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Kirche in WDR 4 | 05.05.2025 | 08:55 Uhr
100 Jahre Hüsch
Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist ist das Wochenende auch schon wieder vorbei. Tja. Und juchu! Vorbei sind auch meine Tage in der Klinik. Jetzt kann ich hier wieder sprechen. Meine Lunge hatte ja schlapp gemacht. Nicht schön. Und als ich da so gelegen hab, zwischen Schläuchen und dem Piepen vom EKG und nachts über die blinkende Silhouette Kölns geschaut hab –dann hab ich schon gedacht: Wann hast du dich jemals so allein gefühlt? Tja. Und in einer besonders einsamen Nacht habe ich auf einmal an Hanns-Dieter Hüsch denken müssen. Dieser wunderbare Kabarettist, der Poet vom Niederrhein. Morgen wäre Hüsch hundert Jahre alt geworden. Und was Einsamkeit bedeutet, das hatte der nun wirklich schon als Kind erfahren müssen. Der kleine Hanns ist nämlich mit krummen Füßen auf die Welt gekommen. Vierzehn Jahre lang wurde er behandelt, operiert, wurden die Knochen neu zusammengesetzt. Vielleicht das alles seine Worte später so besonders gemacht. Ich finde nämlich, die klingen oft so, als habe da einer ganz genau gewusst, wie schwer das Leben manchmal auf einem lastet. Und wie leicht es plötzlich wird, wenn einem einer leise zuruft: "Du bist nicht allein."
Wenn Hanns
Dieter Hüsch über Gott geredet hat, mit seiner einmalig knarzigen Stimme - dann
nicht wie ein müder Domprediger von einer staubigen Kanzel. Sondern so, als sei
Gott einer, der nachmittags in der Sonne auf einer Bank sitzt und ein Stück auf
Seite rückt. "Komm, setz dich. Wir gucken zusammen in die Welt." In
einem seiner Texte schreibt Hüsch: „Der liebe Gott wohnt bei uns im Dorf. Er
geht morgens mit dem Hund spazieren und hört zu, wenn einer Sorgen hat.“ So
einfach. So anrührend. So gut. Kein ferner Herrscher. Kein Richter mit
Aktenordnern voll Anklageschriften. Sondern einer, der seine Bank teilt. Seine
Zeit. Seine Ohren. Als ich jetzt im Krankenhaus war, da
ist dieser Gott zum Glück jeden Tag vorbei
gekommen. Zum Beispiel in Gestalt vom Pfleger mit einer Extratasse Kaffee.
Übrigens auch in vielen Briefen, Emails und Nachrichten, die ich bekommen habe.
Auch da ist Gott vorbeigekommen. Ungefragt, einfach so - und ist geblieben.
Hanns Dieter Hüsch hat in seinen Texten immer wieder davon erzählt. In einem
meiner Lieblingstexte von ihm hat er Jesus wunderbare Worte in den Mund gelegt. „Und Jesus
sagte: Wer traurig ist, den will ich trösten. Wer hungrig ist, den will ich
speisen. Wer friert, den will ich wärmen. Wer kein Zuhause hat, dem will ich
eines schaffen. Wer Unrecht tut, dem will ich vergeben. Wer nicht mehr leben
mag, dem will ich neuen Mut geben. Wer krank ist, den will ich heilen. Wer an
sich selber leidet, dem will ich aufhelfen. Wer kein Ziel
hat, dem will ich Wege weisen. Wer weint, dem will ich die Tränen trocknen. Wer streitet,
den will ich versöhnen. Und die Menschen fragten: Was tust du für dich selbst? Und Jesus
antwortete: Ich habe für mich euch.“ Gott mitten zwischen den Menschen. Und
mitten zwischen den Menschen: Gott. Was für ein schönes Bild. Genau richtig für
Hanns Dieter Hüschs Geburtstag. Und erst recht für einen Montagmorgen.