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Kirche in WDR 5 | 10.08.2018 | 06:55 Uhr

Berliner Brot und die Zeugen der Erinnerung

Was uns wirklich wichtig ist, das speist sich ja oft nicht aus bestimmten Werten, sondern vor allem aus dem Schatz der Erfahrungen. Das kenne ich zum Beispiel von einer besonderen Sorte Plätzchen. Berliner Brot gab es in meiner Kindheit immer in der Familie meines Freundes Christian. In seiner Familie wurde das Berliner Brot im Advent und zu besonderen Anlässen gebacken. Ich bekam immer etwas davon ab, aber mit der Ermahnung, es achtsam zu essen. „Das ist nicht irgendein Berliner Brot, das ist unser Familienrezept“. Und was war das Besondere daran? Als es in der Nachkriegszeit kaum Backzutaten gab, hatte die Oma das ursprüngliche Rezept so abgeändert, dass sie trotzdem Berliner Brot backen konnte. Sie hatte improvisiert – ein Arme-Leute-Essen, quasi. Und seitdem wird in der Familie nach diesem Rezept gebacken.

Als Kind fand ich das komisch, denn jetzt gab es doch alles. Warum blieb die Familie bei dem Not-Rezept? Aber das durfte ich nicht sagen, die Familientradition war heilig.

Heute verstehe ich das sehr gut. Mit diesem Rezept erinnerte sich Christians Familie an die geliebte, schon lang verstorbene Oma. Und durch dieses besondere Rezept weiß die Familie, wer sie ist: Wann immer sie so ihr Berliner Brot backen, backt die Erinnerung mit. Und das ist wichtig für den Familienzusammenhalt.

Das ist auf eine Art sehr biblisch. Denn im Alten Testament wird der Zusammenhalt des Gottesvolkes auch an konkrete Erinnerungen geknüpft. Mehr noch: Ich finde es spannend, wie dort ein gerade hochaktuelles Gebot mit einer zentralen Erinnerungserfahrung gekoppelt wird. Im Buch Levitkus gibt Gott gibt folgendes Gebote: „Du sollst den Fremden lieben wie dich selbst. Fremde wart ihr im Land Ägypten. Ich bin der HERR, der euch aus Ägypten herausgeführt hat.“ (Lev 19,33.34.36).

Merken Sie es? Das Gebot ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Gebote sind immer an Erfahrungen aus der Geschichte gebunden. Hier konkret: Ihr selbst seid befreit worden aus Not und Unterdrückung – helft auch anderen in der Not.

Vergesst nicht, ihr wart selbst Fremde und seid befreit worden. Das ist die Grunderfahrung, und sie muss weitergegeben werden.

Interessant ist, dass jede Generation aufs Neue derart angesprochen wird „Fremde wart ihr im Land Ägypten“. Auch die, die selbst nicht dabei waren, sondern schon im verheißenen Land geboren wurden, müssen sich das sagen lassen. Die Erfahrung der vergangenen Generation geht mit, denn auf ihr basiert alles Weitere. Die Urerfahrung der Versklavung und der Befreiung muss weitergegeben werden an die folgenden Generationen. Wer selbst frei lebt, muss wissen, was vor ihm war. Die Erfahrungen der vergangenen Generationen müssen weitergegeben werden, das Untergegangene und das Gerettete. Wie beim Berliner Brot in der Familie meines Freundes die Erinnerung an die Oma und an die Nachkriegszeit.

Lange Zeit war hier in Deutschland gerade die Erinnerung an die Nachkriegszeit das Rezept für ein erfolgreiches demokratisches Miteinander - mehr noch die Erinnerung an die Gräuel des selbstverschuldeten Krieges. Diese Erfahrungen waren die Grundlagen der Werte, aus denen wir heute leben. Auch im Umgang mit Fremden.

„Opa, erzähl von früher!“. Meine Großeltern haben mir als Kind viel vom Krieg erzählt: Das Heraufziehen der Nazis, das Verschwinden der Juden in der Nachbarschaft, die unfreien Wahlen, die Einberufung als Soldat, die Schrecken des Krieges. Jetzt sind sie schon lange tot.

Es beschäftigt mich sehr, dass die Generation, die Nazizeit und Krieg in Deutschland noch bewusst erlebt hat, immer älter wird und langsam stirbt. Ihr Gedächtnis, ihre Erfahrungen dürfen nicht sterben. Es gilt diese Erinnerungen lebendig zu halten und der nächsten Generation weiterzugeben. Sonst droht uns die Wertschätzung der Demokratie zu entgleiten, der Sinn für eine gerechte Gesellschaft. Sonst werden wir vielleicht nicht mehr wissen, was in einer konkreten Situation das „Gebot der Stunde“ ist. Und hier klingt derzeit eindeutig für mich der Satz aus dem Buch Levitikus mit: „Fremde wart ihr im Land Ägypten. Ich habe euch herausgeführt“.

Aus Dortmund grüßt Sie Egbert Ballhorn.

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