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Das weiße Kleid
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Kirche in WDR 4 | 04.04.2025 | 08:55 Uhr

Das weiße Kleid

Guten Morgen.

In einem Stacheldraht leuchtet vor tiefschwarzem, nächtlichem Hintergrund ein schneeweißes Kinderkleid. Es hat sich dort in den Metallspitzen verfangen und weht stumm im Wind. Hinter dem Stacheldraht Dunkelheit, Niemandsland - oder gelobtes Land? Ein Grenzstreifen irgendwo auf der Welt. Wem das Kleidchen wohl gehört? Hat es jemand zum Trocknen aufgehängt in einem Flüchtlingslager? Oder ist es hängengeblieben beim Überklettern der Barriere? Das Foto, das ich in meiner Tageszeitung entdecke, gibt diese Informationen nicht preis. Einzig die Bildunterschrift lässt das Drama erahnen. Ein Foto aus einem Kriegsgebiet. Das weiße Kleid mit den Puffärmelchen nicht friedlich zum Trocknen aufgehängt, sondern wohl eher auf der Flucht verloren gegangen. Wie mag es dem Kind gehen, dem es gehört hat? Und seinen Eltern? Sind sie entkommen? Wurden sie verhaftet oder verletzt?

Ich muss daran denken, wie alt ich gewesen bin, als ich so ein Kleidchen trug. Eineinhalb oder zwei Jahre vielleicht. Aufgewachsen im Frieden, der in Deutschland in diesem Jahr 80 währt.

Ich kann gerade laufen und tapse stolz meiner Tante und ihrem Bräutigam auf dem Weg zur Kirche voran. In der Hand ein Blumenkörbchen mit Blüten, die ich ausstreue. Die Sommersonne bringt mein weißes Kinderkleid mit den Puffärmelchen zum Leuchten.

Das Kleid im Stacheldraht, es ist vielleicht auch für ein Fest genäht oder gekauft worden. Und nun hängt es als stumme laute Mahnung im Grenzzaun. Ein Mahnmahl für die unschuldigen Opfer von Krieg und Vertreibung in aller Welt. Sein stummes Hängen ist zugleich ein lauter Schrei nach Hilfe. Ein Schrei nach Frieden und Gerechtigkeit. Was hat mehr Macht – Schweigen oder Schreien? Das Foto schweigt und ist doch beredt. Der Schrei der verwaisten und verletzten, der entführten und getöteten Kinder, ihrer gefolterten, ermordeten oder verhafteten Eltern dröhnt mir beim Anblick des Fotos in den Ohren. Die fünf großen Feinde des Friedens, die in uns allen wohnen, stehen mir vor Augen: Habgier, Ehrgeiz, Neid, Wut und Stolz. Aus ihnen erwachsen die Kriege in aller Welt.

„Weil die Toten schweigen, beginnt alles wieder von vorn“, soll der französische Philosoph Gabriel Marcel geschrieben haben. Und genau deshalb, damit die Toten nicht schweigen, damit wir ihre Stimme hören, ist es wichtig, an die Opfer von Krieg und Gewalt zu erinnern. Immer wieder. Und alles dafür zu tun, Kriege zu verhindern.

Das weiße Kleid im Stacheldraht, zufällig hängen geblieben, von einem aufmerksamen Fotografen verewigt – es ist ein beredtes, stummes Mahnmal.

Helfen können wir nicht mehr. Aber aufmerksam machen darauf, wo Gräuel verschwiegen, Morde vertuscht und Kriege mit falschen Aussagen angezettelt werden, das geht.

Christinnen und Christen gehen in der Fastenzeit bewusst auf Karfreitag, auf die Kreuzigung Jesu zu. Stumm werden seine Anhängerinnen und Anhänger unterm Kreuz.

Doch am Ende aller Tage – so wird es in der Bibel erzählt - fragt Gott jeden Menschen: Warum habt ihr euch den Todfeinden des Friedens nicht entgegengestellt. Im Angesicht aller Opfer fragt er das, die so zu ihrem Recht kommen.

Gott kehrt das Leid der vielen unschuldig Getöteten nicht unter den Teppich. Und meine schmutzige Weste auch nicht. Wenn dann alles Unrecht allen vor Augen steht, so ist uns versprochen, dann leuchten unser aller Seelen hell wie das Kleid, das wir zur Taufe getragen haben.

(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5: )

Aus Düsseldorf grüßt Sie, Pfarrerin Petra Schulze.



Quellen:

„Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ (Die Bibel, 2. Korinther 5,10)


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