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Das Geistliche Wort | 05.02.2017 | 08:35 Uhr

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Sehnsucht nach Heimat

Autor: Guten Morgen. Heimat! Kaum ein anderes Wort in unserer Sprache ist so ungenau definiert wie dieses Wort: „Heimat“. Ich spreche es aus – und kann sicher sein: Niemand wird genau wissen, was ich damit meine, an welche konkreten Orte ich dabei denke: Sind sie auf dem Land oder in der Stadt, in Deutschland oder Afrika. Oder welche konkreten Menschen mir einfallen: Vater, Mutter, die Großeltern, die Geschwister, der erste Schulfreund oder die Grundschullehrerin? Vielleicht steigt mir bei der Erinnerung an die Heimat auch der Duft des Lieblingsessens von damals in die Nase. Heimat – ein schillernder und ein sehr persönlicher Begriff. Dabei hat gerade heute alles, was sich mit Heimat verbinden lässt, wieder Konjunktur: in der Literatur und in der populären Musik. Die Sehnsucht nach dem angeblich heilen Landleben zum Beispiel, wird durch zahlreiche Zeitschriften und Fernsehsendungen bedient. Konservative und nationalistische Kräfte instrumentalisieren ihre Sicht von Heimat, um das, was sie dafür halten, von Fremdem frei zu halten oder frei zu machen.

Für die einen ist Heimat ein Ort, in der Kindheit oder Jugend – vielleicht im Schutz einer liebevollen Familie. Für andere wurden spätere Lern- und Lebensorte zur Heimat, an denen sie verständnisvollen Menschen begegneten. Menschen, die ihre Heimat nie verlassen mussten, werden anders von ihr reden, als die, die vor 70 Jahren aus der Heimat vertrieben worden sind. Und die, die damals ihre Heimat aufgeben mussten, was sagen sie zu den Geflüchteten unserer Tage, die bei uns Schutz suchen?

Musik 1: Per il mio Amore

Autor: In unserer Kirche hängen zwei Holztafeln, die mit ihren wertvollen Intarsienarbeiten an einen der berühmtesten Söhne unserer Stadt erinnern. Johann Heinrich Jung-Stilling, Im April vor 200 Jahren starb er. Er war ein erfolgreicher Augenarzt, gefragter Wirtschaftswissenschaftler und Verfasser zahlreicher religiöser Schriften. Mit Herrscherhäusern in ganz Europa stand er in Kontakt. Auf den beiden Tafeln stehen zwei seiner bekanntesten Zitate:

Das eine lautet:

Sprecherin: „Die beiden schönsten Dinge im Leben sind die Heimat, aus der wir kommen, und die Heimat, zu der wir wandern.“

Autor: Und das andere geht so:

Sprecherin: „Selig sind die das Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen.“

Autor: Über seine Kindheit und Jugend in dem kleinen Dörfchen Grund hat Jung-Stilling schon als junger Mann geschrieben. Tiefen Eindruck auf ihn hat sein frommer und rechtschaffener Großvater gemacht. Ein Kohlenbrenner ist er gewesen. Oft hat sein Enkel ihn in den Wald begleitet und lange Gespräche mit ihm geführt. Mit 14 Jahren wurde Heinrich schon zum Lehrer für die Kinder der Bauern in den Nachbardörfern berufen. Mit 22 verließ er seine Heimat im nördlichen Siegerland. In Straßburg studierte er Medizin. Hier traf er Johann Wolfgang Goethe und Johann Gottfried Herder.

Goethe bekam Jung-Stillings Kindheits- und Jugenderinnerungen zu lesen und veröffentlichte ohne dessen Wissen den ersten Teil seiner Erzählung. In sein kleines Heimatdorf Grund ist Heinrich Jung-Stilling nie wieder zurückgekehrt.

Wuppertal, Kaiserslautern, Heidelberg, Marburg waren seine weiteren beruflichen, vor allem universitären Stationen. Schließlich berief ihn der badische Großherzog in den Rang des Geheimen Hofrates nach Karlsruhe.

Doch die Motive von Heimat und Heimweh begleiteten ihn bis ins Alter. Als er seinen großen Roman „Heimweh“ verfasste, schrieb er als ersten Satz:

Sprecherin: „Selig sind die das Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen.“

Autor: Es ist kein Zufall, dass dieser Satz den Seligpreisungen Jesu aus der Bergpredigt nachgebildet ist. Sie stehen in der Bibel im Matthäus-Evangelium und klingen so:

Sprecherin:

Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.

Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.

Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Matthäus 5,4.5.7.9)

Autor: Seligkeit – wir würden heute vielleicht von vollkommenem Glück sprechen – ist immer ein Geschenk Gottes. Ein Versprechen auch. Das motiviert dazu, etwas zu tun, was auf den ersten Blick nicht Erfolg oder Karriere verspricht. Sanftmütig und barmherzig sein und für Frieden eintreten. Den Leidenden nahe sein und die Arglosen nicht verachten. Jesus selbst meinte genau das – und noch etwas darüber hinaus: Er weckte mit seinen Seligpreisungen die Sehnsucht nach dem vollkommenen Glück in der Gemeinschaft der Kinder Gottes - hier auf Erden und im Himmel. Jung-Stilling hat seinen großen Roman „Heimweh“ vor über 200 Jahren als einen allegorischen Reisebericht angelegt. Darin geht es um das Leben eines Christen, das eine Art Bewährungsreise zur ewigen Seligkeit ist. Heimat ist für Jung-Stilling zum einen der Ort, aus dem ich komme, wo ich die wesentlichen Prägungen und das geistige und geistliche Rüstzeug für meine Lebensreise empfangen habe. Und zum anderen ist Heimat der Ort, zu dem ich unterwegs bin. Der Ort, nach dem ich mich sehne. Eine Sehnsucht, die Gott in mir weckt, nach dem Ort des ewigen Friedens. Des Friedens mit mir selbst und den anderen. Ein Frieden nicht von dieser Welt, sondern in Gottes Welt. Beide Heimaten nennt Jung-Stilling die schönsten Dinge im Leben.

Musik 2: Ich bin ein Gast auf Erden

Autor: In unserer Kirchengemeinde hat es Jung-Stillings programmatischer Satz „Selig sind die das Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen.“ sogar in das Kirchensiegel geschafft. Auch ein Hut, ein Wanderstab und eine Umhängetasche sind darauf zu sehen. Viele Gemeindemitglieder wünschen sich, dass dieses Zitat bei ihrer Beerdigung in irgendeiner Weise vorkommt. Sie nehmen damit den Himmel in den Blick. In ihnen ist noch eine Sehnsucht nach Mehr, nach Schönerem, nach Vollkommenem lebendig. Man täte ihnen unrecht, ihnen eine übertriebene Frömmigkeit oder gar realitätsferne Schwärmerei vorzuwerfen. Sie sind im Gegenteil vielleicht nüchterner als man denkt. Sie wissen, dass es keinen idealen und vollkommenen Ort auf der Erde gibt, der einem unbeschwertes Glück und Gelingen garantiert.

Aber sie sind davon überzeugt, dass Gott ihre Hoffnung nicht enttäuschen wird, dass auf die Menschen am Ende der Tage ein Ort des ewigen Friedens wartet.

Hier und jetzt – das versprechen die Seligpreisungen – ist das auch schon möglich. Schon jetzt kann ich die Welt da, wo ich lebe zu einer Heimat für viele gestalten. Die himmlische Heimat, zu der ich einmal gehen werde, liefert mir Bilder und Vorstellungen, wie schon diese Erde zu einem Ort des Friedens werden könnte. Und dennoch weiß ich: Das Paradies kann ich hier nicht verwirklichen. Es bleibt alles Stückwerk. Und so wächst die Sehnsucht nach der himmlischen Heimat, oder „nach dem Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“ (2. Korinther 5,1)

Der Theologe Fulbert Steffensky hat den „Menschen der Sehnsucht“ einmal so beschrieben:

Sprecherin: Der Mensch der Sehnsucht „weint in jedem Land die Tränen seines Heimwehs nach der Sprache der Stummen und nach dem Augenlicht der Blinden. Zuhause wird er sein im Niemandsland, in dem Land, in dem noch keiner war. Zuhause wird er erst sein im Land, das allen versprochen ist: in dem Land, aus dem die Seufzer geflohen sind. Jeder Mensch der Sehnsucht ist ein Ausländer – überall. Schön sind die Menschen der Sehnsucht in ihrer Freiheit und in ihrer Skepsis den Heimaten gegenüber. Sie sind nicht eingefangen in eine Sprache, die sich als die einzig mögliche gibt, und sie kennen größere Lieder als die der Heimatkapellen.“

(Fulbert Steffensky, Schwarzbrot-Spiritualität, Stuttgart 2005 (Neuausgabe 2010), S.11

Musik 3 = Musik 1: Per il mio Amore

Autor: „Jeder Mensch der Sehnsucht ist ein Ausländer – überall“, sagt Fulbert Steffensky. Das heißt doch auch: Die Sehnsucht nach der Heimat im Himmel macht mich frei, überall auf der Erde zu Hause zu sein – natürlich in aller Vorläufigkeit und Endlichkeit. Ich bin nicht eingeengt in und gefangen von meiner Herkunft, sondern habe als Christ einen weiten Horizont. Wie Heinrich Jung-Stilling, der sich mit vielen Menschen auf der ganzen Welt Briefe schrieb: mit einfachen und mit bedeutenden. Mit allen, die seinen Rat suchten. An die 20.000 Briefe hat er geschrieben.

