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Das Geistliche Wort | 19.06.2016 | 08:35 Uhr

„Kleider machen Leute“

Kleider machen Leute! Auch wer Gottfried Kellers Novelle nicht gelesen hat, kennt diesen Satz. Kleider haben Wirkung. Sie sprechen. Immer. Ob es der Träger oder die Trägerin will oder nicht. Eine verwaschene Jeans sagt etwas anderes als ein schickes Kostüm. Klamotten von C&A sprechen eine andere Sprache als die Haute Couture. Mit unserer Kleidung senden wir Botschaften, wie z.B. Papst Franziskus, der bewusst auf höfischen Prunk und Protz verzichtet, eine schlichte weiße Soutane und ausgelatschte Gesundheitsschuhe trägt.

Kleidung wirkt – bei Vorstellungsgesprächen, Geschäftsabschlüssen, in der Prüfung, in der Bar oder im Club. Sie kann entscheiden, ob man einen Job kriegt, einen Kredit, eine gute Note, einen Freund oder eine Freundin.

Unsere Kleidung gehört zu uns. Sie repräsentiert uns – und zeigt oft auch, ob wir zu einer bestimmten Gruppe gehören oder nicht. Davon können insbesondere Jugendliche ein Lied singen. Mit ihrer Kleidung sind sie nämlich unter Gleichaltrigen in oder out. Und so wundert es auch nicht, dass sich in vielen Familien gerade um die Kleidung dramatische Szenen abspielen. Da muss es unbedingt eine bestimmte Marke sein, diese Jeans oder jene Schuhe. Diese Sachen erscheinen lebensnotwendig. Daran messen viele Heranwachsende ihren Wert und ihre Wichtigkeit. Diese Kleidungsstücke sind für sie Garant der Identität und Zugehörigkeit.

Musik I Vorschlag: West Side Story „I feel pretty“ (https://www.youtube.com/watch?v=nzKOBs9ds0o)

Dass durch die Kleidung markiert wird, wohin und wozu ein Mensch gehört, gilt von alters her. Das war auch schon so zur Zeit des Apostels Paulus, also in den ersten Jahrzehnten unserer christlichen Zeitrechnung Und deshalb kann dieser Missionar, dieses Bild auch aufgreifen und damit eine zentrale Botschaft anschaulich machen. Katholische Christen hören sie heute im Sonntagsgottesdienst im Brief des Apostels an die Galater. In dieser Gemeinde, die in der heutigen Türkei lag, hat Paulus selbst gewirkt. Hier kannte er die Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit. Gerade deshalb schreibt er: „Ihre alle seid durch den Glauben Söhne – heute fügen wir hinzu – und Töchter Gottes in Jesus Christus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt“ (Gal 3,26f).

Christus als Gewand anlegen, Christus anziehen – das ist es, was nach Paulus in der Taufe geschieht. Wer getauft ist, gehört ganz und gar zu Christus. Er steckt in seinem Kleid und in seiner Rolle. Er wird zu einem neuen Menschen, zu einem Menschen, der sich mit jeder Faser seines Lebens hineinnehmen lässt in die Seinsweise Christi. Das Taufritual der ersten Christen, die Erwachsene waren, hat dies in besonderer Weise verdeutlicht. Sie stiegen völlig unbekleidet, also nackt hinab in das Taufbecken, das in den Boden eingetieft war und eine Wasserhöhe von ca. 1,20 m hatte. Im Wasser tauchten sie dann dreimal unter und wieder auf – als Zeichen dafür, dass sie mit Christus sterben und auferstehen, also neues Leben gewinnen. Anschließend wurde ihnen dann ein weißes Kleid angelegt, das sie als Zeichen ihrer neuen Würde acht Tage bis zum so genannten Weißen Sonntag trugen. Das, was innerlich geschehen ist, wurde äußerlich sichtbar gemacht. Sie trugen das lange weiße Kleid mitten im Alltag – für alle deutlich erkennbar. Leider ist das heute bei der Taufe anders. Das starke Zeichen, das in der Taufe der nackte Mensch durch Christus eine neue Lebensdimension gewinnt, ist nur noch rudimentär vorhanden, wenn der Taufspender das weiße Kleid auf den Täufling legt und sagt: „Dieses weiße Kleid soll dir ein Zeichen dafür sein, dass du in der Taufe neu geschaffen worden bist und – wie die Schrift sagt – Christus angezogen hast.“

Was bedeutet aber dieses neue Leben in Christus? Wofür genau steht das weiße Taufkleid ? Wer Christus angezogen hat, wer sein Kleid trägt, dessen Leben erhält hier und jetzt eine andere Prägung. Christi Kleid macht Leute – ganz anders allerdings als in der gewohnten Redensart. Wer Christus angezogen hat, für den gelten nicht mehr Kleidung und Herkunft, sondern andere Maßstäbe. Für den spielen alle sozialen Unterschiede keine Rolle mehr. Und so fährt Paulus denn auch fort: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“(Gal 3, 28).

Musik II Vorschlag: We shall overcome (1- Strophe) https://www.youtube.com/watch?v=S66gM3PoZLE

Kleider machen Leute. Der Apostel Paulus schreibt dazu an die Galater: Das Kleid eines Christen macht die Unterschiede zur Nebensache. Für Paulus ist klar: Diejenigen, die das Christuskleid tragen, sind Söhne und Töchter Gottes. Das ist das entscheidende Markenzeichen. Dieses Markenzeichen aber macht alle anderen überhaupt vorstellbaren Unterschiede zwischen Menschen zweitrangig. Zwar bleiben sie bestehen, aber sie bestimmen nicht mehr, was einer ist oder gilt. Wesentlich sind nicht mehr Rang, Ruf und Geschlecht, sondern dass jeder Mensch Kind Gottes ist. Für und vor Gott ist jeder und jede einzigartig – mit einer unermesslichen Würde ausgestattet. Von Gott ist jeder und jede angenommen, gewollt und unbegrenzt geliebt – und zwar ohne Vorbedingung und Vorleistung. Diese Zusage feiern Christen in der Taufe und dafür steht eben auch das Taufkleid.

So wunderbar diese Zusage auch ist, die Wirklichkeit scheint ihr tagtäglich zu widersprechen – in der Gesellschaft und auch in der Kirche. Nach wie vor sind die Unterschiede eben doch zentral: Unterschiede zwischen Deutschen und Ausländern, zwischen Reichen und Armen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Christen und Muslimen, zwischen Protestanten und Katholiken, zwischen Amtsträgern und Laien usw. usf. Gerade deshalb empfinde ich diese Zusage auch als bleibende Herausforderung. Sie ist für mich wie ein Stachel im Fleisch. Sie lässt mir keine Ruhe, so dass ich nach Spuren einer anderen Wirklichkeit suche – nach einer Wirklichkeit, in der die Würde jedes einzelnen Menschen geachtet wird, unabhängig von allen Unterschieden. Und diese andere Wirklichkeit gibt es eben auch! Ich erlebe sie zurzeit z.B. bei einem Ehepaar, das nicht nur seine Einliegerwohnung einer irakischen Familie zur Verfügung gestellt hat, sondern diese zudem bei den mühevollen Schritten des Ankommens hier in Deutschland unterstützt. Ich sehe sie aber auch bei den vielen Menschen, die sich weltweit in den Flüchtlingslagern einsetzen, an den Stränden des Mittelmeeres, an den entsetzlichen Stacheldrahtzäunen an den Grenzen Europas, oder auch hier bei uns.

Dass jeder Mensch einzigartig und wertvoll ist, dass jeder und jede zählt, habe ich aber auch immer wieder in meiner Kirche erfahren. Trotz aller Ungleichheit, die natürlich auch die kirchliche Wirklichkeit bestimmt und die ich als Frau in dieser Kirche oft auch schmerzhaft gespürt habe, gab und gibt es auch die anderen Erfahrungen. Ich denke an partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Priestern, an gemeinsame Aktivitäten mit Frauen und Männern unterschiedlichster Art, in denen alle gleich wichtig waren und wir uns gegenseitig getragen und gestützt haben. So banal dies klingen mag, diese kleinen Alltagserfahrungen ermutigen mich, der Zusage Gottes zu glauben, mich von ihr leiten zu lassen und mich mit meinen Möglichkeiten für die Würde jedes Menschen einzusetzen.

