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Das Geistliche Wort | 01.11.2017 | 08:35 Uhr

„Ein Steinchen und viele Kirschkerne“

„Was ist eigentlich ein Heiliger?“, liebe Hörerinnen und Hörer.

Heute, am Allerheiligenfest, sei die Frage einmal gestattet. Heilig, Heiligkeit, ein Heiliger... Immer dann, wenn ich einer Sache auf den Grund kommen will, schlage im Duden nach und lasse mir die Wortbedeutung erklären. Und finde folgende Definition: „Ein Heiliger ist jemand, der sein Leben für den Glauben hingegeben oder die christlichen Tugenden heroisch gelebt hat und deshalb von den Gläubigen verehrt und um Fürbitte bei Gott angerufen werden darf.“

Na bitte, besser kann man es mit eigenen Worten gar nicht sagen. Und doch bleibt so eine nackte Definition irgendwie leblos. Daher möchte ich Ihnen erzählen, was es für mich bedeutet, ein Heiliger zu sein.

Musik I („Call to Remembrance“, Richard Farrant)

Was ist eigentlich ein Heiliger? Es ist ein heißer Tag im August. Ich bin in Rom und die Sonne brennt herab. Ich mache mich auf den Weg, links am Petersdom vorbei, zum Treffpunkt für die Besucher der Nekropole unterhalb des Petersdomes. Die Nekropole, das ist der antike Friedhof, auf dem der Apostel Petrus nach seiner Hinrichtung bestattet worden sein soll. Im 4. Jahrhundert wurde auf diesem Friedhof die konstantinische Basilika, der erste Petersdom, errichtet; heute steht an dieser Stelle der Petersdom, wie wir ihn kennen. Papst Pius XII. ließ Anfang der 40ger Jahre des letzten Jahrhunderts Ausgrabungen durchführen, und ein Teil des antiken Friedhofs wurde freigelegt; direkt unter dem großen Hauptaltar stieß man auf das vermutete Grab des Apostels Petrus. Mit einer Besuchergruppe steige ich hinab in die Totenstadt und gehe eine schmale steinerne Straße entlang. Seltsame Vorstellung, dass das vor 2000 Jahren mal alles an der Erdoberfläche war ... Und irgendwann befinde ich mich in der kleinen Kammer, direkt unter dem Hauptaltar des Petersdomes und sehe das Grab des Apostels. Mich erfasst ein „heiliger Schauer“. So nah dran an der Geschichte der Kirche und des Glaubens war ich noch nie.

Musik II („They are at Rest“, Edward Elgar)

Wie war noch gleich die Definition eines Heiligen: „Es ist jemand, der sein Leben für den Glauben hingegeben hat (...)“ .

Das trifft auf Petrus zu und auf alle ersten Märtyrer der Kirche; Märtyrer, ein altgriechisches Wort, das „Zeuge“ bedeutet. Aber es ist mehr gemeint als ein einfaches Zeugnis, was jemand ablegt. Märtyrer sind Blutzeugen, die für ihren Glauben in den Tod gehen konnten. Bei Petrus war es der Glaube an Jesus Christus.

Ich befinde mich noch immer in der Grabkammer. Ich bücke mich und hebe ein Steinchen von einem kleinen Schutthaufen auf. Das Steinchen ist etwa so groß wie die Hälfte meines kleinen Fingernagels. Ich umschließe ihn fest in meiner Hand. Um den Augenblick festzuhalten. Ich komme mir vor wie dieser, der hier bestattet wurde. Dieser Petrus war nämlich einmal mit Jesus auf einem Berg. Dort wurde ihm die Herrlichkeit Jesu gezeigt. So überwältigt will Petrus den kostbaren Augenblick festhalten, in Stein, und sagt zu Jesus: „Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija“ (Mt 17,4). Und genau so will ich meinen kostbaren Augenblick hier unten am Petrusgrab festhalten. Der kleine Stein in meiner Hand ist so etwas wie eine Reliquie, die mich auch in Zukunft an diesen Ort und diesen Moment erinnern soll. So gesehen sind Reliquien Brücken der Erinnerung und darüber hinaus: Sie stellen eine unmittelbare Verbindung her zwischen den Lebenden und denen, die uns zu Gott voraus gegangen sind, wie der heilige Petrus.

Musik III („Kyrie“ Requiem, OP.9, Maurice Duruflé)

Was ist ein Heiliger? Jemand, der für Jesus sein Leben hingibt. Gemeint sind aber nicht nur die Märtyrer der Antike, wie der heilige Petrus. Gerade in der dunklen Geschichte Deutschlands, zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, wurden in den Konzentrationslagern Zeugen für Christus umgebracht; Heilige wie Maximilian Kolbe, Edith Stein oder der selige Karl Leisner, der zwar die Hölle des Konzentrationslagers überlebte, aber wenige Monate darauf seinen schweren Erkrankungen erlag. Er steht, wie viele andere Opfer der Nazi-Diktatur, im Deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts verzeichnet.

Aber die Definition, was ein Heiliger ist, geht ja noch weiter: Ein Heiliger ist „jemand (...) der die christlichen Tugenden heroisch gelebt hat (...)“ . Es geht also auch anders, es muss nicht erst Blut fließen, sondern: Ich muss in meinem Leben die christlichen Tugenden heroisch, das heißt heldenhaft, sichtbar gemacht haben. Was das konkret heißt, erschließt sich für mich durch einen Text aus dem Neuen Testament. Der lautet: „Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld!“ (Kol 3,12).

Hört sich einfach an – ist es aber vielleicht nicht. Daher habe ich mich in der Propsteigemeinde in Borken, wo ich Pfarrer bin, einmal umgehört, was die Gemeindemitglieder zum Thema „Heilige“ zu sagen haben. Schönstatt-Schwester Hanna-Lucia sagt:

O-Ton Sr. Hanna-Lucia: „Heilige sind für mich Menschen, die in sich ganz stimmig sind, letzten Endes wie es das Wort Heiligkeit schon sagt: In ihrem Herzen innen drin ganz heil.“

Heil sein „innen drin“. Wer wünscht sich das nicht? Aber wenn ich umgekehrt in mich schaue, dann stelle ich fest, dass noch vieles „unheil“ ist in mir. Mir persönlich hilft der Blick auf die Heiligen, die „innen drin heil sind“. Ganz im Sinne des emeritierten Papstes Benedikt. Der sagt in einer Predigt zum Allerheiligenfest: „(...) durch den Blick auf das leuchtende Vorbild der Heiligen (dürfen wir) in uns das große Verlangen (...) wecken, wie die Heiligen zu sein, also (...), nahe bei Gott zu leben, in seinem Licht, in der großen Familie der Freunde Gottes. (...) Um heilig zu sein“, so Benedikt weiter, „muss man weder außerordentliche Taten und Werke vollbringen noch außergewöhnliche Charismen besitzen. Man muss vor allem auf Jesus hören und ihm dann nachfolgen, ohne angesichts der Schwierigkeiten den Mut zu verlieren.“

Musik IV („Abide with me“, William Henry Monk)

Mir machen die Heiligen Mut, Jesus nachzufolgen: Da sind die bekannten Heiligen, die jedes Jahr gefeiert werden, wie z.B. der heilige Martin, der heilige Bischof Nikolaus oder der heilige Josef und vor allem Maria, die Mutter Jesu. Sie ist der „Spiegel aller Heiligkeit“ , wie es der emeritierte Papst Benedikt einmal sagt.

Über diese bekannten Heiligen hinaus gibt es unzählige weitere Heilige. Und jeder und jede von ihnen steht als Vorbild für ein christliches Leben in ganz konkreten Lebenssituationen und als Fürsprecher bei Gott:

Die heilige Barbara zum Beispiel wurde der Legende nach von ihrem Vater eingesperrt. Deshalb gilt sie unter anderem als Schutzpatronin der Bergleute, die in der Gefahr waren, bei einem Grubenunglück verschüttet zu werden. Allgemein gesagt: Alle menschliche Sorge und Not ist bei dem einen oder der anderen Heiligen aufgehoben.

Was sind Heilige? Ich frage noch einmal im Pfarreirat und da meint Susanne Haick:

O-Ton Susanne Haick: „Also da habe ich eine Erinnerung an einen Heiligen und zwar an den heiligen Antonius. Das ist der Heilige der „Schusselköppe“. Meine Schwiegermutter hat immer gesagt, wenn sie was verliert, dann betet sie zum heiligen Antonius. Das mach ich jetzt auch immer und irgendwann findet sich der Schlüssel oder das Portemonnaie wieder“.

Wichtig ist hier eine Unterscheidung: Man betet zu den Heiligen aber man betet sie nicht an! Nur Gott wird angebetet. Das Gebet zu den Heiligen stelle ich mir so vor wie man auch mit den Verstorbenen am Grab sprechen kann.

Heilige dürfen angerufen werden, damit sie Fürbitte für uns bei Gott einlegen. Nicht dass Gott uns nicht hören würde. Die Heiligen, die durch ihre Verdienste ganz nah am Thron Gottes sind, fungieren wie ein Verstärker. Maria steht wieder an erster Stelle, denn sie ist die große Fürsprecherin, die in Not und Leid ganz besonders angerufen wird. Hier in Borken wird Maria besonders verehrt als „Mutter vom Guten Rat“. Ein eigener Gebetskreis betet täglich für die Anliegen der Menschen in ihren Sorgen und Fragen.

Musik V („Song for Athene“, John Tavener)

Heilige sind Fürbitter für die Menschen bei Gott; sie sind lebendige Vorbilder. In einer Predigt von Michael Münzner habe ich dazu ein treffendes Bild gehört. Da hieß es: Einige Kirschkerne liegen unter einem großen Kirschbaum dicht beieinander. Da beginnt plötzlich einer der Kirschkerne zu reden und fragt die anderen: Was soll aus uns nur einmal werden? Eine Zeitlang herrscht Schweigen. Da blickt einer der Kerne nach oben, sieht den großen Kirschbaum und sagt: Da schau, einer von uns!

Heilige sind wie große Kirschbäume. Und wir sind wie die Kerne am Fuße des Baumes. Der Blick nach oben soll ermutigen, denn aus jedem Kern kann ein Baum werden, aus jedem Menschen ein Heiliger. Übrigens: Ich trage mein Steinchen aus dem Petrusgrab immer noch bei mir und denke daran, dass ich wie ein Kirschkern bin, der wachsen will, um so zu werden, wie Gott es sich gedacht hat: ein Heiliger.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Feiertag heute an Allerheiligen.

Es grüßt Sie aus Borken im Münsterland Ihr Pastor Pater Lukas.

Musikauswahl:

Remembrance, Choir of Clare College, Cambridge, Graham Ross, Harmonia Mundi USA, 2016.

*Onlinesuche: http://www.duden.de/rechtschreibung/Heiliger, 4.9.2017

**Vgl. Fußnote 1.

***Vgl. Fußnote 1.

****Papst Benedikt XVI., Allerheiligenpredigt, Petersdom, 1.11.2006.

ebd.

***** Onlinesuche: http://www.predigtpreis.de/predigtdatenbank/predigt/article/predigt-am-hochfest-allerheiligen.html, 5.9.2017.

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