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Kirche in WDR 5 | 04.07.2025 | 06:55 Uhr
Sakrament des Bruders
Guten Morgen!
Heute ist der erste Freitag im Monat. In der katholischen Kirche hat er einen besonderen Namen: Herz-Jesu-Freitag. Mit diesen monatlich wiederkehrenden Herz-Jesu-Freitagen verbinde ich eine wertvolle Erinnerung. Ich war noch junger Priester, gerade geweiht. Und zu meinen Aufgaben in meiner ersten Gemeinde gehörte es, die Kommunion zu alten und kranken Menschen in der Gemeinde zu bringen. Das ist deshalb so etwas Besonderes, weil nach katholischer Lehre Jesus Christus selbst auf geheimnisvolle Weise in der Kommunion gegenwärtig ist. Mit anderen Worten: Ich durfte Jesus selbst zu den Menschen bringen.
Ich ging also zu Menschen, die in der Regel fest mit der Kirche verankert waren und früher, als sie noch mobil und gesund waren, am kirchlichen Leben aktiv teilnahmen. Doch nun war es ihnen aufgrund von Alter oder Krankheit nicht mehr möglich. Sie konnten nicht mehr die Gottesdienste in der Kirche besuchen und mitfeiern. Um sie dennoch am Glaubensleben der Gemeinde wenigstens ein wenig teilnehmen zu lassen, brachte ich also den Alten und Kranken die Kommunion, den Leib Christi – eigentlich das Wertvollste, was die Kirche hat. So machte ich mich Monat für Monat auf den Weg. Nach einem kurzen Gespräch über das persönliche Befinden und ein paar Geschichten aus ihrem Leben feierte ich mit ihnen einen kleinen Gottesdienst und reichte ihnen die Kommunion. Und ihre Reaktion: Freude und Dankbarkeit. Das sah ich auf jeden Fall in ihren Gesichtern. Spätestens jetzt merkte ich: Nicht nur sie wurden durch die Kommunion beschenkt, auch ich wurde beschenkt durch ihre Freude und Dankbarkeit. Für mich zeigte sich hier etwas von Jesu Auftrag und Lehre, wie er sagte: „Ich war krank und ihr habt mich besucht. … Denn was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,36b.40b). Mit anderen Worten: In den Kranken und Alten begegnete mir Jesus selbst. Und umgekehrt: Ich brachte Jesus zu ihnen. Also eine doppelte Jesus-Begegnung, für sie und für mich: Wir wurden beide mit seiner Gegenwart beschenkt.
Bereits im 4. Jahrhundert bezeichnete Johannes Chrysostomus, ein großer Theologe, den Besuch bei den Kranken als „das Sakrament des Bruders“. Christus handelt durch andere Menschen am Kranken und offenbart sich auf diese Weise selbst als die Barmherzigkeit Gottes. Und weil im Krankenbesuch die Barmherzigkeit Gottes offenbar wird, wurde und wird Jesus am Herz Jesu-Freitag in der Gestalt des Brotes zu den Kranken gebracht. Und für mich leuchtet das auch ein: Im Bild des Herzens Jesu kommt seine Barmherzigkeit zum Ausdruck.
Das Bild des Herzens Jesu hat übrigens seinen biblischen Ursprung im Bericht von der Kreuzigung Jesu. Als Jesus schon tot war, öffnete einer der Soldaten mit seiner Lanze die Seite Jesu und Blut und Wasser strömten heraus (vgl. Joh 19,33f.). Das Herz des toten Jesus war also offen sichtbar und wurde zum Symbol des Lebens, der Liebe und der Zuwendung. Jesus, der zeit seines Lebens ein Herz für die Ausgestoßenen, die Kranken, die am Rand der Gesellschaft Stehenden hatte, zeigte selbst im Tod noch seine Barmherzigkeit im Bild dieses Herzens.
Und ich bin überrascht: Auch wenn viele Menschen nicht mehr so viel mit der bildreichen und manchmal lieblichen Herz Jesu-Frömmigkeit anfangen können: Sie halten viel von dem Bild des Herzens. Es steht für die Liebe und Zuwendung zum Menschen. Ob dieser nun krank, einsam oder arm ist, spielt letztlich keine Rolle. Das jedenfalls ist die Botschaft Gottes: Jeder Mensch ist von ihm geliebt und hat damit eine Würde, die ihm niemand nehmen kann. Sollte das nicht Hinweis und Maßstab sein: einander zu lieben, wie Gott den Menschen geliebt hat?
Aus Paderborn grüßt Sie Monsignore Gregor Tuszynski.