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Kirche in WDR 5 | 01.06.2015 | 06:55 Uhr
„Mit dem Jesus von Nazareth“
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,
vor einigen Wochen war ich auf einer Tagung in Berlin. Die Zeit reichte leider nicht dazu, etwas mehr von der Hauptstadt zu sehen. Aber einen Ort habe ich doch besucht, der mich nachhaltig beeindruckt hat. Ganz nahe bei der Katholischen Akademie liegt der Dorotheenstädter Friedhof. Neben vielen anderen Prominenten ist dort auch Johannes Rau begraben. Mir geht es jetzt nicht um seine politische oder staatsmännische Bedeutung als NRW-Ministerpräsident oder als Bundespräsident. Und auch seiner Familie ging es wohl nicht darum, als sie eine Grabinschrift für ihn ausgesucht hatte. Nachhaltig beeindruckt hat mich nämlich, was auf seinem Grab steht. Unten am Grabstein findet sich ein Satz, den ich bis dahin noch nirgendwo auf einem Friedhof gelesen hatte. „Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth". Man muss vor Ort vielleicht zweimal hinschauen und im Radio zweimal hinhören, um es zu verstehen: „Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth“. Das soll wohl heißen: Der Mensch, der hier begraben liegt, war einer, dem Jesus von Nazareth etwas in seinem Leben bedeutet hat. In der Sprache des christlichen Glaubens ausgedrückt: Dieser Mensch war ein Jünger von Jesus. Ich habe seitdem häufig von diesem Spruch am Grab von Johannes Rau erzählt. Denn ich finde, er ist ein wirklich großartiger Impuls für Sie und mich, für das eigene Leben. Der Spruch hat es in sich, wenn ich ihn nicht nur als Aussage über diesen einen Menschen Johannes Rau verstehe, sondern als eine mögliche Aussage über mich. Oder noch mehr als eine Frage an mich: Bin ich auch mit dem Jesus von Nazareth? Und so würde ich jetzt Sie am liebsten persönlich fragen, liebe Hörerinnen und Hörer: Sind Sie mit dem Jesus von Nazarethh? Eine weitere Frage könnte sein: Was bräuchte es an Entscheidungen, um mit dem Jesus von Nazareth zu sein?
Bin ich auch mit dem Jesus von Nazareth? Jetzt muss noch etwas weiter nachgedacht werden. Woran kann man merken, dass ein Mensch mit dem Jesus von Nazareth ist? Ich meine, das hängt wohl in erster Linie an einer persönlichen Entscheidung, dass Jesus in meinem Leben eine Bedeutung haben soll. Ein Mensch, der mit Jesus von Nazareth ist, braucht irgendeinen Punkt, der ihn an Jesus anspricht und anrührt. So wie es damals war bei den ersten Menschen, die Jesus folgten: die Fischer am See Genesareth, Petrus, sein Bruder Andreas und weitere Bekannte aus Kafarnaum, sie waren ja die ersten, die mit Jesus von Nazareth waren. Gerade von Petrus wissen wir durch die Evangelien, wie sehr dieser Weg an der Seite Jesu Höhen und Tiefen kannte und Leidenschaft und Versagen. Mit Jesus zu sein, ist also mehr als eine anfängliche Begeisterung. Ein Strohfeuer reicht dafür nicht aus. Es muss ein Punkt sein, auf den ich letztlich mein Leben bauen kann. Diesen Punkt gibt es bei Jesus. Im Neuen Testament gibt es dafür ganz verschiedene Ausdrücke. Einer, der mich besonders anspricht, ist das Wort, das Petrus einmal zu Jesus sagte: „Herr, du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68) Das heißt: Jesus, was du mir geben kannst, geht weit über das hinaus, was mir sonst irgendjemand oder irgendetwas in dieser Welt geben kann. Was das genau ist, das wird bei uns allen sehr verschieden sein. Ich zum Beispiel glaube, dass Jesus mir einen Lebenssinn anbietet, der in Höhen und Tiefen trägt. Für mich ist dieser Punkt Ausgang für ein Lebensprojekt, für mein Lebensprojekt: Jünger Jesu sein.
„Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth“. Als ich am Grab von Johannes Rau stand und diese Worte las, dachte ich spontan: Ich wäre sehr zufrieden, wenn man das später auch einmal über mich sagen könnte. Eine Kurzformel für mein Leben. Vielleicht können Sie mit diesem Gedanken ja auch etwas anfangen, liebe Hörerinnen und Hörer. Überlegen Sie doch mal, ob Sie auch ein Mensch mit dem Jesus von Nazareth sind oder sein wollen. Aus Paderborn grüßt Sie Domvikar Michael Bredeck.