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Kirche in WDR 4 | 07.01.2025 | 08:55 Uhr
10 Jahre Charlie Hebdo
Guten Morgen!
Je suis Charlie! – Erinnern Sie sich noch?
Auf den Tag genau zehn Jahre ist der furchtbare Anschlag auf die Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo in Paris her. Zehn Menschen wurden damals innerhalb von 109 Sekunden getötet.(1) Der Anschlag war islamistisch motiviert. Die Terroristen schossen während der Redaktionskonferenz mit Kalaschnikows um sich und riefen dabei „Gott ist groß!“. Bei ihrem An- und Abmarsch töteten sie zwei weitere Menschen. Hintergrund für den Anschlag war die Veröffentlichung von Karikaturen, die den Propheten Mohammed zeigten. Ein weiterer Terrorist erschoss an den beiden Folgetagen in Paris fünf weitere Menschen.
Heute am 07. Januar denke ich an die Opfer und an ihre Angehörigen, an die 17 Toten und an die schwer verletzt worden sind bei dieser furchtbaren, menschenverachtenden Tat.
Satire darf alles. Mein Geschichtslehrer hat das oft gesagt. Weil Satire der Gesellschaft den Spiegel vorhält und deutlich die Abgründe aufzeigt, an denen wir Tag für Tag entlangeilen und hoffen nicht hineinzustürzen. Seit dem Anschlag auf die Illustratoren und Kolumnistinnen – die Macher der Satirezeitschrift Charlie Hebdo – denke ich immer mal wieder daran und frage mich: Würde ich heute auch noch so enthusiastisch zustimmen, wie damals im Geschichtsunterricht? Darf Satire alles?
Die Zeitschrift Charlie Hebdo gibt es noch. Die Macher haben sich durch nichts und niemanden einschüchtern lassen. Sie haben Kollegen und Freunde verloren, sagen heute: Solche Karikaturen machen wir nicht mehr. Aber nicht, weil sie eingeknickt sind vor dem Terror, sondern, weil sie sie schon gemacht haben. Sie haben auf den Terror hingewiesen, der im Namen des Propheten Mohammed verübt wurde. Oder: Für den die Terroristen den Namen des Propheten Mohammed missbraucht haben.
Zum Jahrestag des Anschlags ruft die Redaktion von Charlie Hebdo Zeichner zu einem Wettbewerb auf. Sie sollen ihre Wut auf religiöse Einflussnahme auf Papier bringen.(2) Das Motto lautet #überGottlachen.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde Humor wichtig. Grade in der Kirche. Und ich finde Satire wichtig. Weil sie mich aufmerksam macht, mich zwingt meinen Verstand zu benutzen. Aber Humor – so finde ich – darf niemals auf Kosten anderer gehen. Ich lache gerne mit Menschen und nicht über sie. Und gerade in der Kirche steht uns gut zu Gesicht, versöhnend und lächelnd eine Hand zu reichen und nicht beißenden Spott übereinander auszugießen.
Satire und den Überlebenswillen von Charlie Hebdo als Zeitschrift in allen Ehren. Ich bin aber heute mit meinen Gedanken eher bei den Angehörigen und Freunden der Menschen, die damals Opfer von Hass und Gewalt geworden sind. Und weniger dabei, den nächsten Skandal und die nächste Steilvorlage für Hass und Gewalt zu provozieren. Und ich bete, dass wir es in dieser Welt schaffen, Hass und Gewalt mutig entgegenzutreten und Wege zu finden, gut miteinander zu leben. Ich bete für den Frieden und dass niemand mehr seiner Religion, seiner Hautfarbe oder seiner Überzeugungen wegen ausgelacht, verletzt oder getötet wird.
(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5)
Pfarrerin Julia Rebecca Riedel aus Odenthal.
Quellen:
(1) https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/buch-zum-10-jahrestag-des-attentats-auf-charlie-hebdo-110167746.html
(zuletzt aufgerufen am 18.12.2024.)
(2) https://www.spiegel.de/ausland/charlie-hebdo-sucht-zehn-jahre-nach-anschlag-die-besten-religionskritischen-karikaturen-a-84b6fef9-6631-4a14-8a70-9cd19f12b1aa
(zuletzt aufgerufen am 18.12.2024.)
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze