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Das Geistliche Wort | 22.10.2017 | 08:35 Uhr

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Luther zum Lachen

Autor: „Wo Glaube ist, da ist auch Lachen“. Martin Luther, Reformator der Kirche.

Musik 1: Jürgen Becker - Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin:

Kein Weihrauch, keine Witze, keine Heiligen in Stein, immer alles ernst gemeint, das passt nicht an den Rhein, fünfundneunzig Thesen, die sind uns viel zu viel, wir brauchen 100 Tresen und 'nen Tisch fürs Kartenspiel…

Autor: Ach jaaa, der alte kölsche Karnevalsschlager von Jürgen Becker - echt zum Lachen!

Musik 1: Jürgen Becker - Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin:

Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin, die haben doch nix anderes als Arbeiten im Sinn…

Autor: Klingt schon arg böse für protestantische Ohren. Aber „ohne ein bisschen Bosheit ist es unmöglich, witzig zu sein“. Sagt ein altes irisches Sprichwort. Das haben sich auch die evangelischen Kabarettisten mit dem schönen Namen „Klüngelbeutel“ gedacht. Sie sind dem Lied mal auf die Spur gegangen - jetzt aktuell zum Reformationsjubiläum. Dabei ist Erstaunliches herausgekommen, finden der evangelische Pfarrer Dietmar Silbersiepe, Autor dieser Sendung, Willibert Pauels von der katholischen Kirche und Konrad Beikircher, der südtiroler Rheinlandversteher. Aber jetzt zuerst: die Herren Schwader und Lapp alias Ulrike und Wolfram Behmenburg vom Klüngelbeutel aus Köln!

Lapp:

„Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin. Die haben doch nix anderes als Arbeiten im Sinn. Als Katholik da kannste pfuschen, dat eine ist gewiss: am Samstag gehste beichten, und fott ist der janze Driss.“

Schwader: Du, das kenn ich doch, das Lied. Das ist doch von dem Jürgen Becker, dem Kölner Kabarettisten.

L: Nee, nix, Jürgen Becker. Das habe ich bisher auch gedacht. Aber nee, Schwader, in Wirklichkeit ist das Lied ein uraltes Kölner Kulturgut.

Sch: Was?

L: Ja, pass auf, wir hatten doch mal dieses schöne Stadtarchiv von Köln -

Sch: - das dann in die U-Bahn-Baustelle gestürzt ist.

L: Genau, und da hat man beim Aufräumen jetzt Sachen gefunden, von denen wusste man bisher gar nicht, dass man sie hatte.

Sch: Das ist normal. Das nennt man in Köln Kulturpolitik.

L: Ja, und eine von den Überraschungen, die man da jetzt gefunden hat, war das Lied: „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin“. - Guck mal hier, diese ganzen historischen Blätter (blättert).

Sch: Ja, und auch alles noch hier unterschiedliche Versionen von dem Lied mit anderen Jahreszahlen drauf.

L: Ja, ich sag ja: altes Kölner Kulturgut.

Sch: Aber sag mal, hier steht drauf: Von Jupp Schmitz, Kölner Dombaumeister 1730. Dombaumeister? Es heißt doch immer, die Kölner hätten jahrhundertlang gar nichts mehr gebaut an ihrem halbfertigen Dom?!

L: Ja, na und? Deswegen kann man doch trotzdem einen Dombaumeister haben! Wir sind in Köln, ja. Der muss ja nicht in echt was bauen. Der muss ja nur den Titel tragen, das ist ja auch schon schwer genug, ne. Und deswegen war der ja auch so froh, dass es das Lied gab, und er als Katholik konnte singen (singt): „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin. Die haben doch nix anderes als Arbeiten im Sinn.“

Sch: Ja, verstehe, und wir können heute froh sein, dass dann die Preußen kamen, ja, und dass die evangelisch waren. Die haben uns ja dann den Dom ruckzuck fertig gebaut.

L: Ja, sonst hätte der Dom wahrscheinlich bis heute noch keine Türme.

Sch: So, ja und was haben wir denn hier noch für alte Versionen? Also hier steht: Erzbischof Maximilian, 1802.

L: Pass auf, die Version von dem Erzbischof, die ist auch schön, die klingt so (singt): „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin. Die ha‘m doch nix als Frauen-Gleichberechtigung im Sinn. Als Katholik, da weiß dein Frauchen, wo es hingehört, an den Herd, nicht auf die Kanzel, wo die Mama uns nur stört.“

Sch: Okay, ist klar, für die Kölner Normalreligion ist das ja bis heute die große Anfechtung: Frauen am Altar. Sind ja auch die Protestanten dran schuld. Ja, und hier dieses vergilbte Liedblatt da?

L: Das ist von 1529, siehst du, steht da drauf, das ist glaub ich, die älteste Fassung von dem Lied, die man überhaupt kennt, ne.

Sch: 1529 - das war doch, als in Köln die ersten Evangelischen aufgetaucht sind, richtig?

L: Genau, Adolf Clarenbach und Peter von Fliesteden.

Sch: Und hat man die nicht am Ende auf dem Melatenfriedhof verbrannt?

L: Ja, so ist es, ne. Die Zwei haben eben den Fehler gemacht, mitten im hillije Kölle öffentlich von Luthers Entdeckungen in der Bibel zu erzählen: Freiheit eines Christenmenschen und solche Sachen.

Sch: Nä, ist klar, so was lässt sich der Kölner ja nicht bieten.

L: Ja, und deshalb haben der Rat der Stadt Köln und der Erzbischof gemeinsam diese ersten Kölner Protestanten verhaftet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Sch: Ja, und wie man die Kölner so kennt, sind die wahrscheinlich alle da hin und haben sich das Schauspiel angeguckt.

L: Klar, den FC gab es ja noch nicht. Da ging man eben nach Melaten, Hinrichtungen gucken.

Sch: Ach, und weil man am Rhein bei solchen geselligen Anlässen auch immer schnell ein Lied parat hat, ist bei dieser Gelegenheit sicher die Ur-Version von dem Lied entstanden.

L: Ja, so wird es vermutlich gewesen sein. Komm, Schwader, das singen wir zwei jetzt mal zusammen, weil es doch so schön historisch-kölsch ist.

S+L (singen): „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin. Die ha‘m doch nur dem Luther seinen Bibelkram im Sinn. Wir Kölner glauben römisch und halten unsern Mund. Denn für irgendetwas brennen, das ist nicht sehr gesund.“

Sch: Du, Lapp, weiß das eigentlich der Jürgen Becker, was das für ein Lied ist, das er da immer so singt?

O-Ton Pauels: Tja - so isser, der Jürjen, frech wie Dreck, aber liebenswert. Un die Klüngels beuteln ja auch janz schön zurück! Dabei hab ich dat Lied in einer viel entspannteren Erinnerung im Kopp.

Autor: Erzählt der bergische Jung, Willibert Pauels, katholischer Diakon im Oberbergischen und Clown im Kabarett.

O-Ton Pauels: Also dat war so: Ich habe das lästerliche Lied mal ins Telefon gesungen auf ner Wanderung an der Nahe vor der Ruine des Klosters Disibodenberg. Das war an einem Samstagmittag eine Liveschalte für das Domradio in Köln. Ich singe also laut vor mich hin in mein Handy: „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin“. Und da war gerade in der Nähe ein Lehrer mit seiner Schülerschar, die haben das mitgekriegt. Ich hab dann dem Lehrer nachher zur Erklärung gesagt: Das war eine Live-Reportage, aber ich finde es toll, dass Sie mit ihren Schülern am Samstag einen Ausflug machen. Darauf mein Gegenüber: „Das sind nicht meine Schüler. Ich bin auch kein Lehrer. Ich bin evangelischer Pastor, und das sind meine Konfirmanden“. Ich wurde knallrot und druckste: „Och, ist mir das peinlich“. Und was antwortet dieser wunderbare Mensch? „Keine Sorge. Erst wenn wir über uns selbst lachen können, haben wir die Stufe der Weisheit und Reife erreicht“.

„Mannomann“, sag ich, „dat haben se aber schön jesacht, sie könnten katholisch sein“. Worauf wir beide in lautes Lachen ausbrachen. Nichts Trennendes war in diesem Augenblick zwischen uns. Und das ist die eigentliche Pointe der Geschichte.

Autor: Martin Luther würde herzhaft mitlachen und uns erklären: So zeigt sich die Freiheit eines Christenmenschen von ihrer schönsten Seite: dass wir, befreit durch Gottes Gnade, getrost über uns selbst, unsere Stärken und Schwächen lachen können.

O-Ton Pauels: Fundamentalisten und in sich selbst verliebte Herrscher können das leider nicht. Und das ist schade und traurig. Wer über sich selbst lachen kann, kann kein Despot sein oder grausam oder böse.

Musik 2: Dieter Falk - A Tribute to Martin Luther, Nun freut euch

Autor: „Nun freut euch lieben Christeng’mein und lasst uns fröhlich springen, dass wir getrost und all in ein mit Lust und Liebe singen“, ein Lied aus dem 16. Jahrhundert, Text und Melodie: Martin Luther. Und das wollen wir ja nun auch mal klarstellen: Dass die Protestanten gerne pflichtbewusst und ernst sind, das hat ja auch seine guten Seiten. Dass sie mit Lust und Liebe auch schon mal ihre Probleme haben können, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, aber auch ein Vorurteil aus alten Zeiten. Dabei hätten sie sich von ihrem Gewährsmann aus Wittenberg immer schon abschauen können, wie das gut zusammengeht: ernst und streng in der Sache - genießerisch in den gottgeschenkten Freuden des Lebens.

O-Ton Beikircher: Er hat gerne gegessen, er hat gerne getrunken, er war dem Diesseitigen sehr zugetan. Er war eigentlich schon ein Genussmensch.

Autor: Weiß der Kabarettist Konrad Beikircher über den Augustinermönch und Doktor der Theologie Martin Luther.

O-Ton Beikircher: In fast allen Briefen, die er von den Reisen an seine Frau schreibt, schreibt er, „dat Bier hier schmeckt furchtbar“ und er „freut sich auf das heimisch gebraute Bier“ und so. Also, er war ein diesseitiger Mensch.

Autor: Hat ihn allerdings viele innere Kämpfe gekostet, bis er so weit war. Die Angst vor dem Jenseits, vor dem Fegefeuer und der Hölle hat ihn lange gelähmt, bis er dem Ablasshandel, dem päpstlichen Geschäft mit der Angst, den Garaus machte.

O-Ton Beikircher: Ich bin ganz sicher, würde er heute sehen, was aus seiner Kritik am Papsttum geworden ist, dass da ein eigener Zweig, ne eigene Kirche draus entstanden ist, ich glaub, das fänd er gar nit mal so wirklich toll, inhaltlich sicher, aber in der Form vielleicht nit ganz so. Aber auf jeden Fall würde er dem Ernst sicher ganz gerne das Essen, das Trinken, Lieder singen und ‘ne gute Zeit miteinander haben entgegenhalten.

Autor: Deswegen lautet ja auch in der Evangelischen Kirche im Rheinland das Motto zum Lutherjubiläum: Vergnügt-erlöst-befreit. Nach einem Psalmgedicht des unvergessenen Protestanten vom Niederrhein Hanns Dieter Hüsch, vorgetragen von dem Diakon aus dem Bergischen und dem Klüngelbeutler aus Köln:

O-Ton

Pauels: Ich bin vergnügt, erlöst, befreit. Gott nahm in seine Hände meine Zeit, mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen, mein Triumphieren und Verzagen, das Elend und die Zärtlichkeit.

