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Kirche in WDR 4 | 28.05.2025 | 08:55 Uhr
Anstoß-Gebete
Guten Morgen!
Drei Tage noch, dann passiert‘s: am Samstagabend in München. Mailand gegen Paris, Inter gegen PSG. Das Spiel der Spiele jeder europäischen Saison: Finale der Champions League. Für Tage, für Abende wie diese leben Fans – und Fußballer. Trainieren täglich von Kindesbeinen an, formen, modellieren, drillen ihren Körper bis zum Exzess, schuften schwer für Kraft und Geschwindigkeit, studieren ihre Gegner mit Daten, Videos und Taktiktafeln, schmieden Spielstrategien für 90 oder mehr Minuten, feilen selbst noch am Elfmeterschießen. Wohin sprang der gegnerische Torwart bei den letzten 100 Strafstößen. Wer das nicht weiß, spielt mit dem Zufall. Und so, perfekt präpariert, betreten 22 Top-Athleten am Samstagabend um neun den Rasen der Münchener Arena.
Und dort passiert Erstaunliches. Denn ich bin ganz sicher – ein paar von Ihnen werden es auch diesmal tun. Weil sie es immer tun, vor jedem halbwegs großen Spiel, und am Samstag erst recht. Richten den Blick zum Himmel, schließen die Augen, öffnen die Hände nach oben, schlagen - bei Christen - das Kreuz auf Brust oder Stirn.
Kurz vor dem Pfiff: Anstoß-Gebete. Vor aller Augen und ungezählten Kameras, vor Millionen, ja Milliarden Fans. Von denen wiederum viele, im Stadion oder daheim, ihrerseits finale Stoßgebete Richtung Himmel schicken. Bitte, bitte, bitte – lass es heute geschehen.
Nun finden viele das bedenklich. Beten für den Matchgewinn. Peinlich und pietätlos sei das doch, befand ein kritischer Kommentator, als ich vor Jahren in meiner schwarzgelben Heimat mit Fans, Verein und Spielern zum Gottesdienst eingeladen hatte.
Und ja, das wäre es, peinlich und pietätlos, ginge es darum, christliches Final-Voodoo zu bemühen und den Ball ins Tor der gegnerischen Mannschaft beten zu wollen. Nichts als grober Unfug wäre das.
Erstens weiß ein jedes Kind, dass es schlicht so nicht funktioniert. Zweitens hat Gott, der Herr im Himmel, nun wirklich Wichtigeres zu tun. Und drittens glauben Christen nun eben nicht an einen Trophäen-sichernden Fußballgott.
Sondern an Gott, der selbst die tiefste Niederlage mit den Menschen teilt – den Tod. Das schnell geschlagene Kreuz auf dem Trikot der Stars, es ist und bleibt ein Kreuz. Und es steht genau dafür: Da ist ein Gott, der mit dir geht, vom Anfang bis zum Ende, an den Tagen des Glücks und in der Tiefe des Leids. Was immer geschieht – er sieht deinen Weg und hört dein Gebet und bleibt an deiner Seite.
Ora et labora. Bete und arbeite. Heißt seit Jahrhunderten das Leitwort der Benediktiner. Beides macht Sinn, beides ist Segen - für Fußballprofis wie für dich und mich. Bete und arbeite. Tu, was du kannst, häng dich rein, gebrauche deine Kraft und deine Gaben. Und in allem vertrau dich Gott an. Lieg ihm in den Ohren. Bitte ihn. Frage ihn. Danke ihm. Klage ihm dein Leid. Gott ist da. Ora et labora. You’ll never walk alone.
Ihr Ulf Schlüter, Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze