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Kirche in WDR 5 | 27.04.2015 | 06:55 Uhr

Der Schicksalshobel

Guten Morgen! „Das Schicksal setzt den Hobel an, und hobelt alle gleich.“

Das glaubt man gern, wenn Marlene Dietrichs sinnliche Stimme sich damit ins Ohr schmeichelt. Trotzdem ist es eine Lüge. Das Schicksal ist kein redlicher Schreiner, der die ungehobelten Unterschiede glättet. Das Schicksal ist eher ein launischer Künstler. Es setzt das Messer an und schnitzt sehr unterschiedliche Leben. Wenn es einen guten Tag hat, kommt eine wunderbare Form dabei raus. Aber wehe, das Schicksal hat einen schlechten Tag. Dann unterlaufen ihm Schnitzer, die ein Leben verunstalten. Manche Lebensläufe kommen einem so vor, als hätte das Schicksal gleich zu Beginn die Lust verloren, etwas Gescheites daraus zu machen.

Es gibt nichts Ungerechteres als das Schicksal. Maximilian ist ein Wunschkind, sein Zimmer ist fertig ausgestattet, schon zwei Monate, bevor er zur Welt kommt. Als er dann da ist, hegen und pflegen seine Eltern ihn. Kaum schreit er, nehmen sie ihn in die Arme und schaukeln ihn. Celina ist im Drogenrausch gezeugt. Vater unbekannt. Ihre Mutter hat die Schwangerschaft erst kurz vor der Geburt bemerkt – sagt sie. Die Kleine liegt oft stundenlang im eigenen Dreck und schreit vor Hunger. Wenn dem Freund ihrer Mutter die Geduld ausgeht, schüttelt er sie.

Schicksal, sagen manche. Man kann sich die Eltern eben nicht aussuchen und das Leben ist kein Wunschkonzert.

Manche meinen sogar, das Schicksal sei von Gott geschickt. Ich glaube das nicht. Das stimmt eben so wenig wie der Satz, dass das Schicksal ein gerechter Gleichmacher ist. Das Schicksal ist nicht gottgewollt. Gott ist nach christlichem Glauben ein Schicksalswender. Er wendet die Geschicke. Christlicher Glaube ist darum nicht Schicksalsergebenheit, sondern Aufstand gegen das Schicksal. In biblischen Worten: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt.“ (Matthäus 11,5) Wer das glaubt, wird sich nicht damit abfinden können, dass es Celina so grausam getroffen hat und wird helfen. Engagiert sich zum Beispiel in der Familienhilfe unseres Diakonischen Werkes. Die hier mitarbeiten, finden sich damit nicht ab. Sie leisten Schicksalskorrektur, oft unter schwierigsten Umständen. Ihr Engagement ist groß, aber die Mittel dafür sind oft viel zu knapp.

Das Bundesverfassungsgericht hatte kürzlich über einen komplizierten Sorgerechtsfall zu entscheiden. Für das Urteil gab es gewiss gute Argumente. Die Richter formulierten darin aber auch eine Art Glaubensbekenntnis über das Leben überhaupt: „Die Eltern und deren sozio-ökonomische Verhältnisse gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes.“ – Der Kommentator der FAZ jubelte darüber: „Ein Satz der Bodenständigkeit, Gelassenheit und Vernunft.“ Denn: „Eltern sind Schicksal und Lebensrisiko ihrer Kinder - und sollen es bleiben. Das ist (...) ein höchstrichterliches Plädoyer für Tiefenentspannung. Man kann dafür nur dankbar sein.“ (1)

Wie entspannt und mitleidlos Kinder ihrem Unheil überlassen werden!

Prügel, Verwahrlosung, Schmutz, Armut? Pech gehabt, das ist eben das allgemeine Risiko, wenn Du geboren werden willst. Immer mehr verarmte und vernachlässigte Kinder? Schicksal! Kein Grund zur Aufregung.

Das gesellschaftliche Gewissen darf sich tiefenentspannen. Das Schicksal setzt den Hobel an und kratzt den Juckreiz weg, den die ungerechte Ungleichheit der Lebenslagen noch macht.

Gewiss, kein Kind hat makellose Eltern, und es gibt kein Recht auf die perfekte Mutter, den idealen Vater und ein reiches Elternhaus. Aber es gibt ein Recht auf Hilfe, dem Schicksal der Gewalt und der Armut zu entkommen. Das ist nicht nur christliche Glaubensüberzeugung, das ist Menschenrecht.

Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören. Ihre Pfarrerin Silke Niemeyer aus Recklinghausen.

1. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/jugendamt-und-sorgerecht-das-bvg-revidiert-entscheidungen-zum-sorgerecht-13298827-p3.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3)

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