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Kirche in WDR 5 | 22.03.2017 | 06:55 Uhr

Ort des Trostes

Guten Morgen,

im Mai 2015 habe ich mit einer Delegation ein Flüchtlingslager im Nordirak besucht. Dort leben bis heute Christen, die der sogenannte Islamische Staat aus ihrer Heimat in der Ninive-Ebene vertrieben hat. Von einem Tag auf den anderen waren sie gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Bis zu jenem Tag im August 2014 hatten sie ein ganz normales Leben geführt – mit seinen kleinen und großen Sorgen, mit Arbeit und mit Festen. Diese Männer, Frauen und Kinder – wurden von einem Augenblick auf den anderen entwurzelt. Eine Ordensschwester erzählte mir, wie sie kurz vor dem Einmarsch der Islamisten gerade noch auf einen Laster springen und so entkommen konnten. Und das nur, weil sie die muslimischen Nachbarn gewarnt hatten. Während sie im Wegfahren noch einen Blick auf das Kloster warf, konnte sie sehen, wie die ersten Männer dort eindrangen und es plünderten.

Die Ordensschwester erzählte davon, was es bedeutet, so entwurzelt zu sein, alles Vertraute verloren zu haben – die Menschen, mit denen sie dort gelebt und Gottesdienst gefeiert hat, die vertraute Umgebung, die Kapelle, die Klosterzelle, … Sie sprach von ihrer Sorge, dass die Kinder und Jugendlichen, die im Flüchtlingslager leben, zu einer verlorenen Generation werden – ohne Bildung und ohne Perspektive.

In den Zelten der Familien traf ich Väter, die ihre Frauen und Mädchen in der Gefangenschaft des sogenannten Islamischen Staates wussten und die ahnten, welches Martyrium sie dort erleiden. Nie werde ich die Verzweiflung und den Schmerz in ihren Gesichtern vergessen. Es war ein Tag voller Geschichten des Schreckens und der Hoffnungslosigkeit.

Am Ende aber führte mich die Ordensschwester zu einem Zelt inmitten des Wirrwarrs und des Lärms dieses Lagers. Es war die provisorische Kirche, mit einfachen Klappstühlen, einem Holztisch und einer Ikone als Altar. Dort haben die Schwester und ich gemeinsam das Salve Regina gesungen und jeder in seiner Sprache das Vater unser gebetet. Mitten in all dem inneren und äußeren Chaos war dies ein Moment der Stille und des Trostes, wie ich ihn selten zuvor gespürt habe. Und ich trage dieses Erlebnis bis heute tief im Herzen.

Ich habe mich in diesem Augenblick an das Zelt mit der Bundeslade erinnert, das das Volk Israel bei der langen Wanderung durch die Wüste immer mit sich führte. Die Bundeslade enthielt der Bibel zufolge die Steintafeln mit den Zehn Geboten, die Mose von Gott erhielt. Nachdem sie sich aus der Gefangenschaft in Ägypten befreien konnten und durch die Wüste zogen, galt diese Bundeslade für die Israeliten als Garant dafür, dass Gott mitten im Volk gegenwärtig ist: Ein Ort des Trostes.

Und nun stand ich in diesem Zelt, inmitten des Flüchtlingslagers im Nordirak. Eine provisorische Kapelle. Ob es für diese Menschen auf ihrer Flucht auch ein solcher Ort des Trostes gewesen ist? Ich denke schon.

Und ich glaube, jeder Mensch braucht einen solchen Ort. Aus dem Lärm und der Hektik des Alltags, aus dem Gefühl der Angst und Verzweiflung heraus und in das Zelt der Stille und des Trostes eintreten. Ich bin dankbar, dass es solche Orte auch für mich gibt – z.B., wenn ich am Grab des Kardinals von Galen im Münsteraner Dom einen Moment des stillen Gebetes halte, aber auch, wenn am Abend Ruhe einkehrt und ich einen Augenblick vor dem Kreuz verweile. Dann spüre ich etwas von dem Trost, den Gott mir schenkt. Dort kann ich manches Unvollendete und Misslungene in Gottes Hand legen und neu spüren: Er ist bei mir!

Aus Münster grüßt Sie herzlich Domvikar Jochen Reidegeld

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