Behmenburg: Was macht, dass ich so fröhlich bin in meinem kleinen Reich? Ich sing und tanze her und hin vom Kindbett bis zur Leich.

Pauels: Was macht, dass ich so furchtlos bin an vielen dunklen Tagen? Es kommt ein Geist in meinen Sinn, will mich durchs Leben tragen.

Behmenburg: Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält? Weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt.

Autor: Auch über mich selbst und meine Kirche. Damit wir uns nicht selber zu wichtig nehmen und die Heiligkeit Gottes mit der gefühlten Heiligkeit der Kirche verwechseln.

Bei den Katholiken gibt’s da immer noch Nachholbedarf – oder?

O-Ton Pauels: Dat könnte man so sagen.

O-Ton Behmenburg: Bei uns Protestanten aber manchmal auch, Willibert, wir glauben zwar nicht an die Unfehlbarkeit des Papstes, aber verbissene Wichtigtuer im Kleinformat, die kennen wir auch.

Autor: Solange die Protestanten über den Spott von katholischen Karnevalsliedern lachen können und die Katholiken über protestantische Retourkutschen ausgerechnet aus Köln, solange ist nichts verloren. Denn so lacht ja auch jeder ein Stück über sich selbst. Am besten, sie lachen gemeinsam - wie der evangelische Pastor mit dem katholischen Diakon auf der Wanderung an der Nahe oder Jürgen Becker mit den Klüngelbeutels. Er soll sich köstlich über deren Funde aus der Kölner Unterwelt amüsiert haben. „Wo Glaube ist, da ist auch Lachen“ - Lachen über Mögliches und Unmögliches in der Kirche und in der Welt, und dabei immer auch: entspanntes Lachen über sich selbst, die eigene Kirche und das eigene kleine Reich.

Eine schöne, eine wichtige Lektion für alle in sich selbst verliebten Präsidenten und Prälaten, Politiker, Kirchenleute, und Menschen wie Du und ich.

Einen frohen Herbstsonntag wünschen Ihnen der Autor dieses Beitrags, Pfarrer Dietmar Silbersiepe aus Erkrath-Hochdahl, und Traugott Vitz von der Evangelischen Kirche.

Musik 2: Dieter Falk - A Tribute to Martin Luther, Nun freut euch

Erstveröffentlichung der Persiflage auf das Karnevalslied von Jürgen Becker „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin“ der Kabarettgruppe Klüngelbeutel (in einer erweiterten Fassung): Luther und die Burkafrau - Der KLÜNGELBEUTEL-Blog zum Reformationsjubiläum 2017, https://www.kluengelbeutel-blog.de/category/schwader-lapp/

Uraufführung: Donnerstag, 05.10.2017, Historisches Rathaus Köln, im Rahmen einer Veranstaltung zur Toleranz-Ausstellung im Historischen Archiv der Stadt Köln:

Hilliges Köln 2.0 - Toleranz im Update, 6. April bis 12. November 2017,

http://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/presse/eine-tolerante-gesellschaft

Musik 1:

DVD: Jürgen Becker, Ja, was glauben Sie denn? Ein Religions-TÜV (Mitschnitt aus dem Alten Wartesaal in Köln), Track 20: Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin, Interpret: Jürgen Becker, Komponist: Martin Holländer, Text: Jürgen Becker/Norbert Alich, Label: Alive - Vertrieb und Marketing 2009, EAN: 9783462810073

Musik 2:

CD: Dieter Falk, A Tribute to Martin Luther, Track 4: Nun freut euch lieben Christeng’mein, Text und Musik: Martin Luther (1483-1546), Bearbeitung und Interpret: Dieter Falk, Label: Universal Music Classics 2016, LC: 50415, EAN: 0028947962892

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