Musik III Vorschlag: We shall overcome (2- Strophe: We’ll walk hand in hand) https://www.youtube.com/watch?v=S66gM3PoZLE

Das neue Leben in Christus, das im Taufkleid symbolisiert wird, bezieht sich auch auf die grundlegende Hoffnung der Christen auf ein Leben nach dem Tod. In der Taufe feiern Christen, dass der Tod nicht das letzte Wort hat und das unwiderrufliche Ende ist. Gottes Liebe ist stärker als der Tod. Er will für uns ein Leben in Fülle – und zwar über den Tod hinaus. Wer Christus als Gewand angelegt hat, der gelangt wie Christus durch den Tod zum Leben.

Darauf hoffe ich. Daran glaube ich. Trotzdem werden mir dieser Glaube und diese Hoffnung immer wieder zur Herausforderung. Ich erlebe dies gerade wieder einmal. Eine sehr gute Freundin von mir geht ihrem Sterben entgegen. Allem Anschein nach hat sie den Kampf gegen den Krebs verloren; ihr Körper zeigt deutliche Hinweise; sie hat einfach keine Kraft mehr. Wir beide spüren: Es bleibt nur noch wenig Zeit. Diese Situation ist ungeheuer schwer – für mich, vor allem aber für meine Freundin. Neben ihren Schmerzen hat sie nämlich Angst – Angst vor dem Sterben und allem, was damit verbunden ist – und trotz ihres Glaubens hat sie Angst vor dem Tod und dem, was danach kommt. Und dennoch versuchen wir beide, gerade jetzt aus dem Glauben zu leben, Jesu Lebenszusage zu trauen. Wir weinen, reden und beten miteinander. Wir bitten darum, dass Gott an der Seite meiner Freundin ist, sie stärkt und tröstet, sie von ihrem Leiden erlöst und ihr neues Leben schenkt.

Zugleichs gibt es neben der Angst auch andere Momente, z.B. dankbares Erinnern an all das, was im Leben meiner Freundin schön war. Gott sei Dank, gibt es da sehr Vieles, über das wir sprechen können: über ihre Kinder, ihre vielen Reisen, ihren Einsatz für die Gemeinde, ihre Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen, die ihr Leben reich gemacht haben. Aus solch einem Erzählen erwachsen dann manchmal auch Momente der Zuversicht und Hoffnung. Deshalb wünscht sich meine Freundin zu ihrer Beerdigung auch einen Gottesdienst, in dem wir ihre Auferstehung feiern. Trotz ihrer Angst glaubt sie zutiefst daran, dass Gott ihr ewiges Leben schenkt, ein Leben, das kein Leid und keinen Tod mehr kennt. Für sie steht fest: Ich muss durch den Tod hindurch. Das ist unendlich schwer, aber dann werde ich in Gott leben.

Musik IV: Vorschlag „Gabriellas Song“ aus „Wie im Himmel“ (https://www.youtube.com/watch?v=u2Vr1ODCUag) Darüber:

Kleider machen Leute: Wer Christus angezogen hat, macht sich die Lebenszusage Gottes zu eigen. Er lebt aus dem Vertrauen, dass Gott niemanden verloren gibt. Dieses Kleid schmückt den Menschen wirklich und es schützt ihn mit dem Segen der grenzenlose Liebe Gottes. Daran glaube ich und deshalb gilt für mich: Wir alle sind immer schon gemachte Leute, weil Gott uns Ansehen verleiht. Das ist unser Markenzeichen, ein Markenzeichen, das keiner Mode unterworfen ist, sondern dauerhaft gültig ist.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen Magret Nemann aus Münster.

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