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Kirche in WDR 5 | 07.08.2018 | 06:55 Uhr

Das Wichtigste

Auch an meinem Dortmunder Seminar für alttestamentliche Bibelwissenschaft geht es manchmal um die ganz großen Fragen. Dann stelle ich meinen Studierenden nämlich eine Aufgabe. Ich frage sie: Stellen Sie sich vor, Sie sind alt und schauen zurück auf Ihr eigenes Leben. Was würden Sie rückblickend sagen: Was ist das Wichtigste, was man im Leben getan haben sollte?

Nach dem ersten Schock schreiben sie ihre Antworten auf. Das ergibt dann immer einen munteren Austausch. Man soll man selber sein, seinen eigenen Weg gehen. Familie ist sehr wichtig, und Freunde. Auch, dass man Erfahrungen sammelt und die Welt kennenlernt.

Ich stelle die Frage natürlich mit einem Hintergedanken, und den lege ich dann im zweiten Schritt offen. Dann kommt nämlich die Frage: Was würde Jesus raten? Auch ihm wurde diese Frage gestellt: Was ist das Wichtigste. Und er hat geantwortet: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben – und du sollst deinen Nächsten lieben“. (Mk 12,29-32)

Das ist typisch für Jesus, dass er nicht tut, was man von ihm erwartet. Er soll das wichtigste Gebot sagen, und er nennt gleich zwei: Gott und den Nächsten soll zu lieben. Das Doppelgebot der Liebe.

Was Jesus sagt, steht in gewissem Kontrast zu den Gedanken, die meinen Studierenden kommen, wenn sie über ein gelingendes Leben nachdenken. Die Antwort Jesu kehrt nämlich die Blickrichtung um, ganz exzentrisch: sie nimmt den Ausgangspunkt nicht bei einem selbst, sondern bei Gott und beim Nächsten

Auch ich käme von mir aus bei dieser Frage vielleicht nicht auf Gottesliebe und die Nächstenliebe.

Im Grunde aber beweist die Antwort Jesu zunächst einmal, dass er sich sehr gut in der jüdischen Tradition auskannte und dass er aus der Bibel lebte.

Jahrhunderte lang waren Christinnen und Christen auf Jesus stolz, der das Doppelgebot der Liebe eingeführt hat. Und man hat sich immer den anderen Religionen gegenüber ein wenig überlegen gefühlt, mit diesem Liebesgebot ausgerüstet zu sein. Dass sie sich selbst auch nicht immer daran gehalten haben, hatten sie womöglich nicht ausreichend im Blick.

Das Besondere ist, dass Jesus gar kein neues Gebot verkündet.

Mit dem Doppelgebot zitiert er einfach zwei bekannte Stellen der Tora und bringt sie in Zusammenhang. Das Gebot der Nächstenliebe findet sich, für Christen recht versteckt, in der Bibel, im Buch Levitikus.

Jesus, der Bibelstellen zitiert und miteinander verknüpft: Wird er dadurch weniger originell? Ich meine nicht. Es ist nur ein etwas anderer Jesus als der, den wir gewohnt sind. Jesus, der nicht einfach neue Einfälle verkündet, sondern einer, der selbst etwas gelernt hat und damit kreativ umgeht.

Vor meinem inneren Auge erscheint ein neuer Jesus: einer, der schon als Kind in die Synagoge geht und als jüdischer Junge die Schrift lernt – so begierig und intensiv, dass er sie sich ganz zu eigen gemacht hat. Und wenn er als Erwachsener gefragt wird, kann er Antwort aus der Schrift heraus geben. Gott lieben und den Nächsten lieben, das ist wirklich die Kurzfassung dessen, worum es immer schon in der Bibel geht, und es beginnt nicht erst mit dem Neuen Testament. Es ist bereits Konsens im damaligen Judentum: Es gibt nur einen Gott und Solidarität mit dem nächsten Menschen - das ist der Kern aller Gebote.

Genau so hat Jesus gelehrt und selbst auch gelebt: Aus der Nähe zu Gott, die er verkündet hat, und aus der Nähe zu allen Menschen, denen er begegnet ist. Es geht ums konkrete Tun.

Bei Jesus entwickelt das so eine eigene Kraft, ja, auch einen nicht zu kleinen Anspruch. Was für Jesus das Wichtigste ist, das geht über mein „Normalkonzept“ hinaus. Das übersteigt meine intuitiven Antworten auf die Frage, was das Wichtigste in meinem Leben ist. Und das ganze wird dadurch gerade anspruchsvoll, weil es im Alten Testament und bei Jesus um konkrete Werke der Nächstenliebe geht, Tag für Tag gelebt. Nicht um ein großes Lebensmotto sondern um die Tat. Das bürstet meine Neigungen mitunter gehörig gegen den Strich.

Aber gerade darum schaue ich in die Bibel: um das kennenzulernen, was mir von allein nicht einfällt. Wenn es gut geht, entsteht ein produktiver Kontrast. Stünde in der Bibel immer nur das, was uns selbst einsichtig erscheint, wäre sie langweilig und überflüssig.

Einen spannenden Tag wünscht Ihnen Egbert Ballhorn von der Universität Dortmund.

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