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Kirche in WDR 4 | 25.01.2025 | 08:55 Uhr
Worte sieben
Guten Morgen.
Es gibt eine Geschichte von dem Philosophen Sokrates. Und die geht so: Aufgeregt kommt ein junger Mann zu Sokrates: „Höre Sokrates, das muss ich dir erzählen, ...“ „Stopp, halt ein!“, unterbricht ihn der Philosoph. „Was du mir erzählen willst, hast du das durch die drei Siebe gesiebt?“ „Drei Siebe?“, fragt der junge Mann. „Ja, drei Siebe. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Was du mir erzählen willst, hast du geprüft, ob es wahr ist?“ „Nein.“ „So, so. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft? Das zweite ist die Güte. Du hast nicht geprüft, ob es wahr ist, was du mir erzählen willst. Aber dann ist es doch wenigstens gut?“ „Nein, das ist es nicht.“ Sagt der junge Mann. Sokrates spricht weiter: „Lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden! Wir fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen.“ „Notwendig nun gerade nicht.“, sagt der junge Mann. „Also“, lächelt Sokrates, „wenn das, was du mir sagen willst, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein. Belaste dich und mich nicht damit.“ (1)
Ach ja, wie schön wäre es, wenn heute alle Nachrichten, Botschaften oder Worte gesiebt werden würden. Gesiebt mit den drei Sieben Wahrheit, Güte und Notwendigkeit. Das, was wir oft unbedacht sagen. Das, was in den Medien verbreitet wird. Und besonders in den so genannten sozialen Medien. Und leider auch das, was wir von so manch politisch aktiven Menschen hören können.
Ich denke, schon beim ersten Sieb der Wahrheit würde vieles hängenbleiben.
Und auch die Güte ist ein schönes Sieb. Ist es gut, was ich sage oder schreibe oder tippe? Oder die Frage, ob es guttut? Wird der andere, der Empfänger der Botschaft, durch meine Worte aufgebaut? Wird er sich besser fühlen? Wird er mutiger und positiver seine nächsten Schritte tun? Wie viele unserer Wörter würden da hängen bleiben?
Nun könnte man natürlich denken, dann würden wir ja nur noch zuckersüße Wattebäuschchen aussprechen. Und so ist auch das dritte Sieb wichtig. Die Notwendigkeit. Vielleicht ist manche Wahrheit nicht wirklich gütig, aber es ist notwendig, sie auszusprechen. Damit mein Gegenüber sich selbst besser erkennen kann. Oder einen Fehler einsehen kann. Oder damit man gegen Unrecht vorgehen kann.
Der Philosoph Sokrates hat lange vor dem Apostel Paulus aus der Bibel gelebt. Es ist also wahrscheinlich, dass Paulus von Sokrates gehört hatte. Schließlich war Paulus ein Gelehrter seiner Zeit. Und auch Paulus lädt seine Leute ein, auf ihre Worte zu achten. Er schreibt in einem seiner Briefe an eine christliche Gemeinde: „Redet mit jedem Menschen freundlich; alles, was ihr sagt, soll gut und hilfreich sein. Bemüht euch darum, für jeden die richtigen Worte zu finden.“ (2) Wenn wir das wörtlicher übersetzen, dann steht da: „Euer Wort sei immer freundlich, doch mit Salz gewürzt, …“ (3) Also darf unser Reden und Schreiben durchaus gewürzt sein, Geschmack haben, vielleicht manchmal sogar ein wenig scharf sein. Solange unsere Worte dabei hilfreich bleiben.
Ich möchte nicht nur heute meine Worte dreimal sieben und mit Salz würzen. Gesprochene und geschriebene Worte. Machen Sie mit?
Ihr Pastor Heddo Knieper aus Soest.
(1) erzählt nach Kühner, Axel, Überlebensgeschichten für jeden Tag, Neukirchen-Vluyn, 2018.
(2) Kolosser 4,6 Hoffnung für alle TM, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.
(3) Kolosser 4,6a Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze