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Das Geistliche Wort | 29.10.2017 | 08:35 Uhr

„Liebe und tu, was du willst.“

Eine Mutter erzählte mir einmal, ihr Sohn habe ihr mit ziemlich viel Herzklopfen anvertraute: „Mutter, ich bin verliebt, ich habe eine Freundin.“ Als die Mutter ihm auf den Kopf zu den genauen Zeitpunkt nannte, war der Sohn ziemlich verblüfft und fragte sie natürlich sofort, wie sie das wissen konnte. Darauf antwortete sie ihm: „Das habe ich einfach gespürt. Du bist seit dieser Zeit irgendwie anders; froher, lebendiger.“

Guten Morgen!

Wenn wir verliebt sind, dann ändert das alles. Die Welt erscheint in einem ganz neuen, in einem strahlenden Licht und wir wachsen buchstäblich über uns hinaus. Innerlich fühlen wir uns ganz stark und unverwundbar. Die ganze Welt könnten wir umarmen. Schmetterlinge im Bauch!

Nur wissen wir auch allzu gut, dass dieser Zustand nicht ewig dauert, auch wenn ich mir und uns wünsche, dass wir uns immer wieder einmal verlieben.

Wunderbar und kostbar ist es, wenn aus dem Verliebt-Sein mit und mit tiefempfundene Liebe wächst.

Aber was bedeutet eigentlich lieben, einen anderen Menschen ganz und gar lieben? Und persönlich frage ich mich darüber hinaus: Was bedeutet es eigentlich, Gott zu lieben?

Ich meine, Gott lieben, das ist nichts völlig anderes, als einen anderen Menschen zu lieben. Wer einen anderen Menschen liebt, der will ihn treffen, sucht immer wieder Gelegenheiten, um mit dem Geliebten, der Geliebten zusammen zu sein, zu sprechen, sie oder ihn zu spüren. Genau so stelle ich mir das mit Gott vor: Ich will mit ihm zusammen sein mit ihm sprechen durch beten und Gottesdienst feiern oder auch im Lesen oder hören der Heiligen Schrift. Mehr noch: Ich kann auf seine Stimme hören in mir, auf die Stimme, die mir sagt: Das ist jetzt für mich dran, das sollte ich jetzt tun. Wenn ich anfange auf diese Stimme in mir zu hören, dann beginne ich, auf IHN, auf Gott zu hören. Und wenn ich anfange, das zu tun, was ich als Gottes Willen für mich erkannt, vielleicht nur erahnt habe, dann – so glaube ich zutiefst – beginne ich bereits, Gott zu lieben.

Vielleicht klingt das Folgende jetzt etwas sonderbar: Aber wenn ich über die Liebe nachdenke, kommt mir mein Klavierunterricht in den Sinn. Meinem Klavierunterricht verdanke ich nämlich meine Liebe zur Musik. Ich bin zwar kein begnadeter Pianist geworden, aber die Musik bedeutet mir seitdem sehr viel. Und das, was ich im Klavierunterricht über Musik gelernt habe, hat für mich viel mit Liebe zu tun.

Musik I (Piano Poesie)

Die Musik lehrt mich Wesentliches über die Liebe. Im Klavierunterricht habe ich mich damals nämlich auch mit der Harmonielehre beschäftigt, mit Dreiklängen in Dur und Moll. Oft sind diese Dreiklänge wie tragende Elemente in der Musik. Und so ist der Dreiklang für mich ein Bild geworden für das tragende in meinem Leben. Konkret wird das für mich in einem Dreiklang besonderer Art, von dem die Bibel erzählt. Dort fordert Jesus einmal (Mt 22, 37-39):

Sprecher:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen deinen Gedanken. Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

In diesem Text, den der Evangelist Matthäus geschrieben hat, erfahre ich etwas über die Harmonielehre Jesu. Jesus hat eine Harmonielehre ganz eigener Art entwickelt. Sie ist ein großer Dreiklang, bestehend aus den Tönen:

Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe.

Ich fühle mich eingeladen, diesen Akkord im eigenen Leben anzuschlagen oder anschlagen zu lassen. So kann der Dreiklang zum tragenden Element meines Lebens werden, eben zu einer Harmonie: Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe!

Aber: So wie die Harmonielehre verminderte und übermäßige Akkorde kennt, so kann dieser Dreiklang, dieser harmonische Akkord auch vermindert oder übermäßig sein.

Und das heißt: Wenn ich den Nächsten weniger liebe als mich selbst, laufe ich Gefahr, egoistisch zu werden. Liebe ich den anderen mehr als mich selbst, kann es sein, selbst zu kurz zukommen, mich selbst nicht angemessen wahr zu nehmen und wert zu schätzen und letztlich unglücklich zu werden.

Die Harmonie kann auch verloren gehen, wenn der Grundton nicht stimmt, will heißen: die Gottesliebe zum Misston wird, wenn ich das Gespür für das Geschenk des Lebens verliere und mein Bemühen, mit Gott im Gespräch zu bleiben … verloren geht. Dann verzerren sich letztlich auch Nächstenliebe und Selbstliebe.

Mir ist es wichtig, dass der Grundton stimmt, dass ich mit Gott im Gespräch, in Beziehung bleibe. Umgekehrt bleibt aber die Liebe zu Gott auch unvollständig, ja gefährdet, wenn ich mich selbst nicht annehmen und lieben kann. Und wenn ich mich nur in der Nächstenliebe erschöpfe, laufe ich Gefahr, in der selbstlosen Liebe zum andern mich selbst los zu werden, mich selbst zu verlieren.

Der Psychologe und Philosoph Erich Fromm hat einmal zurecht gesagt: „Wer nur andere lieben kann, der kann überhaupt nicht lieben.“

Denn wenn ich nur die anderen liebe, dann kann es passieren, dass ich mit meinen Talenten und Fähigkeiten regelrecht verkümmere. Das kann Jesus mit dem Gebot der Nächstenliebe sicher nicht gemeint haben. Und das hat offensichtlich auch der Evangelist Matthäus richtig verstanden, wenn er von der notwendigen Einheit der Gottes-, der Nächsten- und der Selbstliebe spricht.

Musik II

Dieser biblische Dreiklang von Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe klingt für mich nur dann harmonisch, wenn alle drei Töne gleichzeitig zum Klingen gebracht werden. Von mir selbst weiß ich aber leider auch, dass es gar nicht so leicht ist, vor allem den letzten Ton, die Selbstliebe, nicht zu vergessen. Ich empfinde es als herausfordernd und muss es immer noch und immer wieder neu lernen und einüben: ich muss mich selbst annehmen, ja, lieben. Dabei hilft mir, Zeiten im Alltag einzuplanen, in denen ich zu mir selbst komme. Der Beginn des Tages, den ich in Ruhe beginne hilft mir dabei, mit einer Geste, einem Gebet, einem guten Gedanken – z.B. aus dem Neuen oder Alten Testament.

Eine weitere Möglichkeit ist es, den Tag durch eine Pause am Mittag zu unterbrechen oder den Tag bewusst zu beenden und noch einmal nach zu empfinden, was mich beschäftigt, gefreut, geärgert oder enttäuscht hat, wofür ich dankbar bin.

Alle diese Hilfen – so möchte ich sie einmal nennen – helfen mir, besser und tiefer bei mir, in mir zu sein, im Kontakt mit meinen innersten Gefühlen und Regungen. Und ich möchte behaupten: Je mehr ich in dieser Weise bei mir bin, umso mehr bin ich im Gespür dafür, dass Gott mir immer schon ganz nah ist, ja in mir lebt. So gesehen liest sich der Dreiklang auch andersherum: Selbstliebe, Nächstenliebe und Gottesliebe. Aber es gilt immer wieder den ganzen Dreiklang einzuüben.

Der heilige Augustinus hat einmal formuliert: „Liebe – und dann tu, was du willst.“

Ich verstehe diesen Satz des heiligen Augustinus so: Ein Mensch, der liebt: Gott, den Nächsten, sich selbst, der wird das Gute tun, was immer er auch unternimmt. Das ist keineswegs ein Freibrief: „Tu, was du willst!“, sondern die Voraussetzung lautet: „Liebe!“

Das bedeutet für mich, ein Suchender, ein Übender zu sein und zu bleiben. Es bedeutet für mich, liebevoll, barmherzig mit mir zu sein. Und wenn ich das für mich immer mehr verinnerliche, werde ich entsprechend liebevoll, nachsichtig, barmherzig mit den anderen umgehen.

Es geht letztlich darum, mich zu wandeln und dass ich immer mehr verwandelt werde in einen immer liebenderen Menschen. In der christlichen Mystik heißt es daher: „In unserer Selbstliebe ereignet sich die Menschwerdung Gottes.“

Musik III

„Liebe, und dann tue, was du willst.“

Lieben hat für mich mit Einfachheit, Unbefangenheit zu tun – und das zeigt sich im Umgang mit anderen: Ich möchte dem anderen absichtslos begegnen, ihn freilassen, ihn in seinem So-Sein, in seinem Anders-Sein schätzen und achten und nicht etwas mit ihm und aus ihm machen wollen. Wenn ich das so sage, dann entspringt das meiner Überzeugung, dass Gott selbst so handelt und uns Menschen Raum lässt und uns annimmt wie wir sind.

Das wird mir in so vielen Worten, Gesten und Taten Jesu mehr als deutlich. Jesus überrumpelt und überrollt niemand, sondern er fragt: „Was willst Du, dass ich Dir tun soll?“

Jesus bietet mir einen Weg an wie ich wirklich frei, heil, ja, wie ich letztlich glücklich werden kann. Die Entscheidung aber liegt bei mir. Besonders klar geworden ist mir das durch die biblische Erzählung von der Begegnung Jesu mit einem reichen jungen Mann, der ihn fragt (Vgl. Mt 19,16-22): „Was muss ich tun, um das Leben, das ewige Leben, ich könnte auch sagen: das glücklich machende Leben zu erlangen?“ Nachdem klar ist, dass dieser junge Mann alle religiösen Weisungen erfüllt, sagt ihm Jesus: „Eins fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du hast, und gib das Geld den Armen.“ Woraufhin der junge Mann traurig weggeht, weil er das nicht, vielleicht noch nicht, kann.

Ein Beispiel dafür, dass Jesus einlädt, Vorschläge macht, wie ich loslassen kann, frei, freier, heiler werde und damit glücklicher. Jesus zeigt mir: So ist Gott. Gott lädt mich ein, aber entscheiden muss ich selbst!

An dieser kleinen Erzählung wird mir deutlich: Leben hat mit Entschiedenheit zu tun, und so hat auch Lieben mit Entscheidung zu tun. Vielleicht hört sich das zunächst fremd an. Wenn ich ein liebender Mensch sein will, muss ich mich dazu entscheiden. Es ist nicht nur und nicht bloß ein Gefühl, eine Emotion, die ich jetzt im Augenblick in mir spüre und die morgen schon wieder verschwunden ist. Es ist mehr als das Verliebt-Sein!

Liebe braucht Entschiedenheit. Und wenn der heilige Augustinus sagt: „Liebe und dann tue, was du willst“, dann verbindet er damit auch die Notwendigkeit einer Form, sozusagen einer Liebes-Ordnung. Er sagt:

Sprecher:

„Die Liebe ist nicht gegen, sondern für die Ordnung. Demnach liegt derjenige falsch, der sich einfach nur auf seine – wirklichen oder vermeintlichen – Liebesregungen verlassen will, ohne seinem Leben die nötige Form zu geben...“

Musik IV

„Liebe und dann tue, was du willst“. Man könnte auf die Idee kommen, dass es Augustinus mit diesem Satz vor allem darauf ankommt, aktiv zu werden, los zu legen und helfend, unterstützend, eben liebend aktiv zu sein.

Das ist ja auch nicht ganz falsch. Aber es ist der zweite Schritt. Für mich entscheidend ist zunächst und vor allem, dass ich mich selbst geliebt weiß, dass ich glauben kann, dass Gott mir zu verstehen gibt: Es ist gut, dass es dich gibt, dass es dich so gibt wie du bist. Wenn ich das im Tiefsten glauben kann, mich angenommen weiß, dann kann ich nicht anders als liebend unterwegs zu sein: auf Gott hin, den anderen, auf mich selbst hin.

„Liebe und dann tue, was du willst.“

Mit diesem wunderbaren Satz des Augustinus wünsche ich Ihnen einen schönen und gesegneten Sonntag mit liebevollen Begegnungen.

Ihr Frank Reyans aus Grefrath

Musik V (Abspann)

Reinhard Mey, „Liebe ist alles. Liebe ist mehr.“

*Vgl. Franz Kamphaus, Tastender Glaube, S.172.

** Vgl. Wolfgang Raible, Predigten für die Sonn- und Feiertage im Lesejahr A, 241/242.

*** Erich Fromm, Die Kunst des Liebens, Frankfurt am Main, 60. Auflage 2003.

****Zitiert nach Pierre Stutz, geborgen und frei. Mystik als Lebensstil, S.100.

***** P. Bernward Deneke, "Liebe - und dann tue, was du willst", http://www.kath-info.de/liebe.html, abgerufen am 04.10.2017.

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