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Kirche in WDR 4 | 29.04.2025 | 08:55 Uhr
Mit Gutem rechnen
Guten Morgen!
Neulich in Bottrop am Busbahnhof. An der Ampel stehen eine ältere Frau und ein älterer Mann. Er hat eine große Mappe mit irgendwelchen Papieren unter dem Arm. Als es grün wird, gehen die beiden los, und die Mappe fällt runter. Sofort verteilen sich die Unterlagen auf der Straße. Ein Windstoß reicht aus, um die offensichtlich wichtigen Papiere überall zu verteilen. Die Ampel wird mittlerweile wieder rot, die Autos kriegen grün.
Als erstes vor der Ampel steht ein Krankenwagen. Der Fahrer macht die Warnblinker an, er und sein Beifahrer steigen aus und fangen an, die Zettel einzusammeln. Schnell kommen noch mehr Leute dazu, die an der Haltestelle auf ihren Bus warten. Eine Busfahrerin macht ebenfalls die Warnblinker an und wartet mit der Abfahrt, weil sie nicht über die Papiere fahren will. Es dauert ein paar Minuten, aber irgendwann hat der ältere Herr alle Papiere wieder in seiner Mappe verstaut. Dankbar nickt er den helfenden Leuten zu.
Zwei Mal wird die Ampel in der Zwischenzeit rot und wieder grün. Keiner hupt. Keiner meckert.
Ich freue mich über so viel Zivilcourage und so viel Hilfe. Es könnte doch immer so einfach sein. Und dann ärgere ich mich, dass ich mich über die kleine Geschichte so freue, denn das zeigt ja, dass es normalerweise anders läuft. Ich hätte mit lautem Gehupe und Geschrei gerechnet, vielleicht auch damit, dass Autos über den Busbahnhof ausweichen, um schneller voranzukommen. Vor lauter schlechten Nachrichten rechne ich schon gar nicht mehr mit dem Guten. Ich erinnere mich: Man muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten!
In der Bibel fragt einer Jesus: „Wenn ich meinen Nächsten lieben soll, wer ist das denn eigentlich?“ Dazu erzählt Jesus die Geschichte vom „Barmherzigen Samariter“:
„Ein Mann geht auf einer Landstraße von einer Stadt zur anderen. Räuber überfallen ihn, rauben ihn aus, schlagen ihn zusammen und lassen ihn halbtot am Straßenrand liegen. Wenig später kommt ein Priester vorbei und geht weiter. Dann kommt ein Gelehrter – auch er geht vorbei. Erst der Samariter hält an. Er steigt von seinem Esel, versorgt den Mann, verbindet seine Wunden. Er lädt ihn auf den Esel und bringt ihn in eine Herberge, und er bezahlt sogar den Wirt und bittet ihn, den überfallenen Mann zu versorgen. Damit er wieder zu Kräften kommen kann. So“, sagt Jesus, „wer ist der Nächste gewesen für den, der überfallen wurde?“ Der Mann, der Jesus die Frage gestellt hatte, erkennt es: Der Nächste ist der, der ihm geholfen hat.
In Bottrop am Busbahnhof, das war für mich ein heiliger Moment im Alltag. Wenn Leute ihren eigenen Zeitplan und ihre eigene Eile nicht mehr so wichtig nehmen, wenn Leute einfach machen, was jetzt gerade dran ist. Da wird ein Krankenwagen an der Ampel zum Rettungs-Wagen. Da macht eine Busfahrerin der Nächstenliebe den Weg frei. Da werden Menschen, die auf ihren Bus warten, zu barmherzigen Samaritern. Ich bin mir sicher: Jesus hat seine Freude daran.
Rechnen Sie heute mit allem. Auch mit dem Guten!
Ihr Pfarrer Steffen Riesenberg aus Bottrop.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
