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Kirche in WDR 4 | 30.01.2025 | 08:55 Uhr
Licht aus dem Fenster
Achtung – Kopfkino: Besuch in einer fremden Großstadt. Dunkle, schmale Gassen. Es geht stramm auf Mitternacht zu. Aus dem nahegelegenen Fluss steigt der Nebel auf. Sichtweite maximal 10 Meter. Und es ist ungemütlich kalt. Ich habe den Mantelkragen höher gezogen. Gehe ein wenig schneller – und halte den Blick gesenkt.
Als ich um eine Hausecke biege, finde ich mich auf einem kleinen Platz wieder. Vor mir erhebt sich eine kleine Kirche. Und offenbar findet in der noch etwas statt. Eine stille Andacht vielleicht – zu hören ist jedenfalls nichts. Doch es fällt Licht aus den schmalen und hohen Fenstern auf die Straße – und zaubert ein wunderbares Spektakel auf den dunklen Platz. Denn die bleiverglasten, bunten Fenster brechen dieses Licht und die Nebel machen die einzelnen Strahlen wie in einem erstarrten Kaleidoskop sichtbar.
Ich bin fasziniert. Bleibe stehen und bewundere das Schauspiel. Und mit der Zeit merke ich, wie die Kälte hochsteigt und ich mir wünsche, doch jetzt im Innern dieser Kirche zu sein. Dort muss es warm sein. Und gemütlich. Zumindest stelle ich mir das so vor. Und ganz offensichtlich geht es nicht nur mir so. Denn als ich mich umschaue, sehe ich durch den Nebel schemenhaft die Silhouetten anderer Menschen. Ich bin offenbar nicht der einzige, der stehengeblieben ist. Um mich herum stehen Frauen und Männer und blicken wortlos auf diese Kirchenfenster. Manche gehen nach einer Weile weiter. Und andere gehen auf die Kirche zu, öffnen die schwere Türe einen Spalt breit und verschwinden dann im Innern.
Meine Zeit erlaubt mir das leider nicht. Aber als ich so weitergehe, den Kragen noch weiter hochziehe und die Hände noch tiefer in den warmen Taschen vergrabe, da denke ich mir: Eigentlich sollte es doch nicht nur mit dieser Kirche so sein, dass sie von innen so sehr leuchtet, dass auch der dunkle Platz draußen heller wird und zum Eintreten einlädt. Sondern eigentlich sollte es doch vielleicht auch mit mir so sein: Dass ich einlade, einzutreten. Dass Menschen im übertragenen Sinne das Bedürfnis verspüren „hineinzukommen“. Aus der Kälte zu treten, Wärme zu spüren. Ein Gespräch zu suchen. Auftanken zu können.
Und ein wenig schäme ich mich dann, wenn ich daran denke, wie oft ich im Gegenteil die Türen verschlossen halte. Die Fensterläden zuklappe. Oder das Licht herunterdimme. Weniger blumig: Gehetzt bin. Keine Zeit für ein Gespräch habe. Schroff reagiere. Keine Worte finde. Oder die falschen. Eine gute Visitenkarte fürs Christsein ist das wohl eher nicht – so eine düstere Luke zu geben statt eines hellen Fensters.
Mit ein wenig Abstand ist Scham aber gar nicht das überwiegende Gefühl. Ich fühle mich eher dankbar: Weil da so viel Ermutigung in diesem Bild steckte, dass sich mir in dieser Nacht geboten hat. Weil mir da gezeigt wurde: Schau mal – so schön könnte die Welt sein. Und es liegt nur an mir, ob ich sie noch ein wenig schöner werden lasse Sie zur Herberge werden lasse für die, die etwas Ruhe und Wärme und Licht suchen. Eigentlich habe ich auch alles, was ich dafür brauche. Eigentlich hat das jeder. Ich müsste halt nur öfter mal die Fensterladen aufmachen. In diesem Sinne: Einen guten Start in einen Tag, der heller, wärmer, bunter ist – auch dank Ihrem Licht.