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Das Geistliche Wort | 22.06.2014 | 08:40 Uhr

DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.

Gottes Gnade – Geschenk oder Belohung?

Ein Todeskandidat fleht beim Gouverneur von Texas um Gnade.

Ein Fußballspieler der Bundesliga fleht um Gnade. Der Verein will ihn aufs Altenteil schieben. Aber er möchte noch ein wenig mitspielen. Er will es ihnen noch einmal zeigen.

Ein krebskranker, dem Tode naher Vater, fleht noch einmal um die Gnade, sein Enkelkind zu sehen.

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

Wenn ich im Internet das Wort „Gnade“ googele, komme ich unwillkürlich auf diese Schlagzeilen. Es sind nicht zuletzt solche Schilderungen, die in unserem Sprachgebrauch das Verständnis des Wortes „Gnade“ ordentlich verhageln.

Mein Name ist Mike Kolb. Ich bin Pfarrer und arbeite als Diözesanjugendseelsorger im Erzbistum Köln.

In den Liturgien der katholischen Gottesdienste und vor allen Dingen in den Lesungen aus der Bibel taucht dieses Wort sehr oft auf – „Gnade“. Aber – wer weiß schon, was es bedeutet?

Musik 1: Johnny Cash: When the Man comes around

Ein Mensch, der um Gnade fleht – unzählige Action- und Westernfilmen haben das schon ins Bild gesetzt: Ein unterlegener, vom Tode bedrohter Mensch, dessen Macht ein anderer in Händen hält, bettelt um Gnade, um Verschonung, um den Rückgewinn des bedrohten Lebens. Er fleht, er weint, er schreit – und es ist unsicher, ob er erhört wird.

Und falls das dann eintrifft: Falls sein Flehen Erfolg hat und er sein Leben behält, dann mag er dies dem, der ihn erhört hat, danken. Aber lieben – lieben wird er ihn nicht.

Ebenso, wie ein Gladiator im alten Rom sicherlich nicht dem Imperator mit Liebe zugeneigt war, wenn dessen Daumen nicht runter ging, sondern hoch. Daumen runter – Daumen rauf: Zu willkürlich ist so ein Moment von Gnade.

Und darum ist an diesem Bild von Gnade schief, wenn es um die Gnade im Glauben geht, wenn von Gottes Gnade gesprochen wird. Denn wenn wir diese Gnadenvorstellung auf den Glauben anwenden: Ist Gott dann jemand, der mit unserem Leben spielt, der es willkürlich in der Hand hat und den wir nur genug anbetteln und anflehen, schreiend bitten müssen, damit er uns vor dem sicheren Tod und Strafe verschont? Ist Gott jemand, den wir noch einmal durch viele Bitten und viele Gebete gnädig stimmen können, so dass uns die schon fest beabsichtigte Strafe doch nicht trifft?

Ja, ist Gott so etwas wie ein willkürlicher Despot, der höhnisch lacht und von seinen Geschöpfen flehendlich angebettelt werden will?

Manchmal meine ich, es hat sich unter Christen hier und da ein solches Missverständnis eingeschlichen. Das Missverständnis, wir müssten Gott gnädig stimmen, ihn möglichst laut und intensiv anflehen, damit er sich uns endlich zuwendet, uns erhört und sich mühevoll umstimmen lässt in seinen Absichten, uns eigentlich die gerechte und verdiente Strafe zuzuwenden.

Ich bin immer wieder erschüttert darüber, dass einige Christen auch heute noch verkünden, Hungerepidemien, Aids und Naturkatastrophen seien Strafen Gottes; eine Art Vergeltung für den Ungehorsam der Menschheit. Und wenn es noch eine Bewahrung vor dem endgültigen Aus gäbe, dann müsste man Gott auf Knien anbeten und betteln, damit er uns verschone.

Noch einmal gefragt: intensives Flehen und Betteln, herzzerreißendes Bitten und Klagen, um Gnade flehen, damit ein willkürlicher Gott uns verschont, am Leben lässt, und uns so belohnt? Macht das den Glauben an einen gnädigen Gott aus?

Ich jedenfalls glaube das nicht. Im Leben, Sterben und in der Auferstehung von Jesus Christus bezeugt die Heilige Schrift einen anderen Gott. Er will nicht angefleht werden. Er will nicht, dass wir ihn aus Not anbetteln und aus Verzweiflung ihn durch die Anzahl unserer Gebete versuchen, „rumzukriegen“. Das hat er nämlich nicht nötig. Denn er kam uns zuvor. Indem Gott in Christus Mensch wird, indem er sich für die Menschen hingibt, ist Gottes Gnade bereits geschehen. Das ist die Glaubensaussage, die der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer verkündet hat. Diese Passage wird heute in katholischen Gottesdiensten verlesen. (Röm 5, 12-15)

Im Römerbrief macht Paulus den Menschen deutlich, dass Gott durch Jesus Christus von sich aus auf die Menschen zugeht und dass uns seine Gnade reichlich zuteil wird. Gnade, biblisch verstanden, ist eine freie, nicht erzwungene und nicht erzwingbare Zuwendung Gottes. Gnade, biblisch verstanden, ist zuerst der entscheidende Schritt Gottes auf die Menschen zu. Gnade, biblisch verstanden, ist nichts anderes als ein „Du“, eine Person.

Musik II: Johnny Cash: Bridge over troubled Water

Vielleicht fällt es vielen Menschen so schwer, den Gedanken eines gnädigen Gottes in ihr Herz zu schließen, weil ihr Bild von Gnade eher aus Westernfilmen als aus dem Neuen Testament stammt. Während im Western und im allgemeinen Sprachgebrauch die Gnade etwas ist, was durch Erflehen und Erbetteln vielleicht und höchst willkürlich geschieht, ist die Gnade Gottes im Zeugnis der Bibel ein Geschenk. Ein Geschenk aus Liebe. Jesus Christus „ist“ die Gnade Gottes an die Welt und an jeden einzelnen Menschen. Denn in ihm leuchtet nicht ein Gott auf, der machtvoll und despotisch mit dem Leben der Menschen spielt, sondern er selbst wurde ein Verachteter und Entrechteter. Und er zeigt das größte, was sich über ihn sagen lässt, am Kreuz. Schon für einen frühen Christen wie Paulus war klar: Hier ist die Gnade Gottes ein- für alle mal sichtbar geworden. Im Kreuz leuchtet nicht ein Gott auf, den man um Gnade flehen muss, sondern der uns bis in den Tod anfleht, dass wir ihm glauben und ihn lieben. Der Evangelist Johannes bringt es an einer Stelle auf den Punkt: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, eben nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“, so heißt es im Johannesevangelium. (Joh 3,18)

Leben, ewiges, richtiges und wahres Leben habe ich nicht, indem ich Gott um Gnade anflehe, sondern indem ich der Gnade Gottes traue, die einen Namen hat: Jesus Christus. Gottes Gnade ist nicht die Belohnung für inständiges Flehen, sondern ein freies Geschenk. Und dieses Geschenk bietet er jedem Menschen an.

Aber was kann dies für einen Christen heißen? Wenn Gott uns sich auf diese Weise schenkt und er das Entscheidende tut – was ist dann unsere Aufgabe? Eine einfache Antwort soll genügen: Beten! Aber nicht Beten als Leistung verstanden, sondern als ein Tun, das Vertrauen ausdrückt.

Die heilige Therese von Lisieux wurde einmal gefragt, was sie eigentlich sage, wenn sie bete. Und sie hat geantwortet: „Ich sage gar nichts. Ich schaue ihn nur an.“ Beten, das zu einer inneren Haltung geworden ist, verlangt nicht mehr dieses oder jenes von Gott, sondern bittet darum, dass die Gnade Gottes, seine Liebe, dass Jesus Christus hineinkomme in das eigene Denken und Reden, das eigene Handeln und Tun und dass dieses Hineinkommen Jesu in das eigene Leben trägt, verwandelt und erfüllt.

Musik III

Gottes Gnade ist sein großes Geschenk an uns. Ich wünsche ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, dass Sie sich diesem Geschenk vertrauensvoll öffnen können. Er meint es gut mit uns. Er macht unser Leben nicht enger und dunkler. Gott trägt uns jeden Tag neu. Einen guten Sonntag wünscht Ihnen Pfarrer Mike Kolb aus Köln.

(Copyright Vorschaubild: bebal CCBY 2.0 flickr)

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