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Kirche in WDR 4 | 17.04.2025 | 08:55 Uhr
Lebensbrot
Guten Morgen!
Hilfesuchend blickt sich die alte Dame nach dem kleinen Jungen an ihrer Seite um. Die beiden wirken liebevoll vertraut miteinander. Mir scheint, es ist eine Großmutter mit ihrem Enkel. Sie sprechen eine Sprache, die ich nicht kenne. Gemeinsam stehen wir an der Ladentheke der Bäckerei im Supermarkt. Gleich ist die Dame an der Reihe. Sie wird immer unruhiger und nervöser. Ich stehe direkt hinter ihr und spüre ihre Anspannung. Der Enkel streichelt ihre Hand, redet leise auf sie ein. Keine Ahnung, was genau er sagt – aber so viel verstehe ich: Er spricht ihr Mut zu. Und immer wieder flüstert er: „Brot!“, „Brot!“.
Jetzt ist es so weit. „Was hätten Sie denn gern?“, fragt die Verkäuferin. Die alte Dame stockt, sie traut sich nicht, blickt unsicher ihren Enkel an. Der nickt aufmunternd. Noch einmal wird sie gefragt, sehr freundlich: „Was darf ich Ihnen geben?“ Endlich überwindet sie sich, sagt klar und deutlich: „Brot!“ und deutet mit dem Finger auf einen der vielen Brotlaibe im Regal. Die Verkäuferin nimmt das Brot und reicht es über die Ladentheke. Die alte Dame strahlt, sie kann es kaum fassen: Die Verkäuferin hat sie verstanden! Der Junge neben ihr jubelt. Die Großmutter hat es geschafft! Er klatscht in die Hände, umarmt seine Oma. Die bezahlt, und die beiden gehen glücklich mit ihrem Brot von dannen.
Mich hat die kleine Szene in der Bäckerei zutiefst gerührt. Der Jubel des Kleinen, der seiner Oma erfolgreich beibringen konnte, „Brot“ zu sagen. Der glückliche Stolz der Großmutter, verstanden zu werden. Zum ersten Mal im fremden Land hat sie ein Brot gekauft. Und ja: Auch die herzliche Freundlichkeit der Verkäuferin ging mir zu Herzen. So können wir einander zum Leben helfen. Die Jungen den Alten, die Einheimischen den Fremden. Genauso gut geht das umgekehrt. Und es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Brot dabei eine Schlüsselrolle spielt.
Heute, am Gründonnerstag, erinnern sich Christinnen und Christen daran, wie Jesus auf seinem Weg ans Kreuz ein letztes Mal mit seinen Jüngern zusammensitzt. Sie essen miteinander. Er bricht ihnen das Brot. Daran werden sie ihn erkennen, als er von den Toten auferstanden ist. Durch diese vertraute Geste werden sie gewiss: Er lebt. An dieser Geste erkennen Christen die Gegenwart Jesu bis heute: im gemeinsamen Abendmahl im Gottesdienst. Ich werde dabei künftig immer an das glückliche Gesicht der Großmutter denken müssen, als sie ihr Brot in den Händen hält; an den Jubel des Enkels, der seiner Oma das Wort „Brot“ beigebracht hat – und an die warme Herzlichkeit der Verkäuferin, als sie der Dame das Brot reicht. „Das Brot, das wir brechen: Gibt es uns nicht Anteil am Leib von Jesus Christus?“, fragt der Apostel Paulus. Ja, davon war für mich tatsächlich etwas zu spüren bei dem kleinen Erlebnis an der Bäckereitheke im Supermarkt.
Aus Bielefeld grüßt Sie Pfarrerin Annette Kurschus.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
