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Das Geistliche Wort | 08.04.2018 | 08:35 Uhr

„Ganz in weiß“

Guten Morgen!

Das besondere an der Bibel sind für mich ihre Lücken. Sie haben richtig gehört: Lücken in der Gedankenführung, im Textaufbau. Denn das gibt Raum, in dem meine Phantasie lebendig wird und ich überlegen kann, was in manchen Szenen alles noch passiert sein könnte. So auch in der Bibelstelle, die heute in den katholischen Gottesdiensten vorgetragen wird und zwar eine Woche nach Ostern. Und genau auf diese eine Woche nach der Auferstehung Jesu bezieht sich der Text (Joh 20,24-29 EÜ 2016):

Sprecher:

Thomas, der Didymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.

Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.

Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!

Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!

Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott!

Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

Ich bleibe immer wenn ich diese Stelle höre in dem Moment hängen, in dem Jesus den Thomas auffordert seine Finger auszustrecken und seine Hand in die offene Seite von der Verwundung am Kreuz zu legen. Von Thomas hören wir dann nur die Worte, die wie ein Bekenntnis klingen: Mein Herr und mein Gott! Für mich klingt das eher nach einem Schock: "Oh, mein Gott!"

Und dann kommt die Lücke, die bei mir wie eine Frage durch den Kopf geistert: Hat Thomas es jetzt getan oder nicht - zugepackt? Oder haben allein die Worte Jesu schon diesen Ausruf provoziert?

Als Kind habe ich mir immer vorgestellt, wie Thomas die Wunden berührt. Später, im Theologiestudium wurde immer wieder gesagt, dass er es nicht tut. Mit den Worten Jesu und im Respekt vor dem Auferstandenen und voller Ehrfurcht sei Thomas schon zu der Erkenntnis gekommen, dass vor ihm der auferstandene Jesus steht. Und begründet wurde das damit, dass Jesus am Ende dieser Bibelstelle selbst sagt: Thomas, Du glaubst, weil du mich gesehen hast.

Aber Beweis ist das nicht und so bleibt die Lücke: Irgendetwas in mir will immer noch daran festhalten, dass Thomas es doch getan hat und zupackte. Und was denken Sie, hat Thomas es getan?

MUSIK I

Was denken Sie? Hat Thomas es wirklich getan? Hat er seinen Finger in Jesus Wunden gelegt?

Ich wünsche es ihm. Denn ich hätte es gemacht.

Glaube hat für mich nämlich etwas mit Berührung zu tun. Glaube, der nur über den Kopf geht, ist für mich ein verklärter, ein unwirklicher Glaube. Wenn ich zum Beispiel in der Bibel lese, dann muss ich die Bibel als Buch in der Hand halten, dass ich sie spüre – eben kein Bildschirm vom Computer. Wenn ich in meinem Dienst als Priester Menschen begegne, dann möchte ich Ihnen zumindest die Hand reichen, sie beim Segnen berühren, in traurigen Moment eine helfende Hand anbieten oder sie in den Arm nehmen.

Die Bibel hat, wie in der Geschichte von Thomas, unzählige Momente, die von Berührungen sprechen: - wenn Jesus heilt, wenn er Kranke aufrichtet, wenn er die Kinder in den Arm nimmt.

Es gibt aber genauso viele Momente in der Bibel, die von Situationen sprechen, in denen die Berührungen nur knapp beschrieben werden oder eher zwischen den Zeilen stehen - eben in den Lücken. Wenn Maria den Neugeborenen Jesus hält, wenn Jesus mit seinen Freundinnen und Freuden Brot und Wein teilt und wenn er mit den Händler im Tempel in einen Streit kommt, in Wut ihre Tische umwirft. Es gibt einfach kaum berührungslose Geschichten in der Bibel. Für mich heißt das aber: Glaube ist nicht ohne den direkten Kontakt, vor allem Körperkontakt mit Menschen, zu denken.

MUSIK II

Glaube hat mit Kontakt zu tun, mit Berührung. Am heutigen Sonntag machen in der katholischen Kirche vor allem viele Kinder eine besondere Berührungserfahrung. Am ersten Sonntag nach Ostern, dem Weißen Sonntag, gehen in vielen Gemeinden Kinder zur Erstkommunion. Wenn Sie heute die Hand aufhalten und die Hostie in die Hand gelegt bekommen, dann sagt die katholische Tradition, dass Jesus sich selbst in ihre Hand legt: Gott verwandelt in ein kleines Stückchen Brot gibt sich ohnmächtige in meine Hand.

Es liegt in meiner Macht, wie ich damit umgehe. Ich kann das Brot berühren oder auch zerbrechen, halten oder auch wegwerfen. So, wie es auch mit anderen Berührungen ist. Ich kann sie zulassen oder mich ihr entziehen, mich zu- oder abwenden.

Bei aller Nähe und Distanz in Berührungen, merke ich schnell, ob mir das angenehm oder unangenehm ist. Und doch findet Berührung statt. Sie geht mir unter die Haut, und sorgt für eine Erfahrung, die zutiefst mit mir zu tun hat. Da ist alles möglich zwischen Gänsehaut und Ekel.

Berührungen gehen unter die Haut. Papst Franziskus spricht in seinen Predigten und Schriften immer wieder davon, dass der christliche Gott ein Gott der Zärtlichkeit ist und deswegen vor allem in der Berührung zu finden ist: In der Berührung zwischen Menschen, in der Berührung, die ich in der Natur erfahre, im Wind, im Regen auf meiner Haut. Aber auch in der Berührung, die ich mache, wenn ich die Bibel in der Hand halte, wenn ich sein Wort lese, und auch in der Berührung der Sakramente, wenn ich das Brot bei der Kommunion empfange oder das Wasser bei der Taufe zu spüren ist, die Salbe bei der Firmung. Dieser Gott will mir unter die Haut gehen und nicht an mir abstreifen und abprallen, das machen mir die Sakramente, die Zeichen der Nähe Gottes deutlich. Papst Franziskus nennt noch einmal den Zusammenhang von Zeichen und Zärtlichkeit:

Sprecher :

Das „Zeichen“ ist die bis zum Äußersten getriebene Demut Gottes; es ist die Liebe, mit der er [...] unsere Schwachheit, unser Leiden, unsere Ängste, unsere Sehnsüchte und unsere Grenzen angenommen hat. Die Botschaft, auf die alle warteten, das, wonach alle tief innerlich suchten, war nichts anderes als die Zärtlichkeit Gottes: Gott, der uns mit einem von Liebe erfüllten Blick anschaut, der unser Elend annimmt, Gott, der in unser Kleinsein verliebt ist. [...] Gehen wir noch einen Schritt weiter: Haben wir den Mut, mit Zärtlichkeit die schwierigen Situationen und die Probleme des Menschen neben uns mitzutragen, oder ziehen wir es vor, sachliche Lösungen zu suchen, die vielleicht effizient sind, aber der Glut des Evangeliums entbehren? Wie sehr braucht doch die Welt von heute Zärtlichkeit!

Musik III

Ja, wie sehr braucht die Welt von heute Zärtlichkeit! Aber erstaunlich: Die Bibel kennt den Begriff der Zärtlichkeit nicht. Aber das Papstzitat ist für mich ein Versuch Gott und sein Wirken, wie die Bibel davon erzählt, in eine neue Sprache zu bringen. Ihn erlebbar zu machen. Andererseits erkenne ich auch mehr von dem wie und wer Gott ist. Zärtlichkeit lebt aus dem Respekt voreinander, aus der sanften Berührung, aus der Vorsicht mein Gegenüber nicht zu verletzten. Damit beginnt Zärtlichkeit beim Vertrauen. Denn ich öffne mich und mache mich verletzbar, während mein Gegenüber mir in der gleichen Haltung entgegenkommt.

Und so verstehe ich den Versuch Gottes zu mir zu kommen, mich zu berühren: Es ist meine Haut, die Gott berührt, über die er mir nahe kommt. Ich darf den Hauch und die Leichtigkeit Gottes als große Intensität erleben: Ob es nur die Bibel in meiner Hand ist, die Natur an meiner Haut, ein Mensch als mein Gegenüber oder das Brot in meinem Handteller. Für mich sind das Momente wo ich mehr spüre, wo ich Gott spüre. Aber Gott als der Zärtliche gibt nicht nur. Er empfängt auch! Das Spiel der Zärtlichkeit endet nicht bei mir – es setzt sich fort in dem, wie ich mit der Welt, mit den Menschen um mich herum umgehe, ob hier auch Zärtlichkeit im Spiel ist. Zärtlichkeit wäre dann, wie Papst Franziskus es sagt, eine ganz zentrale Wesenseigenschaft Gottes. Und so entsteht für mich ein ganz neues Gottesbild.

Dieser Gott, öffnet sich durch seine zärtliche Seite für das was mich bewegt, was mich gerade ausmacht, was mich gerade freut oder traurig macht. Papst Franziskus betont es ganz klar, wenn er von Gott als dem „Menschen neben mir“ spricht. Gott wird selber immer mehr Gott, in dem er mir zur Berührung, ja zur Zärtlichkeit wird. Er ist kein Gott mehr, der nur in meinem Denken ist. Er ist Gott, der Nähe sucht und lebt. Auch er macht sich in diesem Vertrauen berührbar und zugleich verletzbar.

Und genau deswegen füllt sich für mich die Lücke der Bibelstelle von heute mit der Berührung, die Thomas und Jesus nach der Auferstehung erleben. Für mich legt Thomas definitiv den Finger in die Wunde und berührt mit seiner Hand den auferstandenen Jesus, weil es mit dem Tod von Jesus am Kreuz keine Distanz mehr zwischen ihm und Gott geben kann.

Musik IV

Gott ist nahbar und spürbar. Das beginnt bereits mit seiner Menschwerdung, und wird in der Kreuzigung zur absoluten Nähe und Verletzbarkeit. Und nach der Auferstehung lässt er sich wieder berühren und zeigt damit: Gott hat sich mit seinem ganzen Vertrauen der Welt zugewandt und sich ihr geöffnet. Er setzt es sogar fort am Pfingsttag, wenn er den Geist Gottes sendet, der in die Jünger eindringt, sie durchwirkt und ein Teil ihres Lebens wird. Und der Geist ist als bleibende Kraft zugesagt, allen Menschen, die sich ihm öffnen - untrennbar verbunden mit ihnen. Damit wird Gott, wird Gottes Zärtlichkeit, Zärtlichkeit auch in mir.

Von Weihnachten über Ostern bis hin zu Pfingsten zeigt sich der christliche Gott als Gott, der zärtlich berührt und unter die Haut gehen will. Was hindert mich daran diese Zärtlichkeit im Einklang mit der ganzen Welt zu leben? – Also lasse ich mich berühren und will berühren.

Musik V

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag, mit zärtlichen Berührungen und den Erstkommunionkindern die Erfahrung, dass Gott spürbar ganz nahe kommen will.

Ihr Matthias Fritz aus Aachen

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