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Kirche in WDR 4 | 07.02.2025 | 08:55 Uhr
Anders als gedacht
Guten Morgen,
„Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt,“ heißt es in einem Sprichwort.
So habe ich es selbst zuletzt erlebt.
Da habe ich mich intensiv auf eine Bewerbung vorbereitet.
Schlaflose Nächte, Gedankenkarussell und Fragen begleiten die Vorbereitungszeit und dann: die so genannten Probegottesdienste mit anschließenden Gesprächen. Ein echter Marathon. Die Aussichten, dass es klappen könnte, scheinen gut. Und doch kommt es ganz anders, als gedacht.
Sprecher*in: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht Gott, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher und meine Gedanken als eure Gedanken.“ (Die Bibel, Jesaja 55,8-9)
Autorin: Ja, genau. Der Mensch denkt und Gott lenkt, denke ich an ein Bibelwort.
So ist es wohl immer wieder: Ich kann nicht alles beeinflussen, was im Leben passiert.
Ich darf und kann darauf vertrauen: Da gibt es jemand anderen, der das mit lenkt und begleitet. Und der mir zeigt: Es lohnt sich, die Augen weiter offen zu halten für neue Wege und Perspektiven.
So wie auf einer Autofahrt nach einem langen Arbeitstag außerhalb. Endlich mal ein freier Abend, auf den ich mich schon sehr freue. Plötzlich: (…) Vollsperrung der Autobahn wegen einer Ölspur. Vor mir ein Polizeiwagen mit der blinkenden Ansage im Fenster:
Sprecher*in: „Bitte nicht vorbeifahren“.
Autorin: Es gibt kein Vor und Zurück, einfach nur Stehen und Warten.
Niemand kann sagen, wie lange es dauern wird.
Andere Autofahrer öffnen die Tür, laufen auf und ab, verschaffen sich einen Überblick.
Ich bleibe sitzen, draußen ist es ungemütlich. Die Zeit vergeht, schon eine Stunde vorbei.
Meine Verabredung für den Abend verschiebt sich wohlmöglich.
Sprecher*in: „Bitte nicht vorbeifahren“. „No passing“.
Autorin: Es ist nicht zu ändern. Es gibt keine andere Möglichkeit, als zu verharren.
Zum Glück ist Anna dabei, eine Kollegin. Unterhaltung garantiert.
Die Gespräche werden intensiver. Was sollen wir auch sonst machen?
Das Radio ist ausgeschaltet, Licht und Heizung auch, sonst wird die Batterie schwach.
Ein bisschen kalt vielleicht, aber wir reden uns warm.
Schon zwei Stunden vorbei und noch immer kein Vorwärtskommen.
Ich möchte nach Hause zu meiner Verabredung, Anna zu ihren Kindern. Keine Chance.
Irgendwie nehmen wir es mit Humor. Kichern, lachen, quatschen und erzählen.
Diskutieren immer mehr Themen, tauschen Meinungen aus.
Im Berufsalltag fehlt dafür oft die Zeit. Anna sagt:
Sprecher*in: Fehlen eigentlich nur ein Heißgetränk und Snacks.
Ansonsten ist es doch gerade total schön.
Wann haben wir sonst Zeit, uns so ausführlich zu unterhalten?
Das ist doch auch geschenkte Zeit, auch wenn alles anders geplant ist
Autorin: Wie recht sie hat, denke ich. Geschenkte Zeit, wenn auch nur für Stunden auf der schnöden Autobahn. Meine Verabredung muss ich absagen. Aber das Gespräch mit Anna, gut gelaunt und fröhlich, möchte ich nicht missen!
„Erstens kommt es anders, zweitens als frau denkt,“ sagt das Sprichwort immer noch. Und das kann was Gutes haben, wenn ich nicht an meinem ursprünglichen Plan festhalte und diesen Gedanken einfach zulasse.
Irgendwann löst sich die Sperrung auf und meine Anspannung auch, und wir kommen sicher zu Hause an.
Ihre Pfarrerin Christiane Neufang aus Köln.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze