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Radiogottesdienst | 31.10.2015 | 19:05 Uhr

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Mach dir ein eigenes Bild. Evangelische Sendung zum Reformationstag

Sprecher 1: „Der Menschengeist hat keinen Halt, wenn er sich in der Unbegrenztheit gestaltloser Gedanken bewegt: Er muss sie zu bestimmten Bildern verdichten.“ (1)

Autorin: So der Humanist und Philosoph Michel de Montaigne.

Sprecher 2: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“ (2)

Autorin: Beides ist richtig. Am Abend des Reformationstages möchte ich mit Ihnen gern darüber nachdenken, wie der christliche Glaube und die Welt der Bilder zusammenhängen.

Einerseits lehrt mich die Bibel: Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott – im Heidelberger Katechismus der reformierten Kirche ist das das 2. Gebot. Andererseits gibt es in der Bibel selbst unzählige Bilder von Gott: Er wird beschrieben als König, Richter, Töpfer, Adler oder Henne, die die Menschen mit ihren Flügeln beschützen, als guter Hirte, Mutter, Arzt, Wächter, Sonne, Quelle, Burg und und und. Wenn ich mitteilen will, wie ich Gott erlebe, dann muss ich ihn ja beschreiben. Er ist wie… Sie ist wie... Es ist immer nur ein Zipfel, den ich zu fassen kriege. Nie der ganze Gott. Erst wenn Gott auf ein Bild festgelegt wird, dann wird es gefährlich. Dann beginnt der Götzendienst. Dazu sagte der Reformator Ulrich Zwingli Anfang des 16. Jahrhunderts:

Sprecher 3: "So nehmen aber die Bilder und sichtbaren Dinge bei uns mehr und mehr zu und werden größer und größer, bis dass man sie zuletzt für heilig hält und bei ihnen anhebt, das zu suchen, was man allein bei dem wahren Gott suchen soll." (3)

Autorin: So kam es in der Reformation auf der einen Seite zur schroffen Ablehnung der Bilder. Bis hin zu den gewalttätigen Bilderstürmen Anfang bis Mitte des 16. Jahrhunderts, ausgelöst durch Reformatoren wie Ulrich Zwingli und Johannes Calvin und der zum Protestantismus übergetretenen Obrigkeit. Skulpturen, Kirchenfenster, Bilder – alle figürlichen Darstellungen Christi und der Heiligen wurden in Europa gewaltsam aus den Innenräumen der Kirchen entfernt. Martin Luther hatte dazu eine andere Haltung. Er war vor allem gegen die Stiftungen von Kunstwerken. Gegen die Vorstellung, dass man sich durch gute Werke, insbesondere fromme Kunst- oder Bilder-Stiftungen das Seelenheil erkaufen könnte. (4) Gott erwarte weder Fasten, Wallfahrten noch reich ausgeschmückte Kirchen, sondern einzig den Glauben an Christus. (5) Und so beendete Luther den Bildersturm in Wittenberg 1522 durch seine so genannten Invokavitpredigten:

Sprecher 4: "Die Bilder sind weder das eine noch das andere, sie sind weder gut noch böse, man kann sie haben oder nicht haben." (6)

Autorin: Einige Jahre später (1525) schrieb Martin Luther, Bilder seien:

Sprecher 5: „zum ansehen, zum zeugnis, zum gedechtnis, zum zeychen“ erlaubt. (7)

Autorin: Denn die Gemeinde lernte ja durch Bilder. Lesen und schreiben konnten die wenigsten Die Bilder in den Kirchen waren die "Bibel der einfachen Leute". In der Lutherbibel aus dem Jahr 1534 sind viele Bilder enthalten, die ohne Worte ganze Geschichten in einem Bild erzählen. (8)

Musik 1

Autorin: Bild und Bibel – unter dieser Überschrift gab es zwischen dem Reformationstag 2014 und heute zahlreiche Aktionen der Evangelischen Kirchen. Veranstaltungen und Ausstellungen mit Gemälden, Skulpturen, Performances. Kinoabende mit Diskussionen zu Kinofilmen mit religiösen Inhalten – vom Jesusfilm bis zum Psychodrama. Vorträge zum Thema Neue Medien und die Auswirkungen auf die Gesellschaft, Umgang mit neuen Medien im Kinderzimmer und so weiter und so fort. Denn:

O-Ton 1 Huizing: Also, die Theologie ist die erste Medienwissenschaft gewesen. Warum? Ganz einfach. Es geht um die Kommunikation zwischen Gott und Mensch, Unendlichkeit und Endlichkeit. (…) Und da hat es unterschiedliche Medien gegeben in der Geschichte, Bilder, Texte und Filme. Und jetzt eben auch das Netz.

Autorin: sagt der Professor der evangelischen Theologie Dr. Dr. Klaas Huizing. (9) Neue Medien und Religion - das sehen viele aber kritisch, wende ich ein. Immerhin gibt es Missbrauch der und durch die neuen Medien. Shitstorms im Internet, gefakete Bilder. Pornografie und sexuellen Missbrauch. Mobbing. Und sind nicht die Medien selbst längst Götzen geworden? Kein Blick mehr zum Himmel zum Unfassbaren, kein Horchen in die Quelle des Lebens in mir, sondern ein zum Smartphone geneigter Nacken, Augen fest aufs Display geheftet und Dauerbeschallung aus allen verfügbaren Abspielquellen wo auch immer…

O-Ton 2 Huizing: Zunächst einmal sind die Medien nicht daraufhin zu befragen, ob sie Konkurrenzangebote für den Glauben sind, sondern das betrifft im Grunde genommen alle Symbolsysteme: die Wirtschaft, die Technik und eben auch die Medien. Sie sind positiv und negativ einzusetzen. Sie können von der Ökonomie diktiert werden, dann müssen Regeln geschaffen werden.

Autorin: So Professor Huizing. Durch eine scheinbar unendliche Zahl von Angeboten werden immer neue Sehnsüchte und Wünsche generiert.

O-Ton 3 Huizing: Das Problem ist freilich, dass die Wünsche immer aus den vergangenen Kaufentscheidungen hochgerechnet werden. (…) Das heißt, es werden uns Wünsche angepriesen, die immer das bestätigen, was wir schon gemacht haben. Und damit ist die Kreativität, auch die Lust, etwas Neues zu entdecken, wirklich dahin.

Autorin: Das ist ein Nachteil des Internets. Auf der anderen Seite große Freiheit: Ich kann mich selbst ausstellen – mit Selfies, Texten, Fotos, die ich mache oder eigener Musik. Ich kann in Rollenspielen mit anderen vernetzt verschiedene Lebensmuster und Rollen durchspielen – statt der eher schüchternen Arbeitskollegin im Beruf zum Beispiel Gildenführerin im Spiel sein.

Was einerseits dann oft an der Peinlichkeitsgrenze langschrappt, kann auch hilfreich sein – eine Art diakonisches Angebot: Wenn in einem Fernsehbeitrag oder in einer Fotostrecke in der Zeitung ein Messie auf eine Art vorgestellt wird, dass deutlich wird: Ach, deshalb ist der so geworden. Er ist ein liebenswerter Mensch, man muss ihm oder ihr helfen. Dann kann ich mein eigenes Messietum leichter zugeben und selbst Hilfe annehmen.

Filme – so Professor Huizing – können auf mehreren Ebenen arbeiten. Sie können die Mediennutzung selbst zum Thema haben und gleichzeitig im Zuschauer, in der Zuschauerin etwas Positives bewirken. Ein Beispiel ist der Film Shame. Dort ist ein sexsüchtiger junger Mann von pornografischen Bildern völlig vereinnahmt. Sogar am Arbeitsplatz guckt er sich Pornos an. Es scheint keinen Ausweg zu geben. Bis seine Schwester nach einem Selbstmordversuch blutend in seinem Schoß liegt. Das Bild im Film wirkt wie eine Pieta – nur:

O-Ton 4a Huizing: …traditionell ist es ja so, dass der tote Jesus auf dem Schoß der Mutter liegt. Jetzt ist es umgewidmet worden. Jetzt ist es die schwer blutende Schwester nach einem Selbstmordversuch - sitzt auf dem Schoß des Bruders.

Autorin: Zwei Gestrandete. Professor Huizing meint,

O-Ton 4b: dass diese Bilder noch eine ungeheure Kraft haben, um Menschen wirklich empfindsam zu machen, zu sensibilisieren.

Autorin: So kann ein Film wie eine gute Predigt den Menschen frei machen – frei, mitzufühlen.

O-Ton 5 Huizing: Ich glaube, wenn es überhaupt etwas gibt, was man unter dem Stichwort Sünde verrechnen sollte – ich bin kein großer Anhänger dieses Begriffs –, dann ist es eine Empfindungskälte, Empfindungsschwäche. Und ich glaube, das gehört zum Menschen dazu, dass wir sensibel sein sollen für den anderen.

Musik 2

Autorin: Der christliche Glaube und die Welt der Bilder. Die Evangelische Kirche im Rheinland und die Evangelische Kirche von Westfalen hatten in diesem Jahr eingeladen, selbst Bilder zu ausgewählten Bibelversen zu gestalten. (10) Mitgemacht haben Alt und Jung, Kindergartengruppen, Schulklassen, Gemeindeälteste, Frauengruppen, Einzelpersonen.

Wozu diese Aktion? Oberkirchenrat Klaus Eberl von der rheinischen Kirche:

O-Ton 6 Eberl: Jeder muss sich selber ein Bild machen vom Glauben. Wir sind ja als Menschen Gottes Ebenbilder, aber wir sind Ebenbilder eines Gottes von dem wir kein Bild haben. Wir sollen Gott nicht festlegen auf eine bestimmte Rolle.

Autorin: Und doch ist es wichtig, sich ein eigenes Bild zu machen.

O-Ton 7 Eberl: Weil jeder für sich selber einen Zugang zum Glauben finden muss. Das kann uns niemand abnehmen. Es gibt keine Hierarchie, die sagt so und so und so, das musst du jetzt glauben. Sondern jeder muss für sich eigentlich die Antwort auf die Frage finden: Was trägt mein Leben, was ist der Grund meiner Hoffnung?

Autorin: Die Evangelische Kirche von Westfalen druckte die eingeschickten Fotos der Kunstwerke auf Stoffbahnen. Die sollen heute bei der Erstaufführung des Pop-Oratoriums Luther in Dortmund erstmals zu sehen sein. Die Evangelische Kirche im Rheinland hat ein E-Book mit den Bildern und Versen herausgegeben. Im Internet sind die Fotos beider Bilderbibeln zu sehen.

Ein Blick darauf lohnt sich. Denn:

O-Ton 8 Eberl: Wenn Schüler sich mit der Stiftshütte auseinandersetzen, kommen die nicht auf die Idee, dass es irgendetwas Besonderes ist, sondern das ist eine Hütte aus Stiften. Und manchmal eröffnen ja gerade so direkte Zugänge dann auch nochmal den Blick für einen ursprünglichen Sinn eines biblischen Textes.

Autorin: Gestaltet haben das Bild von der Stiftshütte Schülerinnen vom Berufskolleg der Evangelischen Stiftung Hephata in Mönchengladbach. (11) Ein Weg ist zu sehen, er geht durch die Stiftshütte hindurch. Zwei Barbiepuppen in schwarzer und weißer Kleidung stehen als Sinnbild für den Menschen, der als Sünder ins Heiligtum hineingeht und von den Sünden gereinigt wieder heraus kommt.

O-Ton 9 Eberl: In den ganzen Diskussionen um Inklusion spielt die Frage der Vielfalt eine Rolle. Und jetzt ist auf einmal die Stiftshütte eine Hütte aus Buntstiften, das heißt das Heiligtum Gottes ist eigentlich genauso vielfältig wie die Welt in der wir leben. Wo Menschen mit und ohne Behinderung, junge Menschen, alte Menschen, Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammenkommen und miteinander eine Gemeinschaft sein sollen, mit Respekt vor der Andersartigkeit des anderen. Das ist eine Interpretation dieses Bibeltextes, die gibt es in keinem wissenschaftlichen Kommentar, sondern das gelingt dann, wenn Menschen ihre eigene Erfahrungswelt und das, was ihnen wichtig ist in einen Dialog bringen mit dem biblischen Text. Das ist der große hermeneutische Gewinn, der uns dabei gelungen ist.

Autorin: In einem anderen Bild geht es um den Auftrag, den Gott den Menschen zu Beginn der Schöpfung gibt: Er sagte: „Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.“ Studierende im ersten Ausbildungsjahr der Heilerziehungspfleger am Berufskolleg Hephata haben das Kunstwerk gestaltet. Zu sehen sind Wasser, Berge und Himmel, Fische und Vögel, Erde und Gras.

O-Ton 10 Eberl: Eine junge Frau liegt in diesen Bereichen und verschmilzt fast damit. Und ich glaube, damit wird nochmal besonders deutlich gemacht, der Mensch ist ein Teil dieser Erde. Und viele Schwierigkeiten, die wir heute haben, viele gesellschaftliche Probleme hängen damit zusammen, dass wir immer meinen, der Mensch könnte auf Kosten der Welt leben, könnte die Ressourcen verbrauchen, könnte die Artenvielfalt einschränken, ohne dass es Konsequenzen hätte. Und sowohl der Bibeltext als auch dann diese bildliche Darstellung ist eigentlich ein schönes Gegenbild dazu, im wahrsten Sinne des Wortes, wo deutlich wird, wie kann das eigentlich gelingen, dass Menschen zu einem Teil der Natur werden, zu einem Teil der guten, von Gott geschaffenen Welt.

Autorin: Sehr oft ist die Hand Gottes zu sehen auf den Bildern. Bei der westfälischen Bilderbibel gibt es ein zweigeteiltes Bild. Links steht: der traurige Kain, rechts: der glückliche Abel. Links eine Hand mit Daumen runter. Rechts Daumen hoch. Dislike und Like. Klare Kante. Mal reicht Gott den Menschen die Hand aus einer Wolke oder hält sie schützend über sie. Und mal lastet die Hand Gottes schwer auf den Menschen. So wie in diesem Bild.

O-Ton 11 Eberl: Der Bibeltext ist aus dem 1. Samuel Buch. Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der Tod ist ja für uns ein Rätsel und natürlich auch etwas, wovor alle Menschen Angst haben. Und diese Angst bringt dieses Bild sehr schön zum Ausdruck. Da ist eine große Hand, aus der Hand gehen Blitze heraus und der Mensch liegt hilflos in so einer Gasse. Rechts und links sind Mauern, also, wir kommen aus dieser Situation auch nicht raus und es gibt nur eine kleine helle Stelle über dieser Hand, also das ist, wenn man so will der Sehnsuchtsort - in dieser schwierigen Situation, doch nicht ganz verloren zu sein.

Autorin: Widersprüche werden nicht aufgelöst. Gott ist all das. Denn so erleben es die Menschen ja auch:

O-Ton 12 Eberl: Wenn wir an die Flüchtlinge denken, die über´s Mittelmeer kommen und untergehen. Viele erzählen dann wie viele unterwegs gestorben sind und mitten in ihrer Angst und in ihrer Hoffnungslosigkeit. Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten oder wieder herauf. Die Abhängigkeit des Menschen ist damit genial dargestellt.

Musik 3

Autorin: Der christliche Glaube und die Welt der Bilder. Museen sind zu modernen Tempeln geworden. So manche und mancher fühlt sich sonntags eher hierhin gezogen als in die Kirche.

Dr. Petra Bahr, die ehemalige Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland und heute Leiterin der Hauptabteilung Politik und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin:

O-Ton 13 Bahr: Auf diese Weise kann es passieren, dass man durch die Gemäldegalerie in Berlin geht oder auch in die Pinakothek in München oder nach Köln und steht vor großartigen Tafelbildern, die nichts anderes erzählen als biblische Geschichten. Plötzlich stehen Menschen aus aller Herren Länder vor diesen Geschichten und werden mit den Grundgeschichten des Christentums konfrontiert, ohne dass sie jemals eine Kirche aufsuchen müssten. Und dann und wann sieht man übrigens - ganz besonders da, wo Kunst aus dem orthodoxen Raum ausgestellt wird in Russland oder auch in Polen - wie Menschen vor Bildern im Museum niederknien und sich bekreuzigen. Das finde ich immer ganz stark, weil das Momente sind, wo man merkt, dass Menschen überhaupt gar nicht akzeptieren, dass die Bilder aus ihrem religiösen Zusammenhang herausgerissen werden, sondern sie nehmen sie als das, was die Bilder für sie sind, nämlich heilige Bilder. Religiöse Orte und Andachtsbilder.

Autorin: Die alten Bilder entfalten ihre Kraft unabhängig vom Ort, an dem sie früher standen und ihre Bedeutung hatten. Petra Bahr weist außerdem auf eine verblüffende Parallele hin: Moderne Bilder im Museum können religiöse Gefühle erzeugen. Und sie werden in kirchenähnlichen Räumen in Szene gesetzt:

O-Ton 14 Bahr: Und umgekehrt ist es so, dass man manchmal den Eindruck hat, dass moderne, Kunst beflissene Zeitgenossen von heute vor Bildern eines Mark Rothko oder auch vor Wolfgang Tillmans auf ihre Weise niederknien und in Andacht versinken. Manchmal wüsste ich gerne, was dann im Kopf passiert, aber man sieht, dass es unterschiedliche Formen der Besinnung auch vor Gegenwartskunst gibt, die gar keinen offiziell religiösen Bezug haben will. Es gibt zum Beispiel in der Tate Modern in London einen Raum, wo Bilder von Mark Rothko ausgestellt sind und dieser Raum funktioniert eigentlich wie ´ne Kapelle.

Autorin: In dieser „Kapelle“ verhalten sich die Menschen anders. Sie verstummen, senken den Kopf, sie setzen sich sehr viel häufiger hin und sie bleiben viel länger vor den Bildern sitzen oder stehen, als das in den anderen Räumen der Tate der Fall ist. Museen können sogar Heimat geben. Davon kann Pfarrerin Dr. Christina-Maria Bammel erzählen.

(Mit) Anfang 20 studierte sie Religionswissenschaften und Philosophie in New York. Schreiende Lichtreklamen, die fremde Kultur und die Anstrengung, in einer fremden Sprache zu studieren, weckten die Sehnsucht nach einem Ort der Ruhe und Geborgenheit.

Mit der Metro ging es dann am Wochenende quer durch die Stadt runter nach Manhattan ins Metropolitan Museum of Art. Besonders die mittelalterliche Kunst hatte es der jungen Studentin angetan.

O-Ton 15 Bammel: In diesen Sälen waren nicht nur gigantische schillernde Farbfenster aus französischen Kirchen ausgestellt, sondern auch ganze Klostergänge wiederaufgebaut. Und die Amerikaner hatten damals für meinen Eindruck ein phantastisches Händchen dafür, dass man sich das auch aneignen kann, sie haben überall Sitzmöglichkeiten hingestellt, und einen kleinen Brunnen, der in der Mitte stand und der eben so überfloss und vor sich hinplätscherte und dann setzte ich mich dort hin und konnte ja, so mehrere Sachen - das Eine war, dass ich so ein Stück solidarisches Mitgefühl hatte mit diesen Bausteinen, die einen solchen weiten Weg zurückgelegt hatten, die mal in irgendeinem französischen Kloster abgebaut worden sind und hier wieder mitten in der neuen Welt aufgebaut wurden, so dass ich dann immer gedacht hab', ja, ihr habt auch 'nen weiten Weg hinter euch, ihr fühlt euch bestimmt genauso heimatlos wie ich, die hier sitzt und die Sprache kaum versteht und, also dieses, dieses Mitgefühl mit diesem Stückchen Stein, aber auch gleichzeitig dieses Gefühl, da komm ich her, so 'n Stück sind das auch meine Wurzeln.

Autorin: Christina-Maria Bammel fand ihre Gemeinde im Museum:

O-Ton 16 Bammel: ...dort im Museum war so die kleine Gemeinde der Museumsbesucher, die sich auch still auf ihre Bänke gesetzt haben, die vielleicht den ein oder anderen Reiseführer aufgeschlagen haben und mal nachgeschaut haben, was da so drinsteht, ...das war ´ne Gemeinde von Menschen, die waren genauso pilgernd durch diese Säle und durch diese Zeitepochen wie ich und da fühlte ich mich schon fast in aller Fremdheit näher als einer Kirchengemeinde, in die ich dann einfach reingestolpert wäre.

Autorin: Und wo die fremde Sprache wieder eine Hürde war. Mit anderen gemeinsam pilgernd und suchend unterwegs sein, die Gedanken in der eigenen Sprache schweifen lassen, hin zur Schwelle, wo Kunst auf Religion trifft.

Das hat Auswirkungen auf das Innenleben:

O-Ton 17 Bahr: …wenn ich mir eine halbe Stunde Zeit nehme und davor sitze, vergesse ich ganz viel, was ich eben noch gesehen habe und kann mich einlassen auf so einen ganz anderen Blick. Und es ist mein Blick plötzlich und dann kann auch ich darüber nachdenken wieder, wo ich eigentlich bin in dieser Welt mit ihren vielen Farben und Energien. Deswegen gibt es manchmal so etwas wie Andacht vor einem Kunstwerk. (...)Ich glaube deswegen nicht, dass Museen immer heilige Räume sind, sondern dass wir sie dazu machen in dem Moment, wo uns etwas ganz Besonderes geschieht oder wo sich etwas Besonderes zeigt. Sie sind nicht als solche geweiht, sie sind auch nicht als solche sakral, sondern sie werden zu außergewöhnlichen Orten und Plätzen, weil wir sie dazu machen können, dadurch dass wir Kunstwerken begegnen.

Autorin: Sich der Kunst mit allen Sinnen - Seele, Herz und Verstand - öffnen und den Geheimnissen hinter den Dingen begegnen, vielleicht für einen kleinen Moment Gott selbst.

Der Künstler Anselm Kiefer hat einmal in einer Rede vor der Knesseth in Jerusalem gesagt:

Sprecher 6: Zwei Dinge waren bei meinen Arbeiten wichtig: zunächst der Satz - 'du sollst dir kein Bild machen', nicht als Verbot, sondern als Mahnung, dass es eigentlich unmöglich ist, ein Bild zu machen, und als Auftrag: gerade weil es eigentlich unmöglich ist, es dennoch zu tun. ... Das Bild lässt im Scheitern (und es scheitert immer) die Größe dessen aufleuchten, das es nicht erreichen kann (...) Das zweite, das mir als Künstler immer bewusst ist: die Trennung (...) Ich rede von (...) den zwei Hälften eines Bildes, das nie mehr eins werden kann.

Autorin: Es heißt: Du sollst dir kein Bildnis machen. So schwer es ist, so wenig wir über Gott reden können. ohne Bilder zu gebrauchen, hier lauert auch immer die Gefahr der Manipulation. Gott wird festgeschrieben. Eingekerkert. Handhabbar gemacht.

