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Kirche in WDR 5 | 19.02.2015 | 06:55 Uhr
Fasten - wozu und wie lange (Sacharja 7, 2-13)
Autor: Guten Morgen, heute, am ersten Tag nach Aschermittwoch, stellt sich mir eine Frage: Wie lange soll das Fasten, das gestern angefangen hat, dauern und wozu mache ich das eigentlich? Im Prinzip gibt es auf diese Frage eine einfache Antwort: Die Fastenzeit dauert bis Ostersonntag, also knapp sieben Wochen. Und wofür?
Diese Frage wurde schon vor langer Zeit gestellt – schon im ersten Testament der Bibel. Es ist die Zeit, als das Volk Israel die Gefangenschaft in Babylon hinter sich hat; wichtige Teile des Volkes waren nach einem schrecklichen Krieg dorthin verschleppt worden. 70 Jahre hat die Gefangenschaft gedauert und während dieser Zeit haben die Israeliten zweimal im Jahr gefastet. Sie wollten damit ihr Verhältnis zu Gott in Ordnung bringen. Denn das war einhellige Meinung: Die Katastrophe mit der babylonischen Gefangenschaft, die hatten sie sich selbst zu zuschreiben. Die Israeliten waren überzeugt: Sie selbst waren Schuld an dem zerrütteten Verhältnis zu Gott. Denn sie hatten sich auch mit anderen Gottheiten beschäftigt. Darum hatte ihr Gott sie verlassen, sie waren schutzlos den mächtigeren Heeren ihrer Feinde ausgeliefert; darum mussten sie in Gefangenschaft gehen. Aber die war nun vorbei. Mussten sie jetzt immer noch fasten? Beim Propheten Sacharja findet sich eine interessante Antwort auf diese Frage:
Sprecherin: Da erging an Sacharja das Wort des HERRN, (…) er sagte zu ihm: „Richte dem Volk (…) aus: 'Siebzig Jahre lang haltet ihr nun schon die Fasten- und Trauertage im 5. und 7. Monat. Meint ihr, ihr hättet da für mich gefastet? Wenn ihr esst und trinkt, tut ihr es doch auch für euch selbst!`“
Und der HERR erinnerte Sacharja daran, wie er den Vorfahren durch seine Propheten verkünden ließ: „So spricht der HERR, der Herrscher der Welt: 'Richtet gerecht und erweist einander Liebe und Erbarmen, unterdrückt nicht Witwen und Waisen, Fremde und Arme, und heckt nicht immer neue Pläne aus, um einander zu schaden! Ihr seid doch alle Brüder und Schwestern!`“ (Auszug aus Sacharja 7,2-13 )
Autor: Eine sehr ernüchternde und ehrliche Bilanz. Den Leuten geht es bei allen ihren religiösen Übungen nur um sich selbst. Das gilt oft auch für das Fasten. Das ist dann auch nur eine Art Selbsterleichterung. Ich hab ja was getan, um meine Schuld wieder gut zu machen oder mein ungesundes Verhalten zu sühnen. Gott aber geht es um etwas ganz anderes. Seine Erwartung ist klar: Die Menschen sollen mit denen gut und gerecht umgehen, denen es nicht so gut geht wie ihnen selbst. Fasten – das ist dann sinnvoll, wenn andere etwas davon haben. Wenn es nur der religiösen Selbsterbauung dient, dann sollte man es besser bleiben lassen. Denn dann tut man nur so, als ob es einem um Gott geht – in Wirklichkeit dreht man sich nur um sich selbst – und das ist unwürdig – für alle Beteiligten.
Nun weiß ich nicht, ob Sie, liebe Hörerin, lieber Hörer, sich an den Fastenaktionen unserer Kirchen beteiligen. Wenn Sie die ganze Sache eher auf Abstand halten, dann dürfen Sie wissen, dass die Bibel selbst ausgesprochen kritisch mit einem Religionsbetrieb umgeht, der sich nur selbst bespiegelt. Wenn Sie sich aber daran beteiligen, dann sind Sie gefragt: Wem nützt mein Fasten, mein Verzicht am Ende wirklich?
Wenn Ihnen dabei aufgeht, wie eine vorher noch nicht da gewesene Erkenntnis, dass wir alle Brüder und Schwestern sind – keine Formel, sondern als eine echte Überraschung – dann hat sich das Fasten für alle gelohnt – das meint Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke.