen werden. Und so mancher hat auch Angst vor den Weihnachtsfeiertagen. Plötzlich drei Tage Zeit in der Familie. Dabei weiß man schon, dass man sich gar nichts mehr zu sagen hat. Ich möchte ihnen allen zurufen: Hört auf mit dem Stress, dass alle ganz harmonisch alle irgendwie besuchen müssen. Und dabei Dauerglück zeigen sollen. Und wenn das Geschenk nicht passt, ist doch auch nicht so schlimm. Ich erinnere mich, wie viel Mühe ich mir mit den Geschenken gemacht habe. Und am Ende spielten meine Kinder hochvergnügt mit dem Geschenkpapier und den Verpackungen. Humor ist gefragt – gerade an Weihnachten.
Und es ist doch so: Die wirklichen Geschenke des Lebens kann ich nicht kaufen. Momente von Glück und Liebe. Die Erfahrung, dass ich vertrauen kann.
Ich stell´ mir vor: Gott ist in allem in meinem Leben dabei. Und ich höre Paulus rufen: Freu dich drüber. Da ist schon einer, der dich liebt. Der dir zutraut, den göttlichen Frieden in die Welt zu tragen. Mit deiner inneren Freude über Gott kannst du mutig und geduldig daran mitarbeiten, dass vom Frieden Gottes schon Hier und Jetzt etwas zu erleben ist. Und das ist doch das Wichtigste. So freue ich mich auf Weihnachten. Und ich hoffe und wünsche es Ihnen ebenso.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze