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Kirche in WDR 5 | 21.06.2025 | 07:55 Uhr
altes Fett
Da ist dieses leise Blubbern. Ganz kurz. Moment mal … Da ist es wieder. Plötzlich zischt es – weißer Rauch steigt auf. Kein neuer Papst. Nein. Liesel von nebenan hat die Fritteuse angeschmissen. Und mit dem weißen Rauch kommt auch eine andere Wolke: Der Geruch von altem Fett zieht durch den ganzen Straßenzug. Ich riech das heute noch.
Liesel war unsere Nachbarin. Eine Frau mit einer Kratzbürsten-Stimme wie die Staatsanwältin aus dem Münster-Tatort. Zigaretten und Schnaps hatten über Jahre ganze Arbeit geleistet. Und die Fritteuse den Rest.
Liesel und Heinz – ihr Mann – das waren
Originale. Heute wird ja vieles glatt gebügelt. Alles soll hip sein, alternativ,
individuell. Aber wenn ich mir so manchen Retro-Schnauzer und die abgeranzten
Lederjacken anschaue, dann ist das Einzige, was daran wirklich alternativ ist, der
völlig überzogene Preis. Liesel und Heinz mussten nichts darstellen. Die waren
einfach so. Unverstellt. Unangepasst. Und klar: Ihr altes Fett aus der
Fritteuse hat gestunken. Die Straße voll. Vielleicht würde ich Liesel und Heinz nicht
mehr erinnern, wenn das alte Fett nicht gewesen wäre. Aber: vielleicht hätte es
auch was dazwischen gegeben? Jedenfalls denke ich immer wieder mal an
meine schrulligen Nachbarn von früher.
Denn einerseits finde ich klasse, wenn Menschen völlig egal ist, was
andere über sie denken. Aber wenn ich an dieses alte Fett denke, dieses immer
und immer wieder aufgewärmte stinkende Zeug in der Friteuse, dann muss ich auch
an meine Kirche denken. Auch die wird von vielen durchaus schrullig
wahrgenommen. Da gibt es viele Liesels und Heinzes. Die tun sich schwer mit Veränderung. Und gleichzeitig denke ich mir: So vieles stinkt
doch schon lange zum Himmel. Aber viele trauen sich nicht ran. Dabei heißt
das alte Fett zu wechseln, ja nicht, die Fritteuse wegzuwerfen. Und genauso
heißt Veränderung in der Kirche nicht, den Glauben zu verraten. Im Gegenteil. Manchmal
bewahrt man den Kern gerade dann, wenn man ihn neu herausarbeitet. Und nicht
wartet, bis der Gestank alle vergrault hat. Von Liesel und Heinz zu lernen, heißt fürs
Leben zu lernen. Und für die Kirche gleich mit.
Ich grüße Sie aus Münster.
Ihr Stephan Orth.