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Kirche in WDR 5 | 08.07.2014 | 06:55 Uhr
Einspruch (2. Mose 32, 30-33,1)
Guten Morgen,liebe Hörerin, guten Morgen, lieber Hörer!
Wenn vor Gericht der Anwalt laut und deutlich ruft: „Einspruch; Einspruch, euer Ehren!“ dann sind wir wahrscheinlich in einem amerikanischen Film und nicht in einem deutschen Gerichtssaal. Wo immer wir auch sind: Der Einspruch dient dazu, dass der Richter am Ende sein Urteil zugunsten der Partei fällt, die den Einspruch vorgebracht hat. Die Fakten werden sich nicht durch den Einspruch ändern, aber vielleicht die Einschätzung des Richters – wie er die Sachlage am Ende beurteilen wird.
Den obersten Richter aller Zeiten versuchte Mose einmal mit seinem Einspruch zu überzeugen. Von diesem Prozess kann man in der Bibel lesen. Da verhandelt Mose mit Gott über das Schicksal des Volkes Israel. Angeklagt ist das Volk, weil es sich schwer an Gott vergangen hat: gerade erst von Gott aus der Sklaverei in Ägypten befreit, schon legen sich die Israeliten in einem unbeobachteten Moment eine neue Gottheit zu; ein goldenes Götterbild. Von dem Gott, der sie aus Ägypten geholt hat, haben sie sich damit weit entfernt – und nun? Nun hat Gott keine Lust mehr, sich um diese halsstarrigen, unbelehrbaren Menschen zu kümmern. Er möchte sie einfach ihrem Schicksal in der Wüste überlassen – aber da ruft Mose: „Einspruch – Einspruch euer Ehren“.
Wörtlich: »Ach Herr, das Volk hat sich schwer gegen dich vergangen! Einen Gott aus Gold haben sie gemacht. Vergib doch ihre Schuld! Wenn nicht, dann streiche meinen Namen aus dem Buch, in dem die Namen der Deinen eingetragen sind.« (2. Mose 32, 31f)
Was für ein Einspruch – es ist ein Gebet. Die Fakten werden darin nicht geleugnet – die Leute haben sich wirklich vergangen. Aber – die Menschen werden in Ruhe gelassen. Mose rechnet nicht damit, dass seine Leute sich ändern. Er kennt sie. Aber Gott, der könnte es sich doch vielleicht noch einmal überlegen. Gott möge von seinem Vorhaben abrücken, dieses unbelehrbare Volk sich selbst zu überlassen. Gott möge sich an sein Versprechen erinnern, dies Volk ins Land der Freiheit zu führen. Gott möge ihnen vergeben! Wenn nicht – dann will Mose auch nicht mehr. Dann will er auch nicht mehr leben – dann soll Gott ihn bitte auch mit vertilgen, seinen Namen auslöschen.
Mose spielt nicht, wer sich so einsetzt, der hat keine Lust auf Spielereien. Der meint es ernst. Und Gott lässt sich von diesem Mann bewegen. Gott rückt von seinem Vorhaben ab, die Leute in der Wüste sich selbst zu überlassen. Er bleibt bei seinem ursprünglichen Plan: dieses Volk, diese Frauen, Männer und Kinder gehören in das Land der Freiheit – auch wenn sie dieses große Angebot Gottes oft verspielt haben und auch noch oft verspielen werden. Das Gebet des Mose bewegt Gott. Gott ist so frei, sich noch einmal anders zu entscheiden, sich von Mose, seinem Freund überreden zu lassen. So ist das Gebet des Mose ein Hinweis darauf, welche Kraft das Gebet haben kann. Ein Gebet kann Gott bewegen.
Was braucht es dafür: Einen Menschen mit Kontakt zu Gott und mit Realismus. Realismus: Der Betende weiß um die Grenzen. Weiß was Menschen möglich ist – und was nicht - und gibt trotzdem nicht auf. Bittet Gott, zu heilen, zu helfen, es im wahrsten Sinne des Wortes zu „richten“. Es ist eine Wohltat im Umfeld von Menschen zu leben, die so glauben und beten können. Dass auch sie, liebe Hörerin, lieber Hörer einen solchen Menschen in ihrer Nähe haben oder für andere selbst so jemand sind - das wünscht Ihnen Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke.