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Kirche in WDR 5 | 17.05.2016 | 06:55 Uhr
Aufenthalt im Kloster
Guten Morgen!
Schon viele Jahre fahre ich regelmäßig ins Kloster Gerleve im Münsterland. Ohne die Aufenthalte dort würde mir mittlerweile etwas sehr Wesentliches in meinem Leben fehlen. Es ist eine ganz eigene Mischung, die mich dort fasziniert und anzieht. Da sind zum einen die Mönche, die trotz vielerlei Beschäftigung jedenfalls nach außen nie hektisch wirken. Da ist zum anderen eine intensive Atmosphäre von Stille und Konzentration, die nicht künstlich wirkt. Und dann gibt es dort eine Umgebung, die zum Spazierengehen oder Fahrradfahren einlädt.
Im Kloster Gerleve leben ungefähr dreißig Mönche des Benediktinerordens. Und immer sind auch einige Männer da wie ich, die hier für kurze oder längere Zeit Gastfreundschaft genießen und den Alltag im Kloster recht nah miterleben können. Der Tagesablauf ist geprägt von den Gebetszeiten. Siebenmal am Tag kommen die Mönche in der Klosterkirche zusammen, morgens um viertel nach fünf zum ersten Mal und abends um viertel nach acht zum letzten Mal. Dazwischen die gemeinsamen Mahlzeiten, bei denen wir Gäste mittags und abends im Speisesaal der Mönche mitessen. Gesprochen wird allerdings beim Essen nicht – stattdessen wird aus einem aktuellen Buch vorgelesen, einer Biographie oder einem zeitgeschichtlichen Werk. Über den Tag verteilt hat jeder Mönch seine speziellen Aufgaben. Das kann praktische Arbeit im Garten sein oder wissenschaftliche Arbeit, Tischdienst oder Gästebetreuung. Einige Mönche stehen so als Gesprächspartner zur Verfügung. Dieses Angebot nutze ich schon viele Jahre. So ist ein Mönch mein Ansprechpartner. Er kennt mich mittlerweile sehr gut. Jedes Mal spreche ich mit ihm über das, was sich in meinem Leben in der letzten Zeit ereignet hat, über das, was mich derzeit beschäftigt, beruflich wie privat. Und natürlich geht es im Gespräch auch um meine Beziehung zu Gott, um mein Gebetsleben, um meinen Glauben, meine Fragen und meine Hoffnungen. Am Ende meiner Besuchstage im Kloster steht immer eines fest: Mein Leben hat wieder an Tiefe gewonnen – und das tut mir gut.
Klöster wie das Benediktinerkloster Gerleve im Münsterland sind Anlaufpunkte für viele Menschen. Wie gesagt: Es sind immer auch ein paar andere Gäste da, die wie ich dort einen oder mehrere Tage verbringen, manche sogar ganze Wochen. Einige kommen immer wieder an diesen Ort. Und was mich total überrascht hat: Es kommen Leute hierher, die ich im Kloster nicht vermutet hätte: Menschen, die mit der Kirche und manchmal auch mit dem Glauben nicht viel zu tun haben. Dass auch Atheisten, Kirchenferne und Kirchenkritiker hierher kommen liegt wohl daran, dass die Mönche einfach Gastfreundschaft anbieten, nichts aufdrängen, nichts erwarten und eben auch nichts vorgeben, was die Gäste tun oder woran sie teilnehmen sollten. Diese freie Atmosphäre ist es gerade, die dann auch Menschen anzieht, die gar nicht beten wollen oder können. Oder Menschen, die eine Zeit für sich alleine brauchen, zum Beispiel nach einer Krise oder um sich beruflich oder privat neu zu orientieren.
Ich bin sehr froh, diesen Ort gefunden zu haben. Das Klostererlebnis möchte ich nicht mehr missen. Es ist vielleicht vermessen, Ihnen allen ein solches Klostererlebnis zu wünschen – obwohl ich glaube, dass das jedem Menschen gut tun würde. Aber was ich Ihnen wünsche, ist, dass Sie Orte und Gelegenheiten finden, um zwischendurch mal bewusst bei sich zu sein, und wenn Sie mögen auch bei Gott. Das geht ja auch an vielen anderen Orten, weit über ein Kloster hinaus.
Aus Paderborn grüßt Sie Domvikar Michael Bredeck.
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