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Kirche in WDR 4 | 12.05.2025 | 08:55 Uhr
Im Waffenladen
Guten Morgen.
Direkt gegenüber der Kirche hat ein Laden für Schusswaffen aufgemacht. Im Schaufenster sind nur kleinere Waffen und Zubehör zu sehen. Wer weiß, was da drinnen noch alles verkauft wird. Ich ärgere mich darüber. Zumal wir ein paar Wochen vorher in kleiner Runde überlegt hatten, das Geschäft für kirchliche Zwecke anzumieten. Daraus ist zwar nichts geworden, aber muss dann gleich ein Waffenladen einziehen? Ich bin mit der Friedensbewegung aufgewachsen. Aber auch wenn ich heute differenzierter über Sinn und Unsinn des Militärs nachdenke, eine Schusswaffe käme mir nicht ins Haus. Ich kenne überhaupt niemanden, der eine Waffe im Haus hat. Was sind das für Leute, die meinen, eine zu brauchen? Und was sind das für Leute, die mit Waffen Geschäfte machen? Ab und zu schiele ich von der Kirche rüber zum Waffenladen. Ich habe noch keinen Menschen raus- und reingehen sehen. Der Laden bleibt mir ein Ärgernis.
Einmal im Jahr wird aus unserer Kirche für zwei Wochen die Vesperkirche. Jeden Tag kommen ungefähr 500 Menschen in die Kirche. Sie setzen sich mit Menschen, die sie nicht kennen, an einen Tisch. Sie essen miteinander und versuchen dabei ins Gespräch zu kommen. Gar nicht so einfach; unsere Welten sind oft sehr verschieden. Aber gerade deswegen machen wir ja Vesperkirche.
Sie wird ganz aus Spendengeldern finanziert. Deshalb mache ich mich eines Morgens auf, um Geschäftsleute für eine Spende zu gewinnen. Beim Bäcker gehe ich winkend vorbei, der spendet uns schon jeden Tag den Kuchen: „Danke!“ Ich steuere das erste Geschäft an und muss trotz Kälte vor der Tür stehenbleiben. Eine wichtige Kundin braucht drinnen gerade die ganze Aufmerksamkeit. Weiter geht’s zum nächsten Geschäft. Hier mustert mich die Verkäuferin von Kopf bis Fuß, bevor sie den Kopf schüttelt. Eine Kundin aber drückt mir 50 Euro in die Hand, einfach so. Im nächsten Laden sind sie schroff: „Uns gibt auch keiner was.“ Im Spielzeugladen sind sie unter Umständen bereit, mir Seifenblasen und kleine Pixibücher zu geben, aber ich bin ja auf der Suche nach Geld.
So richtig Spaß macht das Spendensammeln nicht. Und erfolgreich ist es auch nicht. Eher eine Übung in Demut.
Beim Waffenladen gegenüber der Kirche zögere ich. Soll ich da überhaupt reingehen? Schließlich siegt meine Neugier. Es klingelt, als ich durch die Tür trete. Aus dem Hinterzimmer kommt ein junger Mann hervor. Ich sage mein Sprüchlein auf: „Pastorin…Vesperkirche…gemeinsames Essen… Ich wollte fragen, ob Sie dafür etwas spenden können.“ Der Mann schaut mich etwas unsicher und überrascht an: „Sie kommen zu uns? Sie wissen aber schon, dass das hier, ähm, ein Waffenladen ist?“ Ich nicke, aber noch bevor ich antworten kann, hellt sich sein Gesicht plötzlich auf: „Das ist ja nett, dass Sie uns das zutrauen.“ Jetzt bin ich überrascht. Was er dann noch sagt, höre ich nur mit einem Ohr: Er will mit seinem Bruder sprechen, ob sie etwas geben können. Keine Zusage, keine Absage. Ich gehe wieder durch die Tür auf die Straße. Das habe ich nicht erwartet. Nicht diese Unsicherheit. Und auch nicht diesen Anflug von Freude, mal nicht in die übliche Schublade gesteckt zu werden. Eine beidseitige Irritation.
Ich habe gelesen, dass Jesus genau das mit seinen Gleichnissen bezweckt hat. Er wollte Leute irritieren. Ob er an diesem Morgen seine Hand im Spiel hat?
Es grüßt Sie, Pfarrerin Christel Weber aus Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze