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Das Geistliche Wort | 06.04.2014 | 08:40 Uhr
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Wieder aufstehen
Autorin: Manchmal warte ich auf ein Zeichen. Von Gott.Dass er sich zeigt. Und wenn es dann geschieht, bin ich trotzdem überrascht, verwundert, dass wirklich etwas passiert ist.
Guten Morgen, liebe Hörerin, lieber Hörer. Mein Name ist Stephanie Brall. Ich reise, schreibe, erzähle, fotografiere und publiziere. Zuhause war ich lange Zeit in Nordrhein-Westfalen, und bin es neuerdings in Niedersachsen.
Wie zuhause fühle ich mich außerdem in Geschichten. Mein Lieblingsbuch ist ein sehr altes. Die Bibel. Eine meiner Lieblingsgeschichten darin erzählt davon wie es ist, wenn Gott sich plötzlich zeigt im Leben.
Musik: Track 2 I’m On My Way von CD Wayfaring Stranger - A Spritual Songbook, Interpretin: Kristin Asbjoernsen, Komponisten: Anders Engen, Jarle Bernhoft, Jostein Ansnes & Trad. spritual; vocals; Jostein Ansnes: guitars, lap steel, vocals; Jarle Bernhoft: basses, guitars, vocals; Anders Engen: percussion, piano. Emarcy Records 2007, LC-Nr. 00699 (Universal Music Norway)
Autorin: Einer, der dringend darauf wartet, dass Gott hilft, einer, der ein Zeichen braucht, ist Jairus. Jairus ist ein stadtbekannter Mann, Vorsitzender eines Gotteshauses, einer Synagoge. Und er ist Vater, er hat eine Tochter. Und diese Tochter ist krank, schwerkrank, im Sterben liegt sie. Jairus hat alles unternommen, um ihr zu helfen, aber nun ist ihr nicht mehr zu helfen. Sie liegt in den letzten Zügen. Nur einen allerletzten Versuch, den wagt der Vater doch noch.
Da ist dieser Wanderprediger, über den so viel gesprochen wird, dieser Meister, der heute in die Stadt kommen soll. Ihm werden Wunder nachgesagt, über heilende Kräfte soll er verfügen. Jesus heißt er. Manch einer hält ihn für den langersehnten Messias, den Retter, den Sohn Gottes. Auch in Jairus Synagoge wird viel über ihn debattiert. Doch zum Debattieren bleibt Jairus jetzt keine Zeit mehr. Zu viel steht auf dem Spiel, es geht ums Leben, um das Leben seiner Tochter. Und er weiß nicht, wie viele Stunden sie noch hat.
Also macht er sich in aller Frühe auf und eilt zu dem Platz, auf dem sich dieser Jesus heute aufhalten soll. Als Jairus ihn entdeckt, bahnt er sich energisch einen Weg durch die Menge. Angekommen bei dem unbekannten Meister fällt er atemlos auf die Knie: „Meine Tochter liegt in den letzten Zügen“, sagt er und fleht den Meister an: „Komm doch und lege deine Hände auf sie, damit sie gesund wird und lebt.“
Die Umstehenden merken auf: Das ist doch Jairus, der Jairus, der Synagogenvorsteher. Sympathisiert der etwa mit dem Wanderprediger? Jesus nickt dem Vater freundlich zu, hilft ihm hoch, lässt sich bitten und folgt seiner Einladung. Die Menge ihnen hinterher. Das will sich keiner entgehen lassen.
Musik: Track 2 Lillies Of The Valley von CD Pina Soundtrack (Wim Wenders Film), Interpr./Komp.: Jun Miyake, Label: 380 Grad, 2011, LC-Nr. 03098.
Autorin: Doch dann wird Jesus plötzlich abgelenkt. Er lässt sich geradezu ablenken. Und zwar meint er, jemand habe ihn berührt. Und er besteht darauf, herauszufinden wer das war. Hilflos muss Jairus nun mit ansehen, wie der Meister sich Zeit nimmt für eine Frau, die sich einfach dazwischen gedrängelt hat, sich ihm geradezu in den Weg geworfen hat.
Versteht er denn nicht? Jede Minute zählt, seine Tochter liegt im Sterben. Warum kann er sich nicht beeilen? Doch der Meister nimmt sich Zeit für die Frau vor seinen Füßen, er hilft ihr auf, spricht mit ihr, nennt sie liebevoll seine Tochter, segnet sie, spricht ihr Heil zu. Und Jairus denkt: „Und was ist mit meiner Tochter?“
Wie eine Antwort schallt es da über die Leute hinweg zu ihm rüber: „Deine Tochter ist gestorben, Jairus; was bemühst du weiter den Meister?“ Es sind seine Freunde, die da rufen. Sie kommen aus seinem Haus, von seiner Tochter.
„Zu spät“, denkt der Vater, „zu spät, mein liebes Kind tot, die Tochter eines anderen war ihm wohl wichtiger, diesem Meister.“ Und er schaut zu Jesus rüber, fragend, ob er sich doch noch mal umdrehen würde zu ihm, sich erklärt, entschuldigt oder ihm wenigstens sein Beileid ausspricht?
Und während Jairus schon dabei ist, sich wegzudrehen, wendet der Meister sich ihm tatsächlich wieder zu, und antwortet ihm auf seinen fragenden Blick mit folgenden Worten: „Fürchte dich nicht,
glaube nur!“
Wie kann das sein? Jetzt ist doch alles gelaufen, schief gelaufen. Hat er es nicht mitbekommen, hat er nicht gehört? Sie ist tot! Doch Jesus zeigt zu der anderen, eben noch kranken Frau rüber, wendet sich dann wieder an Jairus, und spricht ihm nochmals zu: „Fürchte dich nicht, glaube nur!“
3. Musik = 2. Musik
Autorin: „Glaube nur!“ Es ist, als knüpfe Jesus bei dem Vertrauen dieser Frau an, die sich einfach dazwischen gedrängelt hat vor lauter Sehnsucht. Es ist, als erinnerte Jesus Jairus damit an seine eigene Sehnsucht, sein Vertrauen darin: Noch vor wenigen Minuten hatte Jairus ihm doch so viel davon entgegengebracht, als er ihn kniend um Hilfe bat.
Jairus zögert, irgendwie läuft das alles anders als geplant. Aber dann lässt er sich doch noch mal genau dort abholen: bei seinem ersten Knien, bei seinem kindlichen Vertrauen, bei seiner Sehnsucht. Und er nickt dem Meister zu, und lädt ihn noch einmal ein, mitzukommen zu ihm nach Hause.
Bevor sie erneut gemeinsam aufbrechen weist Jesus diesmal die Menge an, zurückzubleiben. Selbst von Jesu Freunden dürfen nur drei mitkommen: Petrus, Jakobus und Johannes. Als sie sich Jairus Zuhause nähern, in der Straße schon, hören sie lautes Klagen und Weinen, schon wieder so viele Menschen...
Gemeinsam mit dem Vater und den drei Freunden bahnt Jesus sich einen Weg durch das Getümmel, betritt das Haus, schaut sich um und ruft in die Menge: „Was lärmt und weint ihr?“ Und die Menschen gucken ihn irritiert an: Hat er nicht mitbekommen, was passiert ist?
Und als hätte der Meister wirklich nichts mitbekommen, ruft er ihnen zu: „Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.“ Was wagt er da zu sagen? Wie kann er nur so ignorant sein? Weint er keine einzige Träne mit? Was geht in ihm vor? Die Stimmung schlägt um. Aus dem lauten Weinen wird lautes, ungläubiges Gelächter.
Das ist der Moment, in dem Jesus die Runde nochmals verkleinert, alle rausschickt, ja, sogar raustreibt, und nur noch die bittet zu bleiben, die das ganze wirklich betrifft. Den Vater, die Mutter, und ein paar Vertraute der Familie. Und erst jetzt lässt Jesus sich die Tür zum Allerheiligsten der Eltern öffnen, geht er hinein zu dem Kind, widmet er sich der Totgeglaubten, der schon Betrauerten.
Und noch einmal tritt er nun aus dem Kreis der Menschen, diesmal der engsten Angehörigen, heraus, tritt aus der Reihe, lässt auch diese hinter sich zurück, geht noch einen Schritt näher auf die Tochter zu, stellt sich an ihre Seite, neben ihr Bett, und nimmt ihre Hand. Scheut nicht davor zurück, dass sie schon kalt und steif sein könnte. Nein, er nimmt sie, gerne, hält sie.
4. Musik: Track 1 Measure of a Man von CD Measure of Love, Interpreten: Misty Edwards & David Brymer, Label: Forerunner Music, 2011 Forerunner Music, LC-Nr. Unbekannt.
Autorin: Jetzt geht es nur noch um sie. Nicht mehr um die anderen, auch nicht mehr um ihre Eltern, nicht mehr um ihren Vater. Jetzt ist sie nicht mehr „die Tochter von“. Jetzt ist sie nur noch „die Tochter“. Um ihrer selbst willen ist Jesus hier. Und dann schlägt er nicht etwa betroffen die Augen nieder und schweigt, klagt oder bereut sein Zuspätkommen. Nein, in diese nun gewordene Stille hinein, erhebt er seine Stimme, hörbar, diese eine seine Stimme, sie an der Hand haltend, spricht er sie an, fordert sie auf, lädt sie ein: „Talitha kumi!“ „Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ Und das Mädchen öffnet die Augen, setzt ihre Füße auf den Boden, steht auf und geht umher, Schritt für Schritt.
5. Musik = 2. Musik
Autorin: Zwölf Jahre alt ist sie. Fast schon eine erwachsene Frau. Und Jesus ruft sie auf ihre Beine, ermutigt sie, Haltung zu zeigen, anzunehmen, wer sie ist, als Frau, als Mensch, ihren Platz im Leben einzunehmen. Und während sie so durch den Raum läuft, breitet sich großes Entsetzen aus. Der Vater, die Mutter, die Angehörigen und Jesu Freunde - alle sind sie entsetzt. Was sie gerade erlebt haben ist größer als das Erbetene. Hier wurde nicht nur eine Kranke geheilt. Hier wurde eine Tote auferweckt.
Nicht zu fassen, zum Wundern eher. Und sie alle? Mittendrin! Teil dieses Wunders, haben sie den Meister doch hierher gerufen und dann hautnah miterlebt, wie die junge Frau an seiner Hand soeben ihre ersten Schritte getan hat. Wunderlich, wunderbar. Da wendet sich der Meister plötzlich an sie,
an Vater, Mutter, Angehörige und an seine drei Freunde. Mitten in ihr Wundern hinein bittet er sie um einen Gefallen: „Erzählt niemandem davon, was hier geschehen ist.“ Lobhudelei und Lärm? Lieber nicht!
Ein leises, lautes Geheimnis soll es bleiben, eins, das für sich spricht, eins, das sich zeigt, wenn die junge Frau es zeigt, wenn sie sich zeigt. Um sie geht es. Um ihr Leben. Das ist nicht zu zerreden. Und doch gibt es etwas, was ihre Nächsten jetzt für sie tun können. Der Meister bittet sie sogar darum: „Gebt ihr etwas zu essen.“
Ihr, dieser jungen Frau, die wieder aufgestanden ist. Die zurück ins Leben gefunden hat, die wieder auf die Beine gekommen ist. Lasst sie gehen, aber schickt sie nicht weg. Und geht ihr nicht weg, lasst sie nicht alleine. Aber macht ihr Platz, und lasst sie ihren Platz finden, in eurer Gemeinschaft, lasst sie Platz nehmen, an eurem Tisch. Stärkt sie. „Gebt ihr etwas zu essen!“
6. Musik: Track 11 The Long Way Home von CD Feels Like Home, Interpretin: Norah Jones, • Komp.: Kathleen Brennan; Tom Waits; Label: Blue Note Records, 2004. LC-Nr. 0133.
Autorin: Jairus erlebt, dass es sich lohnt, für jemanden einzustehen, dass es sich lohnt, nicht nachzulassen darin, weiter zu suchen, ungewöhnlicher zu bitten. Aber auch, dass er jetzt loslassen darf. Er darf sie gehen lassen, seine Tochter. Sein größtes Anliegen, seine tiefste Sorge, sein schönster Stolz.
Er wird immer ihr Vater bleiben. Und sie seine Tochter. Und sie wird ihren Weg gehen, als Gerufene und Berufene, als Mensch, als Frau. Und selbst die dazwischengekommene Frau, die fremde Tochter, das andere Wunder, bekommen ihren Platz, ihre Bedeutung - auch für ihn. Als hätte sie Jairus Wunder vorbereitet, als hätte sie seiner Tochter den Weg gebahnt. als gäbe es kein „zu spät“, für keinen, als passierte alles „zu seiner Zeit“.
„Fürchte dich nicht, glaube nur“, ruft eine Stimme, damals wie heute, und weckt schon jetzt durch alle Passionen hindurch Vorfreude auf Ostern.
Liebe Hörerin, lieber Hörer, ein solches Vertrauen wünscht Ihnen Stephanie Brall
von der evangelischen Kirche.
7. Musik: Track 7 Wake Up Little Sparrow von CD Dreaming Wide Awake, Interpretin: Lizz Wright, Label: Universal Music Classics & Jazz, 2005 The Verve Music Group, a Division of UMG Recordings, Inc., LC-Nr.: 00383.