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Kirche in WDR 4 | 26.03.2025 | 08:55 Uhr
Da rein, da raus
So um die fünfzig Tafeln Dubaischokolade. Um ganze 20 Prozent billiger. Und das in einem kleinen Laden im kleinen Nottuln, dem Ort, in dem ich wohne. Undenkbar noch vor wenigen Monaten! Da haben sie ja Schlange gestanden für „Dubaischokolade“. Und mindestens so viele hatten sich aufgeregt über diese ganze Aufregung um ne Schokolade mit Pistazien. Wochenlang war das Wort „Dubaischokolade“ in deutlich mehr Mündern als die Schokolade selbst. Und jetzt gammelt der Hype als Quengelware an der Kasse.
So ähnlich ergeht es ja vielen Aufregerthemen. Ein Satz, ein Foto reicht, und die Schlagzeilen überschlagen sich. Nicht nur in den Medien, sondern auch in den Pausenräumen und an den Esstischen. Da regen sich tausende Menschen auf, weil tausende andere eine gute Zeit haben bei einem Konzert von Taylor Swift. Die einen empören sich über Menschen, die sich vegan ernähren, andere über Eltern, die mit ihren Kindern in einem Familienbett schlafen, etliche stolpern über Gendersternchen und immer wieder schäumen viele vor Wut über kleinste Sätze und Gesten von Politikerinnen und Politikern. Und so weiter.
Ich kenne das von mir selbst gut. Ganz schön anstrengend finde ich das inzwischen. Und außerdem super schade, womöglich auch gefährlich. Weil dabei mehr übereinander gesprochen wird. Statt miteinander. Und weil das Ganze einfach nur menschliche Energie frisst. Und die ist begrenzt. Sollten wir diese Energie da nicht lieber für Wichtiges einsetzen?
Ich bin Supervisorin.
Das heißt, ich helfe anderen, mal die Dinge von nem anderen Standpunkt in den
Blick zu nehmen. Und vor einiger habe ich mit einem Team einer Kita zu genau
diesem Thema gearbeitet. Da ging es auch um Aufregerthemen von der Dubaischokoladensorte.
Also solche, die kurz danach schon wieder egal waren. Und da haben wir zusammen
überlegt, was helfen kann, damit der Hype um ein Problem nicht so übertrieben
wird. Und da kamen gute Ideen zusammen: „Sich fragen, was ich wohl in einem
halben Jahr darüber denke“ sagte eine. Großes Nicken in der Runde. Denn sie
alle wussten, mit Abstand ist das meiste egal. Eine andere Idee, die uns kam:
Jedes Thema, das umtreibt, auf einen Zettel schreiben. Es werden drei Gläser
aufgestellt. Eines mit der Aufschrift: „Dranbleiben - sehr wichtig und sehr
dringend“. Eines mit „Darüber sollten wir bald sprechen.“ Und eines mit „Da
rein, da raus.“ Von der Idee waren viele sofort begeistert. Die drei Gläser
waren schnell gebastelt. Nicht, um sich weniger aufzuregen, sondern um ernst zu
nehmen, was wirklich wichtig ist. Und ich finde: das sollte nicht nur für
Aufreger-Themen gelten. Sondern erst recht für das, was unser Leben echt schön
macht. Da ist auch reichlich wichtiges und dringendes dabei.