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Kirche in WDR 4 | 26.05.2025 | 08:55 Uhr
Navi oder Beten
Guten Morgen!
„Völlig klar – wir müssen da vorn rechts und dann die zweite links. Ich weiß genau, wo’s langgeht.“ Die Stimme meines Vaters ist mir bis heute klar im Ohr. Saß am Steuer unseres Autos und navigierte uns zielsicher durch fremde Städte und Landschaften.
Manchmal jedenfalls.
Häufiger allerdings fuhren wir im Kreis oder landeten im Nichts. „Sollen wir nicht doch mal eben anhalten und die Frau da vorn am Straßenrand fragen?“ Meine Mutter auf dem Sitz daneben; die leicht verdrehten Augen konnte man beinahe von hinten sehen. „Nein, brauchen wir nicht. Ich weiß schon selbst, wo’s langgeht.“ Standardantwort. Die Ankunft verzögert sich um wenige Minuten…
Jahre später, nachdem ich selbst mit dem Autofahren begonnen hatte, merkte ich eines Tages mit Schrecken: Ich bin wie er. Lieber kehre ich dreimal um und kurve suchend, fluchend durch die Gegend, als dass ich anhalte und tatsächlich jemanden bitte, mir in meiner Verwirrung den Weg zu weisen.
Sie merken: Ich bin ein paar Tage älter. Und stamme aus dem smartphonelosen Mittelalter. Navigationsgeräte für das Auto waren reine Science Fiction; man fuhr los mit schweren Atlanten im Gepäck. Kaum vorzustellen, wo heute ohne Navi keiner mehr zum Bäcker kommt.
Die Technik macht Männern wie mir das Leben inzwischen leicht und angenehm. Anhalten, innehalten, mir eingestehen, dass ich gerade schlicht nicht weiterweiß? Und erst recht: einen anderen, ja einen fremden Menschen fragen, bitten, ob er oder - schlimmer noch - sie mir helfen, mir in meiner Verlorenheit den rechten Weg weisen kann und mag: So weit kommt’s noch.
Nicht umsonst scherzen manche: Das Volk Israel hätte seinen Weg durch die Wüste in 14 Tagen schaffen können statt in 40 Jahren – wenn, ja wenn Mose eine Frau gewesen wäre. Die hätte nach dem Weg gefragt.
Rogate – bittet, betet. So hieß der gestrige Sonntag in der Sprache des Kirchenjahres. Rogate – bittet, betet.
Das ist ähnlich wie nach dem Weg fragen. Mit dem Leben halte ich’s ja oft wie Männer mit dem Autofahren vor der Navi-Zeit. Ich weiß genau, wo’s langgeht. Jemanden fragen? Um Hilfe bitten? Um Weisung? Ich? Bestenfalls kann man ja mal Google fragen – oder künftig, Halleluja, die KI. Wirklich?
„Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet.“ (Die Bibel, Luther 2017, Psalm 66,20)
Das ist dir versprochen, Menschenskind: Wenn du dich verirrst und verfranzt, wenn du nicht mehr weiterweißt, wenn du suchst oder das Leben dich fluchen lässt: Dir hört einer zu. Immer. Halt mal an. Halt mal inne. Und sprich halt mit Gott. Am besten jeden Tag, denn das will gelernt, will geübt, will „Routine“ sein. Weg-Erfahrung zu deutsch.
Also denk mit Gott drüber nach, wo du eigentlich hinwillst. Wirklich hin willst. Ich bin ganz sicher: Es tun sich plötzlich neue Wege auf.
Ihr
Ulf Schlüter, Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze