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Sonntagskirche | 09.03.2025 | 08:55 Uhr
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein
Was steht bei Ihnen in diesen Augenblicken auf dem Frühstückstisch? – Ich vermute mal, in vielen Fällen auch Brot. Vielleicht sogar ein frischer Sonntagsstuten? Der riecht ja schon beim Auspacken aus der Tüte verführerisch. Mit Mandeln, mit Rosinen und vielen anderen, leckeren Zutaten. Im Verein mit einer Duftwolke frisch gebrühten Kaffees für viele Menschen in diesen Stunden „das“ Sonntagserlebnis, vielleicht sogar ein fest eingeübter Ritus: Da sammelt sich die Familie am Sonntags-Frühstückstisch und genießt nicht nur Stuten und Kaffee, sondern auch das wohlige Gefühl einer guttuenden Gemeinschaft am Beginn eines schönen, freien Tages nach hektischer und arbeitsreicher Woche. Eben – denn: Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein.
Dieser Satz ist ja sprichwörtlich. Und der fällt in einer biblischen Geschichte, die von Jesus und seinen Versuchungen durch den Teufel erzählt. Heute am ersten Sonntag der Fastenzeit, wird dieser Satz in den katholischen Kirchen vorgelesen. Jesus, so die Bibel, ist nach einer vierzigtägigen Fastenzeit mit dem Teufel höchstpersönlich in der Wüste. Vierzig Tage hatte Jesus gefastet. Und nun hast du Hunger? fragt ihn der Teufel und macht einen Vorschlag: Mach aus diesen Steinen da Brot. Nimm dir doch einfach – schließlich bist du Gottes Sohn!
Aber Jesus macht kein Brot aus den Steinen. Er nimmt sich nichts. Er behält den Hunger. Er verzichtet auf das Wunder, das nur ihn selbst nährt. Jesus weiß, was alle wissen: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Der Mensch lebt aus Beziehung. So wie Sie jetzt vielleicht in der Gemeinschaft am Frühstückstisch. Der Mensch lebt nicht von dem, was er sich nehmen kann, sondern von dem, was ihm gegeben und geschenkt wird. Verzicht ist das große Thema dieser Erzählung. Göttlicher Verzicht – könnte man sagen – um der Menschlichkeit willen.
Das ist echt groß – und es führt gleich auch gut in die Fastenzeit ein, die in vielen Aktionen auch unter dem Leitwort steht: „Vierzig Tage ohne.“ Das kann echt befreien – und so zu noch Größerem führen: dem Verzicht auf Macht. Das sind die nächsten Prüfungen, vor die Jesus gestellt wird. Und diese Gedankenspiele sind aktueller denn je. Menschen, die Macht haben, wollen immer mehr davon. Je mehr Macht in den Händen Einzelner ist, umso ohnmächtiger sind die Anderen. Das erleben wir in diesen Zeiten schmerzlich: in der Ukraine, im Nahen Osten, in den Vereinigten Staaten, in den No-Go-Areas unserer Großstädte – teilweise in der direkten Nachbarschaft. Alle Macht dieser Welt will der Teufel Jesus überlassen – aber der verzichtet.
Der Teufel weiß, dass Macht die Menschen korrumpierbar und oft genug auch korrupt macht. Er weiß, dass der Hang zur Macht sich ausbreitet wie ein alles zerfressendes Krebs-Geschwür. Jesus lehnt ab, verzichtet auf das Angebot von Allmacht und Herrlichkeit. Er steht bei Gott und nicht bei den Mächten der Welt.
Auch in meiner Kirche gab und gibt es immer wieder die Versuchung, sich Macht anzueignen. Ein, wenn nicht DAS Ergebnis erleben wir schmerzlich seit vielen Jahren im Missbrauchsskandal, der von vielfältigem Macht-Missbrauch Menschen gegenüber zu erzählen weiß.
Verzicht kann echt extreme Formen annehmen – Verzicht kann auch zu einem großen Zeichen werden. Das ist die Botschaft des heutigen, ersten Fastensonntags.
Aber nun genießen Sie das Frühstück, den Kaffee, den leckeren Stuten – und die Gemeinschaft am Frühstückstisch. Das gibt Kraft für den Verzicht auf alles Mögliche – und für eine gute, neue Woche.