Beiträge auf: wdr4
Kirche in WDR 4 | 25.10.2024 | 08:55 Uhr
Vertrauen führt
Vertrauen führt, so hieß vor einigen Jahren das Thema des Weltwirtschaftstreffens in Davos in der Schweiz. Dieses Jahr lautet das Motto: Vertrauen wiedergewinnen. Warum beschäftigt sich die Wirtschaftselite mit diesem Thema - geht es bei Vertrauen nicht eher um das Zwischenmenschliche?! Genau das ist es! Unsere kapitalistische Wirtschaft funktioniert nur, wenn wir Menschen einander Vertrauen können. Dass also Rechnungen bezahlt werden; dass die Hersteller für ihre Produkte haften; dass eine Garantie auch eingehalten wird; dass die Bank die versprochenen Zinsen auszahlt.
Wie schlimm es ist, wenn Vertrauen in der Wirtschaft missbraucht wird, zeigt der Wirecard-Prozess oder auch die Cum-ex-Betrügereien mit jeweils Milliardenschäden. Wer in Fragen der Wirtschaft nicht vertraut, muss eine Planwirtschaft einführen wie im Sozialismus, der in seinem Titel SOZIALismus das Gemeinschaftliche betont, aber den Menschen nicht traut, bis hin zum Mauerbau.
Unser ganzer Alltag ist von Vertrauen geprägt. Der berühmte Soziologe Niklas Luhmann hat gesagt: "Ohne Vertrauen würde ich morgens gar nicht aufstehen".
Wir vertrauen darauf, dass dann das Licht angeht, die Toilettenspülung funktioniert, die Nachrichten im Radio kommen, vielleicht die Tageszeitung im Briefkasten liegt. Auf dem Weg zur Arbeit vertrauen wir, dass der Bus kommt; oder im Auto, dass sich alle an die Verkehrsregeln halten.
Mit Grundschulkindern mache ich gerne in der ersten Stunde den kleinen Test: Ihr habt zwei Minuten Zeit zu sagen, wer heute schon alles etwas für euch getan hat. Die Kinder haben schnell über zwanzig Menschen zusammen: Mama hat geweckt, Papa hat gebrüllt: Endlich aufstehen!, Bäcker hat Brötchen gebacken, Lehrerin Klassenarbeit kopiert, jemand im Klärwerk gearbeitet - ich war ja auf Toilette. So wandelt sich Vertrauen in Dankbarkeit! Niemand ist eine Insel, keiner lebt für sich allein! Die Professorin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, sagt: "Damit Vertrauen wächst, braucht es Orte der Begegnung". Denn heute ist die Vielfalt, die Diversität in der Gesellschaft größer geworden. Es gibt neue sexuelle Identitäten, viele Menschen haben einen Migrationshintergrund, die meisten Frauen stehen im Erwerbsleben - um nur drei Beispiele zu nennen. Damit nicht viele in ihrer Blase bleiben, gilt es nach Corona die Orte der Begegnung zu beleben. Mutter Teresa hat gesagt: "Die schlimmste Krankheit ist Einsamkeit". So wünsche ich Ihnen herzlich gesunde Freundschaften und Kontakte.