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Sonntagskirche | 15.06.2025 | 08:55 Uhr
Ein Platz zum Bleiben!
Guten Morgen,
sprachlos und entsetzt blicke ich auf das Schreiben meines Vermieters: "Es tut uns leid Ihnen mitzuteilen, dass wir Ihre Wohnung zum 31.12. dieses Jahres kündigen müssen. Unsere Tochter beginnt ihr Studium und benötigt deshalb die Wohnung". Es trifft mich ganz besonders schmerzlich, weil ich mich hier in den bisher sechs Jahren so gut eingelebt habe: vertrauter Kontakt zu den netten Nachbarn. Ruhige Lage mit angrenzendem Park. Kurze Wege zum Einkauf und zur S-Bahn. Wie soll ich jetzt nur eine vergleichbare und finanzierbare neue Wohnung finden? Und das in der kurzen Zeit bei den derzeit hohen Mieten?
Wir brauchen alle ein Zuhause, in dem wir uns wohl fühlen. Ein Zuhause, in das ich jeden Tag gerne zurückkehre. Das mir immer wieder ein herzliches Ankommen und ein Rauskommen aus dem geschäftigen Alltag ermöglicht. Wo ich wohne, ist eben dort, wo ich an die Dinge gewohnt bin. Ich verspüre den Wunsch nach so etwas wie Heimat, wie Zuhause-sein und Zugehörigkeit. Einen Ort, der vor allem einfach da ist, wo ich jederzeit nach Hause kommen kann und erwartet werde.
An dem letzten gemeinsamen Abend vor seinem Tod redet Jesus mit seinen Jüngern, seinen Vertrauten, genau über dieses Thema. Seine Anhänger sind verängstigt und verwirrt, weil sie wissen, dass Jesus hingerichtet wird. Und Jesus gibt ihnen einen wunderbaren Trost, eine Ermutigung mit: "Ich richte euch ewige, wunderschöne Wohnungen ein! ich warte dort auf euch!" (Die Bibel, Johannes 14,2). Dabei betont Jesus nicht etwa besonderes Mobiliar oder exklusive Smart-Home-Elektrik. Ich denke es geht ihm vielmehr um die Nähe zu ihm im Sinne einer bleibenden Heimat und einer Geborgenheit. Ja, es klingt zu schön, um wohnbar zu sein. Doch Jesus bietet an, ihm zu vertrauen und die Gemeinschaft mit ihm auch schon hier und heute zu leben. Und ich freue mich auch schon darauf, nachher im Gottesdienst meiner Kirchengemeinde wie an jedem Sonntag eben solche "Hausgenossen" zu treffen. Und mit ihnen diese "Hausgemeinschaft" zu feiern. Jesu Worte, dass in seines Vaters Haus viele Wohnungen sind, höre ich auch noch mit anderen Ohren. Denn auf Wohnungssuche kann ich ebenso im Glauben sein. Welcher Glaube, welche Frömmigkeitsform passt für mich? Traditionell mit Orgelmusik? Oder mit christlicher Band und modernen Liedtexten? Und wie ist das mit den anderen Religionen und Konfessionen? Und wenn ich mehr Zweifel habe als festen Glauben? So befreien mich diese Worte von allen Engführungen. Das Haus Gottes, das Haus des Glaubens, ist kein schematischer Nullachtfünfzehn-Bau. Es gibt so viele unterschiedliche Facetten des Glaubens wie es Wohnungen gibt. Das ist die Vielfalt des Glaubens. Es ist für mich immer wieder spannend zu entdecken, wie Menschen wohnen und wie sie glauben. Jedenfalls wenn ich mich auf diese Vielfalt einlasse.
Übrigens hat mich dort beim anschließenden Kirchencafé kürzlich jemand gefragt, ob ich vielleicht jemanden kenne, der als Nachmieter in seine Wohnung einziehen möchte? Und natürlich kannte ich sofort jemanden… Solches oder ähnliches Glück wünsche ich Ihnen heute von Herzen. Einen Ort, wo Sie sich zu Hause fühlen. Mit Leib und Seele.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze