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Das Geistliche Wort | 12.11.2017 | 08:35 Uhr

Ars moriendi – Die Kunst des Sterbens

Gut vorbereitet? Diese Frage habe ich vor einigen Jahren auf einem Plakat gelesen. Und sie hat mich neugierig gemacht! Worauf denn gut vorbereitet? Ich war überrascht: „Gut vorbereitet? Die Kunst des rechten Sterbens.“ Das Plakat hat auf eine Ausstellung hingewiesen, die im Jahre 2008 im Landesmuseum für Klosterkultur im ostwestfälischen Dalheim stattgefunden hat.

Guten Morgen!

Die Kunst des rechten Sterbens… Gezeigt wurden in der Ausstellung unterschiedliche Exponate aus der langen Tradition der Klöster, die vom Umgang mit dem Tod und dem Sterben erzählten. Mich hat die Ausstellung damals fasziniert, weshalb ich mich nach so langer Zeit heute am Volkstrauertag noch genau an das Plakat erinnere. Faszinierend fand ich neben den vielen Ausstellungsstücken, wie offensiv hier ein für uns Menschen existentielles und letztlich immer aktuelles Thema angegangen wurde und zum Nachdenken anregte. Denn Sterben müssen wir ja alle einmal.

Musik I

Die Kunst des rechten Sterbens. Sehr unterschiedlich gehen Menschen in unserer Zeit mit dem Thema Sterben und Tod um. Die einen wollen gar nichts davon wissen und verdrängen das Thema. Andere werden gar nicht damit fertig, wenn jemand stirbt. Und Das ist in so einer Situation schwieriger als zu handeln und aktiv zu sein. Der Tod bremst aus – nicht nur den Sterbenden!

Der Tod ist ein ungeliebter Zeitgenosse. Irgendwie allgegenwärtig, vergeht kaum kein Abend, wo wir nicht in den Nachrichten und in Fernsehfilmen mit Tod und Sterben konfrontiert werden. Aber hier ist er uns in der Regel fern, weil wir meistens nicht persönlich davon betroffen sind. Und im Alltag? Da gilt oft, bloß möglichst wenig über Tod und Sterben reden. Ich will ja leben! Da will ich mir die Freude am Leben doch nicht vermiesen lassen durch den Tod. Am besten: der Tod wird verbannt. Das war aber nicht immer so.

Im Zuge der Neugestaltung des Paderborner Domplatzes stießen Bauarbeiter vor einiger Zeit auf den alten Domfriedhof, der über Jahrhunderte mitten in der Stadt war. Aus hygienischen Gründen wurde er vor fast 200 Jahren geschlossen. So ein Friedhof mitten in der Stadt hatte durchaus etwas Positives: Die Menschen hatten die Vergänglichkeit und Begrenztheit des Lebens ständig vor Augen. Vor den Augen der Stadtbevölkerung wurden Gräber ausgehoben, Leichen beigesetzt und Gräber wieder zugeschüttet. Allein die Leichenzüge, die durch die Stadt gingen waren nicht zu übersehen. Heute sind die Friedhöfe leider oft weit vor den Städten. Und die Friedwälder, die sich neuerdings großer Beliebtheit erfreuen, sind oft noch weiter von den Dörfern und Städten entfernt.

Und gestorben? Gestorben wurde früher in der Familie, im Haus, wo selbstverständlich mehrere Generationen unter einem Dach lebten. Ich selbst erinnere mich noch gut an ein Ereignis meiner Kindheit. Eine Großtante starb im Kreis der Familie und zwar zu Hause auf einem Dorf in der Nähe von Paderborn. Und nicht nur das! Der Sarg blieb bis zur Beerdigung im Wohnzimmer stehen. Die Nachbarn kamen um sich zu verabschieden und um zu beten. Und das haben wir als Familie natürlich auch gemacht. Ich war damals acht Jahre alt und erinnere mich immer noch daran.

Auch die Beerdigung fand vom Trauerhaus aus statt. Der Sarg wurde aus dem Haus in einer Prozession zur Kirche getragen. Heute gibt es so etwas eigentlich gar nicht mehr. Schade, denke ich manchmal.

Musik II

Den Menschen früherer Zeiten stand der Tod näher als uns, ob sie es wollten oder nicht. Die hohe Kindersterblichkeit, geringere medizinische Möglichkeiten, eine niedrigere Lebenserwartung all das machte den Tod zu einem Begleiter des Lebens. Im Mittelalter war dies ganz besonders der Fall. Krieg, Pest und andere Seuchen löschten ganze Familien und Dörfer aus. Die Menschen hatten Angst vor einem unerwarteten Tod. Denn ohne Sterbesakramente zu sterben hieß als Sünder ohne Beichte vor den himmlischen Weltenrichter zu treten. Und damit war die Möglichkeit groß, ins Fegefeuer oder sogar in die ewige Verdammnis zu geraten. Das bedrückte die Menschen.

Kein Wunder, dass es Gegenstrategien gab: Der hl. Christophorus oder der hl. Josef wurden angerufen gegen einen unvorbereiteten Tod oder mit der Bitte um ein gutes Sterben. Der tägliche Anblick übergroßer Darstellungen des hl. Christophorus, wie sie im Dom zu Paderborn und im Münsteraner Dom zum Beispiel zu finden sind, sollte die Menschen erinnern: Christophorus bewahre mich vor einem unvorbereiteten Tod.

Die Kunst des Sterbens, die Ars Moriendi entstand zu dieser Zeit. In Literatur und Kunst, in bildlichen Darstellungen sollte der Christ sich bereits zu Lebzeiten mit dem Thema Tod und Sterben auseinandersetzen, um nicht unvorbereitet und ohne christliche Begleitung sterben zu müssen. Nachdem die großen Pestwellen des 14. Jahrhunderts verebbt waren, pflegte die Bevölkerung einen zunehmend spielerischen Umgang mit dem Tod. Im Umfeld der städtischen Predigerklöster entstanden die sogenannten Totentänze. In den lebensgroßen Malereien führten Skelette als Personifikation des Todes Menschen zum Tanz. Alle Stände fanden dabei Berücksichtigung, vom feinen Adeligen über den angesehenen Bürger bis zum armen Leibeigenen. Der Tod tanzte mit allen. Die Menschen der damaligen Zeit erinnerten sich so an ihre eigene Sterblichkeit. Der Tod missachtet Stand und Alter, sein Erscheinen ist unumgänglich und unberechenbar.

Die Ars Moriendi Literatur erlebte während der Pestepidemien einen wahren Aufschwung. Oft wurden auch Bildfolgen gestaltet, die die zeitgenössische Vorstellung von den letzten Stunden eines Sterbenden illustrierten: der Teufel, der den Glauben anfechtet, die Engel und Heiligen die ihn vom Todkranken abwehrten. Die Bilder verdeutlichten, dass der Besitz angesichts des Todes an Bedeutung verliert. Denn mitnehmen können wir nichts! Das letzte Hemd hat keine Taschen, wie es der Volksmund heute noch sagt. Gerade die Klöster trugen zur Verbreitung der Lehre vom guten Sterben bei. Und genau diese Lebenshaltung übertrug sich auf die Menschen der damaligen Zeit. Mozart z. B., der große Komponist, schrieb 1787 an seinen schwerkranken Vater einen bemerkenswerten Brief. Darin ist vom Tod die Rede und von einer großen Liebe zum Leben. Mozart schreibt:

Sprecher:

„Ich lege mich nie zu Bette, ohne zu bedenken, dass ich vielleicht... den anderen Tag nicht mehr sein werde, und es wird doch kein Mensch von allen, die mich kennen, sagen können, dass ich im Umgang mürrisch oder traurig wäre.“

Die bewusste Wahrnehmung der eigenen Begrenztheit, ja die Aufgeschlossenheit gegenüber dem Tod, bedeutet für Mozart eine Intensivierung und Vertiefung des Lebens.

Musik III (Mozart, Requiem Lacrymosa)

Die Kunst des rechten Sterbens!

Gut vorbereitet? Natürlich bin ich gut vorbereitet. Die Sterbeversicherung ist abgeschlossen, Vorsorge mit dem Bestatter geregelt, ein Testament ist gemacht. Dann ist doch alles ok. Oder?

Ich glaube aber: Es geht um mehr! Sterben ist ein zutiefst menschlicher Akt, der gestaltet sein will. Ich kann das Sterben erlernen! Und wenn ich das Sterben erlernen kann, dann auch das Leben! Das in der christlichen Tradition lange praktizierte „Gebet um eine gute Sterbestunde“ ist ein bewährter Weg der nüchternen und gefassten Auseinandersetzung mit dem Tod. Wer so mit dem Tod umgeht und auf das Ende des irdischen Lebens zugeht, findet leichter den Weg zu einer gelassenen, ausgeglichenen, manchmal sogar unbeschwerten Lebenseinstellung.

Dann hat der Tod nämlich den Charakter einer stets im Nacken sitzenden Angst verloren, dann brauche ich nicht Angst haben ich könnte im Leben was verpassen, dann kann ich in größerer Normalität den Tod als Bestandteil des Lebens sehen. Im Umgang des Menschen mit dem Sterben und mit der unwiderruflichen Tatsache des Todes zeigt sich, „wes Geistes Kind“ ich bin. Der Umgang mit Tod und Sterben offenbart meine Einstellung zum Leben. Als Christen bin ich da besonders gefordert. Ich habe die unverzichtbare Aufgabe, in unserer Gesellschaft die Frage nach Sterben und Tod anzugehen und auf den christlichen Glauben zu verweisen. Das beginnt beim offenen Gespräch über die letzten Dinge von Sterben und Tod bis hin zur Kultur der Erinnerung an die Toten. Und es geht weiter bis zur Botschaft, die Jesus verheißen hat. Er sagt (Joh 11,25): Wer an mich glaubt wird leben, auch wenn er stirbt. Das ist keine Jenseitsvertröstung. Dann brauche ich nicht wie gelähmt auf den Tod zu starren, sondern der nüchterne Blick auf das Sterben und den Tod will mich zu einer guten Lebensgestaltung und -haltung anleiten. Mich persönlich bewahrt das vor dem Stress, im Leben etwas zu verpassen. Gott umgibt mich in Zeit und in Ewigkeit, im Diesseits und im Jenseits mit seiner unendlichen Liebe – davon bin ich überzeugt.

Von Jörg Zink stammt das der folgende Text, der mich bewegt, weil er mir zum Lebensbegleiter geworden ist. Er trägt die Überschrift: Das Zeitliche segnen:

Sprecher:

Es gibt ein schönes und wichtiges Wort,

das unsere Voreltern gebrauchten,

wenn sie ein gutes Abschiednehmen meinten.

Sie sagten: Er oder sie „segnet das Zeitliche“.

Der Sinn dieses Wortes ist uns verlorengegangen,

mit viel Anderem, das kostbar gewesen ist.

Segnen ist die Kraft, die Fruchtbarkeit bewirkt,

Wachstum und Gedeihen.

Segnen heißt das Leben fördern und bejahen.

So segnet der Abschied nehmende sein vergehendes Leben.

Er segnet das Zeitliche und alles, was er geliebt hat.

Er schaut alles noch einmal dankbar und freundlich an.

Er wendet seine abnehmenden Kräfte den Zurückbleibenden zu

Und gibt ihnen seine Liebe mit auf ihren weiteren Weg.

Er gönnt ihnen ihre weitere Zeit.

Er wünscht ihnen Glück. Er vertraut sie der Güte Gottes an.

So schließt er sein Leben in Liebe ab.

Und wird dabei zuletzt noch das Schönste,

das er werden kann:

ein Mensch, von dem Segen ausgeht.

Ein Mensch, von dem Segen ausgeht – bis in den Tod hinein. Das ist ein Trost – nicht nur heute am Volkstrauertag!

Musik IV

Aus Paderborn grüßt Sie

Ihr Domkapitular Andreas Kurte

*Jörg Zink, Ich werde gerne alt, Freiburg 2014, S. 39.

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