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Kirche in WDR 4 | 13.01.2025 | 08:55 Uhr
The Greatest Night In Pop
Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist, ist das Wochenende leider auch schon wieder vorbei. Tja. Und dass ein einziges Wochenende reicht, um die Welt nachhaltig zu verändern – wenn Menschen zusammen im richtigen Augenblick das Richtige tun – das hab ich neulich wieder mal gelernt.
Die Geschichte geht so: Vor vierzig Jahren ist der Musiker Harry Belafonte in Äthiopien unterwegs gewesen. Dort hat er das unvorstellbare Elend der Bevölkerung gesehen. Menschen ohne Wasser und Nahrung, ohne Dach überm Kopf, verhungernde Kinder, ausgemergelte Alte. Zurück in den Vereinigten Staaten hat er darüber nachgedacht, wie Künstlerinnen und Künstler gemeinsam etwas für diese Menschen tun könnten. Ein Lied vielleicht? Gesungen von der Creme de la Creme der amerikanischen Popmusik? Das wärs! Mit dem Geld aus den Tantiemen und dem Verkauf der Platte könnte man sicher viel bewegen.
Der legendäre Musikproduzent Quincy Jones und Sänger Lionel Richie waren sofort begeistert. Problem nur: Wie um Himmels Wille findet man einen Termin für all die Superstars gemeinsam in einem Aufnahmestudio? Wo deren Terminkalender schon über Jahre prall gefüllt sind? Nach langem Grübeln gab es nur eine Lösung: Am 24. Januar 1985 würden alle maßgeblichen Stars in Los Angeles sein. Zur Verleihung der Music Awards, des wichtigsten amerikanischen Popmusikpreises. Und wenn eh schon da sind – hey, dann gehen eben alle anschließend rüber in ein Studio und nehmen bis zum Morgengrauen das Lied auf.
Und so ist es in der Nacht zum 25. Januar 1985 zu einem unwahrscheinlichen Zusammentreffen fast aller größten damaligen Stars der US-amerikanischen Popmusik in Los Angeles gekommen, um den nur kurz vorher von Richie und Michael Jackson in nur wenigen Tagen geschriebenen Song aufzunehmen, den auch 40 Jahre später noch alle mitsingen können: „We are the World, we are the Children.“ Bao Ngyen hat darüber einen Dokumentarfilm gemacht. „The Greatest Night In Pop“ heißt der – und es stimmt: er ist großartig. Lauter Superstars drängeln sich um die Mikrophone. Bob Dylan, Bruce Springsteen, Stevie Wonder, Diana Ross, Cyndi Lauper, Ray Charles, Tina Turner, Paul Simon, Huey Lewis und so weiter und so weiter. Lauter Alphatiere und doch: Sie wirken fast schüchtern. „Wie am ersten Tag im Kindergarten", erinnert sich Richie im Film. Denn sie beherzigen das, was Quincy Jones an die Studiotür geklebt hat: „Check your Ego at the door – lasst eure Egos draußen“. Wir haben nur diese Nacht – und es geht um eine große Sache. Als der Morgen graut und alles Stimmen eingesungen sind findet man sich als Zuschauer in den Tränen der großen Diana Ross wieder. "Ich möchte nicht, dass das aufhört", schluchzt sie. Schon die Bibel weiß, was diese Künstler vor 40 Jahre in Los Angeles erlebt haben. „Nutzt den Kairos!“ sagt sie. Erkennt die einmalige Gelegenheit zusammen das Gute zu tun! Und das stimmt ja. Es muss ja nicht „The Greatest Night In Pop“ sein. Es gibt andere Gelegenheiten. Wo es drauf ankommt. Jeden Tag. Und nicht nur an einem Montagmorgen.