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Kirche in WDR 5 | 05.07.2025 | 07:55 Uhr
Gefangenenwallfahrt nach Werl
Guten Morgen!
Wer heute nach Werl in der Nähe von Dortmund kommt, wird Scharen von Pilgern begegnen, denn Werl ist ein Wallfahrtsort. Und an diesem Wochenende kommen aus dem Bergischen, dem Paderborner oder dem Sauerland die Fußpilger hierher: Sie sind teilweise bis zu drei Tage hierhin unterwegs, um heute und morgen die Gottesmutter Maria zu verehren und Hilfe und Trost in ihren Sorgen und Nöten zu erbitten. Seit 1661 befindet sich hier nämlich das Gnadenbild der „Trösterin der Betrübten“. Das Gnadenbild – eigentlich eine Skulptur aus Holz – ist um 1150 im Rheinland oder in Westfalen entstanden. Dargestellt ist Maria als Sitz der Weisheit mit Christus im Mittelpunkt, der als Erlöser und Heiland der Welt auf ihrem Schoß thront. Jahr für Jahr pilgern rund 100.000 Menschen – Männer und Frauen, Junge und Alte – nach Werl. Sie alle verbindet eines: sie verehren Maria, die Mutter Jesu. Nach Altötting in Bayern und Kevelaer am Niederrhein ist Werl damit der drittgrößte Wallfahrtsort in Deutschland.
Genau morgen ist der Hauptwallfahrtstag. Kardinal Reinhard Marx, der ja aus dem Erzbistum Paderborn stammt, hat sich angesagt, um den Festgottesdienst mit den Pilgern zu halten.
Mich hat allerdings hier in Werl eine Wallfahrt ganz anderer Art beeindruckt und die hat bereits vorgestern stattgefunden – weitgehend unbemerkt von der großen Öffentlichkeit: die Wallfahrt der Strafgefangenen. Sie haben richtig gehört: Etwa 70 Inhaftierte aus fünf verschiedenen Justizvollzugsanstalten Nordrhein-Westfalens sind gekommen, zusammen mit Vollzugsbediensteten sowie den JVA-Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Sie zogen – wie viele andere Pilger es auch tun – gemeinsam erst durch die Fußgängerzone und dann durch das Hauptportal in die Wallfahrtskirche. Dort wurden sie wie alle Pilgergruppen begrüßt, verbrachten den Tag in und um die Wallfahrtskirche und feierten zum Abschluss gemeinsam die Messe. Übrigens: eine solche Wallfahrt fand in diesem Jahr bereits zum dritten Mal statt. Für die Inhaftierten, die zum Teil langjährige Haftstrafen verbüßen, ist sie ein besonderes Ereignis – nicht nur, weil sie einen Tag dem tristen Gefängnisalltag entkommen können. Einer von ihnen brachte es auf den Punkt. Er sagte: „Gemeinsam durch die Stadt und durch das Hauptportal in die Wallfahrtskirche ziehen zu dürfen – so wie andere Menschen es auch können – zeigt mir, dass auch ich eine Würde habe, die mir niemand nehmen kann.“
Ja, jeder der Gefangenen hat eine Straftat begangen, die er jetzt mit Gefängnis büßt. Aber dennoch bleiben sie Menschen, die nach christlichem Verständnis in gleicher Weise gottebenbildlich sind wie alle anderen Menschen auch. Hierin gründet ihre Würde, die sie auf ihrer Wallfahrt erfahren können. Und ich sage einmal: Hier zeigt sich in besonderer Weise die Bedeutung Marias und ihres Titels in Werl: Sie ist die „Trösterin der Betrübten“. Und so mancher der Inhaftierten schüttet hier sein Herz aus, bekennt seine Sünden und bittet um Vergebung, um mit Gott versöhnt zu werden und Frieden mit sich und dem Sinn des Lebens zu finden. Die Versöhnung mit Gott macht die Straftaten natürlich nicht ungeschehen und befreit auch nicht aus der Gefängniszelle, in die sie spätnachmittags zurückkehren. Doch sie schenkt Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Das zeigt sich konkret in Folgendem: Eine Gefängnisstrafe bedeutet ja nicht nur die Buße für ein Verbrechen, sondern hat immer auch die folgende Resozialisierung des Gefangenen im Blick. Und genau hierfür kann der Tag in Werl ein kleiner Baustein sein: Ein Schritt zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Ja mehr noch: Der Wallfahrtstag der Inhaftierten will einen Beitrag dazu leisten, das geistliche Leben der Inhaftierten zu stärken und vielleicht sogar ihre Beziehung zu Gott wieder zu beleben. Dazu wollen das gemeinsame Beten und Singen und nicht zuletzt die Feier der Gottesdienste beitragen. Gut, dass es so etwas für Inhaftierte gibt. Aber nicht nur für sie gilt das, sondern eigentlich für alle, die hier nach Werl oder zu einem anderen Wallfahrtsort kommen: Wallfahrtsorte sind besondere Orte, an denen sich Gott und Mensch, Himmel und Erde näherkommen, ja berühren können. Und wenn Sie morgen noch nichts anderes vorhaben, kommen Sie doch nach Werl und beten und feiern Sie einfach mit!
Herzlich grüßt Sie Monsignore Gregor Tuszynski aus Paderborn