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Kirche in WDR 4 | 21.02.2025 | 08:55 Uhr
Glücksstein
Guten Morgen.
Wir sind zu Dritt. Fremde in einem Wartezimmer im Krankenhaus. Gleich werden uns die Zimmer zugewiesen. Wir sind alle Drei ziemlich aufgeregt.
Was kommt auf uns zu. Was wird bei den Operationen herauskommen. Ist es das, was wir befürchten. Kriegt man alles raus. Wieviel muss wohl weggeschnitten werden. Auf dem Flur laufen die vorbei, die schon operiert sind. Mit großen Verbänden im Gesicht oder auf dem Kopf. An Arm oder Bein. Etwas gruselig. „Also, hier kann ich ja meine Tochter nicht hinholen, da erschreckt sie sich ja“, sagt der junge Mann. Seine Tochter ist erst fünf.
Wir kommen ins Gespräch. Der junge Mann richtet der Frau das Krankenhaus-W-LAN auf dem Smartphone ein. Wir erzählen uns unsere Geschichten – was wir haben und was wir fürchten. Ein vierter Mann kommt dazu. Sitzt still dabei – beteiligt sich aber nicht an unserem Gespräch.
Jetzt geht es auch schon los – wir verabschieden uns und werden in unsere Zimmer geführt. Ich packe aus. In meiner Tasche liegt ein Glücksstein. Den hat mir eine Kollegin geschenkt mit den Worten: „Den habe ich geschenkt bekommen, als ihn brauchte. Er hat mir Glück gebracht. Jetzt soll er Ihnen Glück bringen. Sie brauchen ihn nicht zurückzugeben. Machen Sie damit, was Sie möchten.“ Wie wichtig diese letzten Worte waren, hat sie gar nicht ahnen können. Es geht alles gut bei mir. Ist nur eine kleine Sache und ich muss auch nicht um mein Leben oder ein Körperteil bangen. Das sieht bei anderen anders aus. Ganz rasch kann ich schon das Krankenhaus wieder verlassen. Da treffe ich den jungen Mann auf dem Flur. Er ist noch nicht durch. Seine Befürchtungen sind noch nicht ausgeräumt. Das tut mir leid. Bevor ich mich auf den Weg nach Hause mache, klopfe ich nochmal bei ihm an. Schenke ihm den Glücksstein und erzähle die Geschichte dazu. Dass auch ich ihn geschenkt bekommen habe von einer Person, die ihn geschenkt bekommen hatte… So ist der Stein weitergewandert. Für mich fühlt sich das so an, als sei der Stein dadurch mit ganz viel positiver Energie aufgeladen. Mit den Geschichten und Schicksalen der Vorbesitzerinnen.
Vielleicht sagen Sie jetzt: So ein Quatsch. Glücksstein. Und was, wenn es nicht gut ausgeht? Ja, was dann. Das hab´ ich mich auch schon gefragt. Aber ich kann Ihnen sagen: Ich habe vor schwierigen Situationen schon ein paar Mal so etwas wie einen Glücksstein bekommen. Mal ein vierblättriges Kleeblatt in Kunstharz gegossen oder ein Glücksschweinchen oder einen Stein, auf dem „Hoffnung“ steht… Mit diesen Gegenständen sind die liebevollen Gedanken und Wünsche der Personen mit mir mitgewandert, die sie mir geschenkt hatten. Einmal fand ich das Kleeblatt in einer alten Handtasche wieder – just, als ich es brauchte. Vielleicht braucht man ja immer Glück, sagen Sie vielleicht. Ja, vielleicht. Es tut gut, Hoffnungszeichen von wohlmeinenden Menschen zu bekommen. Sie geben Kraft. Für den Moment, in dem ich mich schwierigen Situationen stellen muss: einer Prüfung, einem Umzug, einem Krankenhaussaufenthalt, einer Trennung. Was auch immer. Ob es dann gut ausgeht – das ist ein anderes Thema.
Im christlichen Glauben gibt es auch eine Art Glücksstein. Man nennt das Segen. Viel Glück und viel Segen wünschen wir. Segen ist mehr als Glück. Segen bedeutet im Christlichen übersetzt „gut sagen“. „Segen ist alles Gute, das Gott einem Menschen schenkt.“ (1) Man kann Gott um dieses Gute bitten und es einem anderen Menschen zusprechen – oder auch in bunten Farben auf einen kleinen hübschen Stein schreiben.
Deshalb: Gottes Segen reichlich für Sie heute und alle Tage.
Ihre Petra Schulze, Rundfunkpfarrerin in Düsseldorf.
(1) https://www.ekd.de/Segen-Basiswissen-Glauben-11264.htm (letzter Abruf 16.02.25)