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Kirche in WDR 4 | 23.10.2024 | 08:55 Uhr
Zuhause
Seit einigen Jahren tauchen sie in jedem Deko-Laden auf: Aufsteller, Schilder, Poster, Türkränze auf denen „Zuhause“ steht. Oder auch „Home“. Wo stellt man sich das hin? Denke ich. Auf den Schreibtisch oder an die Werkbank, damit man nicht zu viele Überstunden macht, und rechtzeitig nach Hause geht? Wäre eine Idee. Aber sehr wahrscheinlich landen diese Zuhauseerinnerungsschilder dort, wo jemand zuhause ist. Und genau deshalb habe ich mich ehrlich gesagt über diesen Trend lange amüsiert: Ich weiß doch, dass ich zuhause bin, wenn ich zuhause bin! Vielleicht aber auch nicht.
Letztens bin ich wieder über das Wort „Home“ auf weiß lakiertem Holz gestolpert, bei einem Metallständer im Regal eines Möbelhauses. Und da kam mir nämlich der Gedanke: Die Tür hinter sich zuzuziehen und das eigene Zuhaue betreten, reicht tatsächlich nicht immer, um dort auch anzukommen. Wer wirklich zuhause sein will, muss auch ganz da sein. Nicht mit den Gedanken noch woanders, mit der Aufmerksamkeit in den Tiefen des Internets, in den Gruppenchats des Tages.
Vielleicht geht es bei diesen Schildern darum, sich ans Wahrnehmen zu erinnern. Womöglich steht das Wort „Zuhause“ als Kurzformel für: „Hier gehörst Du hin. Hier bist Du sicher. Du kannst mal tief durchatmen. Nimm Dir doch mal einen Moment, um in Dich reinzuhören. Guck mal, was gerade ist.“
So eine Erinnerung macht Sinn. Denn permanent wird unsere Aufmerksamkeit von so vielem angefragt, dass es inzwischen sogar den Begriff „Aufmerksamkeitsökonomie“ gibt. Den hat der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Herbert A. Simon in die Welt gesetzt. Er sagt: Unsere Welt ist so reich an Informationen wie noch nie und die brauchen alle Aufmerksamkeit. Je reicher wir an Informationen sind, desto größer ist unsere Armut an Aufmerksamkeit.
Wir müssen also, anders als alle Generationen vor uns, neu haushalten lernen. Müssen entscheiden, wie viele und welche Informationen wir wann in unser Leben lassen. Und unsere Aufmerksamkeit gut einteilen, damit sie für das Lebenswichtige reicht. Und darüber hinaus. Für das, was einfach schön ist, gut tut, Freude macht. Wobei das ja eigentlich auch lebenswichtig ist.
Vor kurzem habe ich gelesen, dass
sich immer mehr Menschen ein zweites Handy kaufen, insbesondere jüngere aus der
sogenannten Generation Z. Und zwar sogenannte „Dumbphones“, also Stummtelefone,
die wie die alten Knochen früher nichts anderes können als telefonieren und SMS
verschicken. Eine gute Strategie, um sich „Hier & Jetzt –Zeiten“ zu gönnen.
Die Welt draußen zu halten und bei sich zuhause zu sein. Ich glaube, jetzt will
ich auch so ein Schild.