Wirklich in seiner Fremdheit und Nähe zugleich erfassen, können wir ihn in einer ganz anderen Dimension. Von der spricht der christliche Mystiker Meister Eckhart. (12)

„Gott wird dann in uns geboren,

wenn alle Kräfte unserer Seele,

die vorher durch Gedanken,

Bilder und was es auch sei

gebunden und gefangen waren,

ledig und frei werden

und in uns alle Absicht zum

Schweigen kommt.“

Damit geht nun die geistliche Sendung zum Reformationstag zuende. Es verabschiedet sich Rundfunkpfarrerin Petra Schulze aus Düsseldorf. Sie hörten einen Beitrag der evangelischen Kirche.

Musik 4

(1 ) Quelle: Die Essais - Michel de Montaigne. Zitiert nach: http://www.zitate.eu/de/zitat/101362/michel-eyquem-de-montaigne.

(2 ) 2. Mose 20,4f, Die Bibel, Luther 1984.

(3 ) Zitiert nach einem Beitrag von Jörg Schmidt: Bildersturm – Protest gegen eine Kultur der Unfreiheit – Die Reformierten Protestanten und die Bilder der Macht:

http://www.reformiert-info.de/242-0-56-7.html.

(4 ) Von den guten Werken, 1520 – siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Reformatorischer_Bildersturm

(5 ) Peter Jezler, in: Cécile Dupeux, Peter Jezler, Jean Wirth (Hrsg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wille? Fink, München 2000 – siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Reformatorischer_Bildersturm

(6 ) zitiert nach: Der Spiegel 46/1983 (14.11.1983), Weder gut noch böse: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14023323.html

(7 ) Robert W. Scribner (Hg.): Bilder und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Harrassowitz, Wiesbaden 1990, Wolfenbütteler Forschungen 46)., S. 11, siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Reformatorischer_Bildersturm

(8 ) Vgl. https://www.ekd.de/bibel/geschenkt/cranach.html

(9 ) Interview von Petra Schulze nach einem Vortrag: „Eingebildeter Glaube. Theologie und Medien-Ästhetik“ von Prof. Dr. Dr. Klaas Huizing, Würzburg, am 19. Mai 2015, um 19.30 Uhr in der Evangelischen Stadtakademie Bochum.

(10 ) Evangelische Kirche im Rheinland: http://bildundbibel.ekir.de/ und Evangelische Kirche von Westfalen http://bibel2015.tumblr.com/

(11 ) Video aus der Evangelischen Stiftung Hephata (http://www.hephata-mg.de/) von der Aktion Bilderbibel: http://www.ekir.de/www/service/hephata-18808.php) (Video Hephata, mit „Stiftehütte“)

(12 ) zitiert nach: Meister Eckhart in „Der Andere Advent“ von Andere Zeiten e.V., 24.12., 2014/2015.

Musik 1: Track 5 Take a picture of This von CD Cass County (Deluxe), Interpret: Don Henley, Komponist: Stan Lynch, Label: Capitol, (C) 2015 Past Masters Holdings, LLC, LC Nummer: LC 00148.

Musik 2: Track 7 The Nightingale´s Song / Growth of a flower, Interpret: Jeff Danna und Mychael Danna, Komponist: Bernie Birdland,

CD Brigitte Wellness – Schön entspannt – Mit sanfter Relax Musik aus aller Welt, Verlag: Sony Classical Entertainment GmbH, Label Sony Classical, LC 00162, Jahr: 2000, 1 VAS Refuge (4:52), 1997 Nadra Productions Inc (I), I mit freundlicher Genehmigung der Virgin Schallplatten GmbH, II mit freundlicher Genehmigung der A Train Entertainment. Bestellnummer 5 099749977426.

Musik 3: Track 12 Ly-o-Lay Ale Loya, Interpret / Komponist: Indians von CD = Musik 2.

Musik 4: Track 10 Voices of Om / Energy Flow, Interpret / Komponist: Ruychi Sakamoto von CD = Musik 2.

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Abspielen (Kirche im WDR)
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