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Kirche in WDR 5 | 25.02.2015 | 06:55 Uhr

Das Herz hat seine Gründe

Sie ist jung, vielseitig begabt, interessiert und lebensfroh. Sie kennt sich in der Welt aus und noch viel mehr in Naturwissenschaften. Mit ein bisschen Ehrgeiz wird sie auch einen Doktortitel haben; ihr dürften Tür und Tor offen stehen.

Doch es könnte sein, dass ich meine Freundin bald im Kloster besuchen darf. Sie scheint jedenfalls auf dem besten Weg dorthin zu sein. Ja, sie will Ordensfrau werden. Und dieser Entschluss stößt in ihrem Umfeld nicht nur auf Bewunderung – das kann ich Ihnen sagen.

Manch einer muss da schlucken. Andere finden es gar unvernünftig: Was sie sich da nicht alles verschließt: einen erfolgreichen Job und gar die Familie! Es gibt sogar Menschen, die sich ernsthaft Sorgen um sie machen. Völliges Unverständnis also.

Als ich hörte, dass meine Freundin ins Kloster gehen möchte, dachte ich bei mir: „Für dich wäre das ja nix“. Aber: Wenn ich´s dann mal genauer betrachte, dann kann ich mir das bei ihr irgendwie auch erklären – ohne es gänzlich zu verstehen. Muss ich ja auch nicht ganz verstehen – dachte ich im zweiten Moment: „Le cœur a ses raisons que la raison ne connaît point. – Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.“ Zugegeben: Damit kann man ungefähr alles legitimieren, was irgendwie unvernünftig oder unverständlich erscheint. Aber wer so widerspricht, der sieht Herz und Verstand im Widerstreit. Ich sehe das anders.

Wenn ich z.B. an Ordensmänner und –frauen denke, die mir schon begegnet sind, dann kommen mir bisweilen ihr geballter Sachverstand und ihre enorme Lebensweisheit entgegen. Es sind also keinesfalls minder zurechnungsfähige Menschen, die das Ordensleben suchen. Und sie werden die rationalen Gründe wohl gekannt haben, die möglicherweise dagegen sprachen. Aber: Ins Kloster zu gehen, war sicherlich bei den meisten vor allem eine Herzensentscheidung. „Le cœur a ses raisons que la raison ne connaît point.“ Gesagt hat das übrigens der französische Religionsphilosoph Blaise Pascal, und der war ja immerhin auch Mathematiker.

Das bestärkt mich darin, dass es zum Verständnis noch mehr braucht, als den reinen Verstand: Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt. Es gibt Antworten auf Fragen in meinem Leben, zu denen ich mit Verstand allein keinen Zugang erhalte. Es gibt sie: Gründe, die der Verstand nicht kennt. Doch dadurch sind sie nicht gleich weniger wahr, im Gegenteil. Die Gründe, die das Herz hat, führen mich bisweilen mehr zu mir und näher an die Menschen heran, die ich tagtäglich treffe, mit denen ich arbeite; näher zu den Menschen, die mir anvertraut sind. Das Herz nennt mir manchmal Gründe für Entscheidungen, die rein äußerlich nicht nachvollziehbar sind.

Doch es geht hier nicht zuerst um irgendein Bauchgefühl. Denn auch ein waches Herz wägt ab. In biblischer Zeit galt das Herz als Sitz für besonderen Rat – jenes höchst individualisierten Wissens, das nicht immer nach außen hin erklärbar ist, aber dennoch wahr und wichtig ist. So schreibt der Weisheitslehrer Jesus Sirach:

„Bleibe bei dem, was dir dein Herz rät; denn du wirst keinen treueren Ratgeber finden. Denn mit seinem Herzen kann ein Mensch oft mehr erkennen, als sieben Wächter, die oben auf der Warte sitzen“ (Sir 37,17f)

Nun, meine Freundin wird wohl früher oder später eine Entscheidung treffen, die ihren Lebensweg eben entscheidend bestimmt. Wohin auch immer es für sie geht; ich kann annehmen, dass gerade ihr Herz für den einen oder anderen Weg seinen Grund hat; (auch wenn das für andere letztlich unverständlich bleibt.)

„Le cœur a ses raisons.“ – Das Herz hat seine Gründe. Auch heute will ich Menschen, die mir begegnen, verstehen; auch heute steht vielleicht die eine oder andere Entscheidung an, für die es gute Gründe braucht; ich will sie auch im Herzen abwägen – vor allem die Gründe, die der Verstand nicht kennt.

Einen guten Tag wünscht Ihnen Graciela Sonntag aus Münster.

Bildrechte: Celine Nadeau (flickr) CC BY-SA 2.0

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