Seinen irdischen Heimatort hat er nie vergessen auch wenn er ihn nicht wiedergesehen hat. Im gewissen Sinne war er damit auch ein Ausländer in dieser Welt. Er wusste: Ich bin ein Gast auf Erden, der hier keinen bleibenden Stand hat. Was er aber hatte: Durch seine Studien- und Arbeitsorte hatte er eine Weite der Erfahrungen und des Denkens erlangt, so dass ihm weltweit Achtung und Respekt zuflossen. Dabei war er tief gegründet im Glauben seiner Kindheit und Jugend. Und er wusste: Eines Tages werde ich in der Heimat sein, aus der ich nicht mehr weggehe. In meiner Heimat bei Gott.

Musik 4 = Musik 2: Ich bin ein Gast auf Erden

Autor: Ich bin ein Gast auf der Erde. Meine endgültige bleibende Heimat ist eine, nach der ich mich lebenslang sehnen werde. Im Grunde bin ich ein Ausländer – überall. Meine jetzige irdische Heimat oder meine verschiedenen Heimaten auf meiner Lebensreise kann ich gestalten. Nach dem Bild der himmlischen Heimat kann ich sie zusammen mit anderen zu einem lebenswerten Ort für alle machen. Ich kann die Schönheit meiner Heimat anderen zeigen. Und stelle mir vor: Alle Heimaten, wo immer sie sind, würden sich öffnen. Männer, Frauen und Kinder sind frei, öffnen sich füreinander und für Fremde. Sie sind nicht gefangen in einer Sprache, die sich als die einzig mögliche gibt, und sie kennen größere Lieder als die der Heimatkapellen. Sie teilen mit denen, die ihre Heimat zurücklassen mussten.

Zu fürchten ist, dass der Wunsch nach einfachen Antworten und einer Abschottung gegen Fremde stärker ist, als die Sehnsucht nach einem umfassenden Frieden für alle. Vor allem für die, die vor Krieg in ihrer Heimat geflohen sind. Als Christ weiß ich: Gott hat mir gerade die Sehnsucht nach umfassendem Frieden und Ruhe ins Herz gelegt. Ich vertraue seinem Versprechen von einer ewigen Heimat. Und ich fühle mich vom Himmel herausgefordert, Gott hier auf der Erde die Ehre zu geben: in meinem Denken und Handeln. Darin, allen Menschen ein Leben in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Denn es ist richtig, was der Dichter Georg Baron von Örtzen einst sagte:

Sprecherin: „Wir sichern uns die Heimat nicht durch den Ort, wo, sondern durch die Art, wie wir leben!“ (Georg K.F.Th.L.Baron von Örtzen (1829-1910), deutscher Lyriker, Epigrammatiker und Spruchdichter)

Autor: In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute einen gesegneten Sonntag. Lassen Sie sich von der großen Sehnsucht und Himmelsbild von der friedlichen Heimat für alle bewegen und Gott im Reden und Tun die Ehre geben. Das wünscht Ihnen Pfarrer Rüdiger Schnurr von der evangelischen Kirche aus Hilchenbach.

Musik 5 = Musik 2 Ich bin ein Gast auf Erde

Musik 1 und Musik 3:

CD-Name: Canzone Della Strada

Titel:Per il mio Amore

Track-Nr.: 12

Interpret:Quadro Nuevo:

Mulo Francel: Saxophone, Klarinetten, Mandoline, D.D. Lowka: Kontrabass, Perkussion, Andreas Hinterseher: Akkordeon, Vibrandoneon, Bandoneon, Evelyn Huber:Harfe, Salterio,

Komponist:Quadro Nuevo

Arrangeur:Quadro Nuevo

Verlag:Glm Music Gmbh (Soulfood) 2002

LC: LC 11188 (FineMusic).

Musik 2, Musik 4 und Musik 5:

CD-Name: Gast auf Erden

Titel:Ich bin ein Gast auf Erden

Track-Nr.: 10

Interpret:Sarah Kaiser

Komponist:Hans Leo Hassler 1601

Arrangeur:Samuel Jersak, Sarah Kaiser

Texter:Paul Gerhardt 1666/67

Melodie: O Haupt voll Blut und Wunden

Verlag:Gerth Medien (Gerth Medien)

ASIN: B0083CZQKG

LC: 13743

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