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Das Geistliche Wort | 22.07.2018 | 08:35 Uhr

Maria Magdalena – Was für eine Heilige?

Dan Brown interessiert sich für diese Frau, aber auch Papst Franziskus. Dichter wie Opernkomponisten haben sie auf die Bühne gebracht und Maler pinselten sie in den verschiedensten Posen auf die Leinwand. Zuletzt war in den Kinos ein Film über sie zu sehen. Ich spreche, liebe Hörerinnen und Hörer, von Maria Magdalena. Seitdem – und zwar in der Bibel – das erste Mal von ihr die Rede ist, beschäftigt sie offensichtlich die Menschen, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Eine biblische Figur beginnt ihr Eigenleben: als Osterzeugin, als verruchte und bekehrte Sünderin, als Folie zur Auseinandersetzung mit bürgerlichen Moralvorstellungen oder auch als Schlüsselgestalt für Verschwörungstheorien.

Heute, am 22. Juli, ist der Namenstag Maria Magdalenas. Seit 2016 ist dies in der Katholischen Kirche sogar ein eigenes Fest. Gerne nutze ich als Bibelwissenschaftler die Gelegenheit, diese Frau mit zwiespältigem Ruf vorzustellen. In sogenannten Maria Magdalenen-Heimen kümmerte man sich um "gefallene Mädchen", wie man früher sagte, eben weil Maria Magdalena auch als "gefallenes Mädchen", das heißt als Prostituierte und Sünderin galt. Das offizielle Gebet der Kirche an ihrem Namensfest hingegen nennt sie ausdrücklich "Apostelin".

Beginnen wir mit der biographisch ergiebigsten Erwähnung am Beginn des achten Kapitels des Lukasevangeliums:

Sprecher:

"Die Zwölf begleiteten ihn und auch einige Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt worden waren: Maria, genannt Magdalena, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie unterstützten Jesus und die Jünger mit ihrem Vermögen." (Lk 8,1b-3)

Wo die ausdrücklichen Angaben knapp sind, zählt jedes Wort. Auch jedes nicht gesagte Wort. Bemerkenswert: Hier wird nichts gesagt von einer Sünderin und auch nichts von Prostitution. Stattdessen hören wir die Stichworte Heilung von Besessenheit bzw. Krankheit, Unterstützung Jesu und der Jünger sowie Vermögen. Und außerdem fällt ein Ortsname. Er verbirgt sich im Wörtchen Magdalena.

Musik I (aus: Emile Paladilhe, Les Saintes-Marie de la Mer)

Der Beiname Marias, Magdalena, verweist auf einen Flecken am Westufer des Sees Genesaret, oberhalb der Stadt Tiberias. Wer heute die Ausgrabungsstätte Magadala mit ihrem herrlichen Seeblick besucht, ahnt nicht die einstige Bedeutung dieser Stadt mit damals 40.000 Einwohnern. Der hebräische Name - Migdal - verweist auf die Existenz eines Turms. War er so etwas wie ein Leuchtturm für die sichere Hafeneinfahrt? Der griechische Name des Ortes Migdal war Tarichea und der gibt einen anderen Hinweis. Es ging um Salz. Offensichtlich war Migdal/Tarichea der Ort, an dem die gefangenen Fische des Sees Genesaret eingesalzen und konserviert wurden. Der Turm war möglicherweise ein Fischsilo. Das Salz brachte Geld ein und sicherte Arbeitsplätze. Das könnte auch erklären, warum Maria aus Migdal über ein größeres Vermögen verfügte. Davon ist auszugehen, weil Maria Jesus und seine Anhänger unterstützt. Aber auch Wohlhabende können notleidend sein. Neben Maria sind es auch Johanna und Susanna, die sich in ihrer Not an Jesus wenden und sich an ihn binden. Aus Dankbarkeit für seine Hilfe unterstützen sie ihn fortan samt seinem Freundeskreis und begleiten ihn.

Der Weg führt die Frauen schließlich nach Jerusalem. Dort werden sie zu Zeuginnen der Hinrichtung Jesu, der sie einst geheilt hatte.

Sprecher:

"Alle seine Bekannten aber standen in einiger Entfernung, auch die Frauen, die ihm von Galiläa aus nachgefolgt waren und die dies mit ansahen." (Lk 23,49)

Und etwas weiter heißt es im Lukasevangelium:

Sprecher:

"Die Frauen … sahen das Grab und wie der Leichnam bestattet wurde. Dann kehrten sie heim und bereiteten wohlriechende Salben und Öle zu. Am Sabbat aber hielten sie die vom Gebot vorgeschriebene Ruhe ein." (Lk 23,56)

Zum letzten Liebesdienst der Frauen gehört ist die Salbung des Leichnams. Die kann erst einen Tag nach dem Sabbat stattfinden. Denn an ihm, dem Ruhetag, ist jede Arbeit verboten, auch das Salben. Doch die gut gemeinte Absicht entpuppt sich als großes Missverständnis: Es gibt keinen Leichnam, der zu salben ist. Es gibt nur ein leeres Grab und den Hinweis auf einen Lebenden, Jesus, der keiner Salbung mehr bedarf.

Der Evangelist Johannes räumt hier – anders als Lukas – Maria Magdalena eine Sonderrolle ein. Er nimmt sie aus der Frauengruppe heraus und gibt ihr ein eigenes Profil, das sie bis heute unvergessen macht:

Sprecher

"Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war." (Joh 20,1)

Bei Johannes erfahren wir nichts von Heilung und Vermögen, wohl aber etwas von großer Zuneigung. Denn Maria weint. Erst hat sie ihren Retter verloren. Nun ist auch noch sein Leichnam weg. Doch diesmal sind die Tränen das große Missverständnis: "Frau, warum weinst du?" fragen sowohl die beiden Grabesengel als auch Jesus selbst, den Maria nicht erkennt und für den Gärtner hält. Als er sie aber mit ihrem Namen anspricht, "Maria", fällt der Tränenschleier und sie erkennt Jesus. Sie kann sagen: "Rabbuni! Mein Meister". Hier beginnt Ostern. Mit einer Frau. Mit Maria aus Migdal.

Musik II

Man hat den Eindruck: Das Johannesevangelium stellt uns nicht nur Maria Magdalena als erste Osterzeugin vor Augen, sondern es versucht zugleich, ihre Rolle herunterzuspielen. Schon das nächste Kapitel spricht nur von Petrus und dem Lieblingsjünger Jesu als zentralen Osterzeugen. Maria wird mit keiner Silbe mehr erwähnt. Gilt hier, was das Lukasevangelium im Blick auf das Osterzeugnis der drei Frauen, einschließlich Maria Magdalena, sagt:

Sprecher:

"Doch die Apostel hielten diese Reden für Geschwätz und glaubten ihnen nicht." (Lk 24,11)

Bemerkenswert ist aber, was später die Tradition aus Maria macht. Die Tradition verbindet nämlich verschiedene Erzählungen. Da ist zunächst das Lukasevangelium, das direkt im Vorfeld der ersten Nennung Maria Magdalenas von einer namenlosen Sünderin erzählt. Diese trocknet Jesus mit ihrem langen offenen Haar die Füße, die von ihren Tränen nass waren. Das Johannesevangelium spaltet dann in gewisser Weise diese Lukas-Erzählung in zwei verschiedene Szenen auf. Da ist einmal eine Frau, die Jesus die Füße mit ihren offenen Haaren trocknet, nachdem sie diese mit Öl gesalbt hat. Diese Frau trägt den Namen Maria. Dann berichtet Johannes von einer anonymen Ehebrecherin. Jesus nimmt sie vor ihren Anklägern in Schutz und sagt zu ihr: und den Auftrag erhält: "Geh und sündige von jetzt an nicht mehr" (vgl. Joh 8).

Diese verschiedenen Stränge werden bereits im 3. Jahrhundert zusammengeführt: Maria Magdalena wird mit der sündigen Ehebrecherin identifiziert, von wo es nicht weit war bis zum Vorwurf der "Hure", deren Kennzeichen das offene lange Haar ist. Und als Osterzeugin ist sie natürlich vorher dem Ruf gefolgt, fortan nicht mehr zu sündigen.

Die moralisierende Deutung der Maria Magdalena als bußfertiger Sünderin wird durch eine spätere Legende noch verstärkt, aus der der französische Komponist Jules Massenet seine Oper "Thais" entwickelte. Darin spielt die folgende weltberühmte "Meditation" eine wichtige Rolle:

Musik III (Massenet, Meditation aus "Thais")

In der Wirkungsgeschichte der Maria Magdalena ist allerdings noch eine andere Tradition wichtig, die das Bild von ihr verzerrt: eine leibfeindliche Erkenntnislehre zur Erlösung aus dem irdischen Dasein, die Gnosis. Zu ihr gehört das Philippusevangelium. Es nimmt eindeutig auf Maria Magdalena Bezug, leider in einem Vers, der in der originalen Handschrift beschädigt ist. Möglicherweise lautete der Text:

Sprecher:

"Der Erlöser liebte sie mehr als alle Jünger und er küsste sie oft auf ihren Mund." (PhilEv II,3,55)

Hört sich das zunächst erotisch an und gibt es Dan Brown für seinen Roman „Der Da Vinci Code“ die Grundidee für die Liebesgeschichte zwischen Maria Magdalena und Jesus, zielt die Gnosis auf eine andere Bedeutung. Es geht um die Vermittlung geheimen Wissens. Dazu dient der Kontakt von Mund zu Mund und nicht für die Behauptung eines Liebesverhältnisses.

Also: Um der Gestalt Maria Magdalenas gerecht zu werden, ist es besser, alle Legenden beiseite zu lassen und sich nur auf die Heilige Schrift zu beschränken.

Dann wird Maria aus Migdal zu einer Frau, die sich in der Männergesellschaft sehr wohl zu behaupten weiß, Vermögen zu erwerben und selbstständig damit umzugehen versteht. Sie entspricht ganz dem Bild der "starken Frau", das im Buch der Sprüche in der Bibel entworfen wird (Spr 31, 10.20-21.25):

Sprecher:

Eine tüchtige Frau, wer findet sie? Sie übertrifft alle Perlen an Wert. … Sie öffnet ihre Hand für den Bedürftigen und reicht ihre Hände dem Armen. Ihr bangt nicht für ihr Haus vor dem Schnee; denn ihr ganzes Haus ist in prächtigem Rot gekleidet. … Kraft und Würde sind ihr Gewand, sie spottet der drohenden Zukunft.

Bei aller Stärke: Auch eine solche Frau bleibt verletzlich, bleibt – wie jeder Mensch – gefährdet von Krankheit oder auch von Manipulation von unheilvollen Mächten.

Das Evangelium will dagegen Maria aus Migdal als Jüngerin verkünden, als Apostelin des Jesus von Nazareth. Er hatte sie ja von Dämonen befreit, und das verstehe ich so: Mensch, du darfst glauben, dass Gott dich zu dir selbst führen will – weg von allem, was dich beherrscht, krank macht, knechtet. Maria Magdalena steht dafür: Gute Erfahrungen können dem Leben eine neue Richtung geben. Die Begegnung mit Jesus lässt sie zur großzügigen Unterstützerin werden. Und das ist für mich ein herausforderndes Bild: Kann die Begegnung mit diesem Jesus, kann die Begegnung mit seiner Kirche, die sich in der Spur Jesu versteht, auch zu solcher Neuausrichtung für mich führen?

Und schließlich ist auch das für mich sehr bedenkenswert: Selbst die vertraute Gefährtin Jesu, diese Maria Magdalena, bleibt nicht davor bewahrt, dass ihr genau dieser Jesus aus dem Blick gerät. Sie weiß nicht mehr, wer er wirklich ist, hält ihn nach der Auferstehung für einen Gärtner, obwohl sie ihm so lange gefolgt war. Das ändert sich erst wieder, als sie seine Stimme und ihren eigenen Namen zusammenbringen kann. Was für eine Überraschung: Der scheinbar Vertraute muss sich erst neu finden lassen. Und wenn man Jesus dann gefunden hat, dann ist das ein nicht festzuhaltendes Geschenk, ein Ereignis, auf das jede und jeder hoffen, vielleicht aber auch mancher bereits dankbar zurückblicken darf.

Musik IV

Ich wünsche Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, einen ereignisreichen Sonntag mit Überraschungen. Ihr Gunther Fleischer aus der Bibelschule des Erzbistums Köln.

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