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Kirche in WDR 5 | 02.07.2025 | 06:55 Uhr
Rast auf dem Weg
Guten Morgen!
Ich bin kein besonders guter Wanderer. Das liegt vermutlich daran, dass ich viel zu selten Wandern gehe. Doch vor einem Monat war es mal wieder so weit. Mit einem Freund bin ich für ein paar Tage in den Rheingau gefahren, um – zu wandern. Gleich am ersten Tag hatten wir uns eine Strecke von rund 15 Kilometern ausgesucht – durch Weinberge und Wälder nach Lorch am Rhein. Manch einer wird über die Entfernung nur müde lächeln können, doch uns reichte sie. Schon der erste Teil hatte es in sich: Es ging nur steil bergauf – für mich ungeübten Wanderer eine echte Herausforderung. Und mir wurde schnell bewusst, warum der Berg wohl Höllenberg heißt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit – tatsächlich waren es wohl nur rund 45 Minuten – waren wir oben angelangt. Doch der Blick von oben auf den Rhein entschädigte für die Anstrengungen: die vielen Weinberge, die anliegenden kleinen Orte und die Burgruinen – einfach wunderbar. Aber noch wunderbarer – und das sage ich eben als ungeübter Wanderer – war da die Sitzbank, von der wir den wunderbaren Ausblick genießen konnten. Es tat uns einfach gut, nach dem steilen Aufstieg hier zu verschnaufen, etwas zu trinken, den Blick zu genießen und sich über das Gesehene auszutauschen, bevor es weiterging. So eine Sitzbank als Rastplatz ist so wichtig!
Mich erinnerte das Ganze an einen Stein im Heiligen Land, der vor einigen Jahrzehnten gefunden wurde. Auf dem steht geschrieben: „Auf diesem Stein rastete Maria auf ihrem Weg zu Elisabeth“. Geschenkt, ob Maria, die Mutter Jesu, wirklich auf diesem konkreten Stein gesessen hatte. Darum geht es letztlich nicht. Aber dass sie auf ihrem Weg zu ihrer Verwandten Elisabeth zwischendurch mal rastete und ausruhte, scheint mir mehr als einleuchtend. Immerhin liegen zwischen ihrem Wohnort Nazareth und dem Wohnort Elisabeths, Ein Kerem nahe Jerusalem, 120 bis 150 Kilometer, je nach Streckenwahl – also das Acht- bis Zehnfache dessen, was mein Freund und ich gewandert waren. Was war geschehen, dass Maria einen so weiten und sicherlich auch so beschwerlichen Weg auf sich nahm?
Die Bibel erzählt dazu folgendes: Maria hatte durch den Engel Gabriel die Botschaft erhalten, die Mutter Jesu zu werden – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Und sie sagt „Ja“ dazu, im vollen Vertrauen auf Gottes Beistand. Vielleicht wird ihr erst später bewusst, was das bedeutet, bedeuten kann: Sie, die unverheiratete junge Frau, wird schwanger. Nach damaligem Recht hätte sie im Extremfall als Ehebrecherin dafür gesteinigt werden können. Mal ganz abgesehen davon, was ihr Verlobter Joseph dazu sagen würde. Das alles musste sie erst einmal verdauen; sie brauchte, um es mit heutigen Worten zu sagen, einen Tapetenwechsel. Sie war von Gott im wahrsten Sinn des Wortes heimgesucht worden, und nun macht sie sich auf die Suche nach einem neuen Heim. Sie geht zu ihrer Verwandten Elisabeth ins weit entfernte Ein Kerem. Ganz nach dem Motto: Je größer der Abstand umso besser. Auf diesem Weg wird Maria nicht nur einmal gerastet haben, um auszuruhen, sondern vor allem um über ihre Situation nachzudenken. Und sie setzt ihren Weg fort, den sie mit ihrem Ja-Wort gegenüber dem Engel Gabriel begonnen hatte. Sie geht damit ihren Lebensweg weiter mit dem gleichen tiefen, innigen Vertrauen, dass Gott ihr auch weiterhin beistehen wird. Egal was passiert. In Ein Kerem angekommen, wird sie freudig begrüßt und herzlich willkommen geheißen.
Heute am 2. Juli erinnert die Kirche mit einem Fest an dieses Geschehen und nennt es interessanterweise Mariä Heimsuchung, weil Gott sie heimgesucht hat, weil sie selbst ein neues Heim gesucht hat und ein solches bei ihrer Verwandten Elisabeth gefunden hat. Aber für mich ist dabei noch ein anderer Aspekt sehr wichtig: Das Fest Mariä Heimsuchung erzählt von dem Weg, zu dem immer auch die Rast gehört, um sich zu erholen, aber auch um immer mal wieder innezuhalten, über Geschehenes nachzudenken und dann voller Gottvertrauen den eigenen Lebensweg fortzusetzen. Also: Auf zur nächsten Wanderung mit Rast.
Ihr Monsignore Gregor Tuszynski aus Paderborn.