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Kirche in WDR 5 | 10.07.2014 | 06:55 Uhr
Zuwendung strahlt aus (Matth 18,15-20)
Guten Morgen, liebe Hörerin, guten Morgen, lieber Hörer.
Es gibt Leute, die können sich immer wieder darüber unterhalten, was eher da war: das Huhn oder das Ei. Ich denke an das ältere Ehepaar, mit dem ich vor einiger Zeit goldene Hochzeit feiern durfte. Die beiden konnten sich noch nie darüber einigen, wer den ersten Schritt gemacht hat. War sie es nicht, die ihre Freundin bei einer Tanzveranstaltung auf den Zukünftigen aufmerksam gemacht hat und dann recht mutig auf ihn zugegangen sein soll – oder war er es?! Er hat ihr doch zunächst ein Getränk ausgegeben - oder...?! Über diesen fröhlichen Streit sind nun 50 gemeinsame Jahre hinweg gegangen und die beiden machen den Eindruck, als könnten sie noch ewig so fröhlich und entspannt weiterstreiten – ob nun das Huhn oder das Ei zuerst da war – bildlich geprochen.
In geistlicher Hinsicht allerdings ist die Frage entschieden, die Frage, wer den ersten Schritt gemacht hat: Ob wir Menschen es sind, die einen Schritt auf Gott zu machen müssen; oder ist es Gott, der sich als erster auf uns eingelassen hat? Ganz eindeutig: Es ist Gott, der den ersten und auch noch den zweiten und noch viele weitere Schritte auf uns zu gemacht hat und machen wird. So erzählt es die Bibel auf jeder Seite.
Einmal zum Beispiel spricht Jesus mit seinen Jüngern über die Frage: „Wie verhalte ich mich gegenüber einem Mitmenschen, der an mir schuldig geworden ist?“ Jesus entwickelt so etwas wie einen Stufenplan: „Versuche es zunächst allein. Geh hin und sprich dich mit ihm oder ihr aus. Wenn das gelingt, dann hast du einen Menschen gewonnen. Wenn nicht, nimm einen oder zwei Vertraute mit. Beratet euch, wie ihr mit den vorhandenen Schwierigkeiten umgehen könnt. Wenn ihr das auch zu zweit oder dritt nicht schafft, dann sucht nach weiteren Verbündeten, mit denen ihr diesen Knoten lösen könnt. Denn offensichtlich schnürt er dein Leben regelrecht ein und er muss gelöst werden. Darum versuche es, immer wieder. Wenn das alles nichts nützt, dann lasst den Menschen in Ruhe, der dir das Leben so schwer macht. Was ihr dann gemeinsam entschieden habt, das soll auch vor Gott Bestand haben.“
Soweit der Stufenplan. Aber dann fährt Jesus fort: „Das versichere ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde gemeinsam um irgend etwas bitten, wird es ihnen von meinem Vater im Himmel gegeben werden. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen, da bin ich selbst in ihrer Mitte.“
Das ist für mich der entscheidende Punkt: Jesus verspricht: „Ich bin bei euch, wenn ihr euch in meinem Namen zusammenfindet. Ich sehe eure Konflikte und eure Lösungsvorschläge.“ Gute Lösungsvorschläge im Geist Jesu sehen so aus: Da wirkt ein Geist, der verstehen will und deswegen nach Lösungen sucht und zu Lösungen kommt. Manchmal aber sind dies Lösungen im wörtlichen Sinn; dass man sich von einander lösen muss und nicht zusammen bleiben kann. Und auch diese Lösung wäre im Sinn Jesu, eine Lösung. Vorausgesetzt, die Trennung findet im zuvorkommenden Geist statt, in einer Atmosphäre, die von Freundlichkeit und Respekt bestimmt ist – trotz aller Verletzungen und aller Trauer.
Sie finden, das ist ein bisschen viel verlangt, liebe Hörerin, lieber Hörer? Jesus ist ein bisschen weltfremd? Das kann ich so nicht bestätigen. Er hat sich selbst auf den Weg gemacht, um das Leben der Menschen zu teilen. Er selbst ist wirklich „zuvorkommend“ gewesen. Und so werden die Menschen, die sich auf ihn berufen aufgefordert, ebenfalls zuvorkommend zu sein und so dabei mit zu helfen, den einen oder anderen Knoten zu lösen.
Ich wünsche Ihnen, liebe Hörerin und lieber Hörer, dass Sie immer wieder auf solche zuvorkommenden Menschen treffen.
Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke.