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Kirche in WDR 5 | 15.10.2014 | 06:55 Uhr

Ein Moment Ewigkeit

Ein Zentimeter groß, biegsamer, schlanker Leib, braun, rot oder grün, so sieht die Unsterblichkeit aus: die Hydra - ein kleiner Süßwasserpolyp mit zarten Tentakeln. Alle fünf Tage erneuern sich ihre Zellen praktisch vollständig, deshalb kennt das winzige Wasserwesen keine Anzeichen von Vergreisung. Es altert nicht. Es stirbt nur, wenn es gefressen wird.

Die Hydra hat dem Menschen voraus, wonach er sich so sehnt: Unvergänglichkeit des Leibes, unbegrenzte Regeneration. Der medizinische und soziale Fortschritt hat den Menschen hierzulande ein kleines Stückchen Hydra-Existenz verliehen. Keine Unsterblichkeit, aber in den vergangenen hundert Jahren immerhin zwanzig Jahre mehr Lebenszeit. Die biblische Vision ist beinahe Wirklichkeit geworden: „Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht.“ (Jesaja 65,20) Verglichen mit Hydra ist das bescheiden. Die Bibel verspricht dem Menschen nicht Unsterblichkeit. Sie akzeptiert, dass er altert und stirbt, aber sie akzeptiert nicht, dass Menschen, ihres Lebens beraubt, vor der Zeit sterben.

Gut, dass sie vorbei sind, die Zeiten, in denen massenhaft Kinder in ihren ersten Lebenstagen starben. Vorbei die Zeiten, in denen Menschen in ihren besten Jahren läppischen Krankheiten zum Opfer fielen. Vorbei die Zeiten, in denen die Sechzigjährigen aussahen wie Greise. Vorbei die Zeiten, in denen sie, ausgemergelt von ihrer Arbeit, ihren Ruhestand nicht erlebten. Das ist etwas Großartiges, und wir müssen aufpassen, dass sich das Rad nicht zurück dreht, denn gegenwärtig nimmt die Lebenserwartung der Armen im Lande ab. Das ist nicht entschuldbar, denn ihr früher Tod ist heute nicht Schicksal. Er ist eine Schande. Denn er kann durch vernünftige Sozialpolitik politisch verhindert werden.

Unser gemeinsames Schicksal aber ist weiterhin, dass wir altern. Und mit der Lebenserwartung ist die Angst vorm Alter gewachsen, vor der Erstarrung des Lebens in der Demenz, vor dem Frost, der in den Wörtern Pflegestation, Alzheimer, Magensonde klirrt. „Wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht“? Nein, genau umgekehrt, würden viele behaupten: Verflucht, wer die Hundert erreichen muss. Manche bekennen, sie würden gern Schluss machen, wenn sie dement werden.

In den letzten Jahren wurde das Tabu „Demenz“ nach und nach geknackt, das ist ein Segen. Es gibt Tabletten, die den Fortgang der Demenz verzögern. Es gibt Beratung und Fachstellen, Patientenverfügungen. Die Frage ist aber nicht, ob wir für die drei Millionen Menschen mit Demenz im Jahr 2050 genug Gerontopsychiater, Neuroleptika und Heimplätze haben. Allein die Worte lösen unmittelbar Bedrohungsgefühle aus. Genauso wichtig wie die Hilfe von Experten ist, dass wir die Demenz nicht allein in die Hände von Experten abgeben. Die Frage ist, wie jeder von uns Experte, ein Erprobter, wird. Wir müssten gefühlserprobter werden, sensibler für die Sprache des Körpers, denn Demenz heißt: der Verstand geht, die Worte gehen, die Gefühle aber bleiben. Wir müssten nachbarschaftserprobter werden, denn nachbarschaftliche Aufmerksamkeit und Unterstützung geben mehr Sicherheit und Halt als Psychopharmaka. Wir müssten erproben, wie wir unsere Stadtviertel, unsere Geschäfte, unsere Straßen bauen oder umbauen, damit alte Menschen sich darin bewegen und orientieren können.

Zu dem allem müssten wir unser Bild vom selbstbestimmten, eigenverantwortlichen, leistungsorientierten Menschen gründlich auf die Probe stellen, in dem Hilfebedürftigkeit und Abhängigkeit nicht vorgesehen sind. Dieses Bild ist ein Fluch, eine Selbstverfluchung. Es ist nicht zukunftsfähig. Es gehört abgeschafft.

Wie das gehen kann? Dafür beten und arbeiten. Ihre Pfarrerin Silke Niemeyer.

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