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Das Geistliche Wort | 11.11.2018 | 08:35 Uhr

Geteilt ist nicht halbiert

Musik I: As time goes by https://www.youtube.com/watch?v=d22CiKMPpaY&index=1&list=RDd22CiKMPpaY(Casablanca)

Die Zeit verrinnt, das Wesentliche bleibt.Das ist das Grundthema des Films Casablanca mit Humphry Bogart in der Hauptrolle.

Guten Morgen!

Doch zunächst zum Heiligen des heutigen Tages. Heute, am 11. November, feiert die katholische Kirche den heiligen Martin. Und was der mit Casablanca und Humphry Bogart zu tun hat, dazu später.

Martin war Soldat, Einsiedler und später Bischof von Tours. Von ihm erzählt die Legende, dass er noch als Soldat seinen Mantel mit einem Bettler teilte. Diese Geschichte ist vermutlich eine der berühmtesten Heiligenlegenden und wird vielerorts in Kirchengemeinden, Kindergärten oder Schulen aufgeführt. In Paderborn, wo ich zu Hause bin, macht das, seit ich denken kann, die Kolpingspielschar. Schon als Kind war ich mit meiner Mutter immer dort. Und es hat mich jedes Mal so beeindruckt, dass wir diese Szene zuhause tagelang nachgespielt haben: Meine Mutter spielte den Bettler, den Teufel und das Pferd des Martin; ich war natürlich der heilige Martin.

Als Kind habe ich mich allerdings über diese Geschichte auch gewundert. Ich habe mich gefragt: Was macht der Bettler mit einem halben Mantel? Und als Erwachsene habe ich mich gefragt, warum nun ausgerechnet diese Geschichte so berühmt ist. Denn es passiert ja eigentlich gar nichts: Es gibt keine Heilung, es gibt kein Wunder und niemand stirbt den Märtyrertod. Einer teilt seinen Mantel. – Mehr nicht.

Mehr nicht? Doch es geht um vielmehr! Der Mantel ist nicht irgendein Kleidungsstück.

Musik II: As time goes by

Und jetzt kommt Casablanca und Humphry Bogart ins Spiel. Ohne Bogart genauer gekannt zu haben, wirkt er im Film auf mich als abgeklärt, als unerschütterlich, als ein bisschen distanziert. Und das hat auch mit seinem Mantel zu tun, einem Trenchcoat, den er im Film Casablanca trägt. Dass Bogart einen solchen Mantel anhat, ist kein Zufall.

Ursprünglich war der Trenchcoat ein Soldatenmantel. Er war aus wasserabweisendem Stoff gewebt und hatte einen weiten Schnitt, so dass sich die Soldaten im Schützengraben gut bewegen konnten. Nach dem Krieg, als man keine Soldaten mehr brauchte, aber die Männer noch immer gern tapfer erscheinen wollten, wurde der Trenchcoat ein beliebtes Kleidungsstück auch außerhalb des Militärs. Und noch immer haftet dem Trenchcoat ja etwas Lässiges an. Woran Humphry Bogart nicht ganz unschuldig ist, so wie er im Film auftrat.

Ein Mantel ist nicht irgendein Kleidungsstück. Er hat immer eine Wirkung. Dazu fällt mir noch ein anderes Beispiel ein: ein anderer Mann, ein anderer Mantel, eine ganz andere Atmosphäre:

Es ist ein Konzert von Udo Jürgens. Volles Haus, gute Stimmung. Und dann – die Zugabe. Ganz typisch für Udo Jürgens: Er tritt im Bademantel auf. Das war sein Markenzeichen seit einem Konzert 1969. Damals war der Mantel eher eine Notlösung, das Konzert war vorbei, Jürgens hatte sein Bühnenoufit schon abgelegt, aber draußen standen noch immer die Fans und klatschten. Und so ist er im Bademantel noch mal raus. Ein Kult war geboren. Später haben auch einige Fans zur Zugabe einen Bademantel angezogen. Der Mantel als Kultobjekt.

Der Mantel als Kultobjekt spielt natürlich auch in den verschiedenen Religionen eine Rolle. Im Alten Testament zum Beispiel ist im Buch Exodus von einem heiligen Mantel die Rede, dem Efod. Diesen Mantel durfte ausschließlich der Hohepriester tragen im Gottesdienst (vgl. Ex 28). Und etwas davon klingt ja bis heute nach in der Liturgie der katholischen Kirche. Da gibt es riesige, goldgewebte Umhänge, die bei besonderen Anlässen getragen werden, zum Beispiel bei der Fronleichnamsprozession, wenn der Priester oder eine Kommunionhelferin mit einer Monstranz durch die Straßen zieht und darin Christus in der Gestalt des Brotes vor sich herträgt. Darüber hinaus zählen bestimmte Mäntel zu den bedeutendsten Reliquien der Christenheit: der heilige Rock in Trier etwa oder der Bamberger Sternenmantel.

Übrigens: Für Muslime ist der Mantel des Propheten Mohamed eine wichtige Reliquie. Und auch außerhalb der Religionen haben Mäntel eine Bedeutung: Ich nenne nur Königsmantel und Richterrobe. Sogar die Emanzipation der Frau wirkte sich auf den Mantel aus. In den 1920er Jahren verpasste Choco Chanel dem Damenmantel einen völlig neuen Schnitt: Der Mantel wurde figurbetont und damit geschlechtsspezifisch unterscheidbar.

Dabei war die ursprüngliche Funktion des Mantels, den zu schützen, der ihn trägt, vor Kälte, Regen aber auch Sonne. Kein Wunder, dass der Mantel eine überlebenswichtige Funktion für den Menschen gewonnen hat. Daher wird er zu einem unveräußerlichen Gut. So heißt es bereits in der Bibel über den Mantel im Buch Exodus (Ex 22,25f):

Sprecher:

„Nimmst du von einem Mitbürger den Mantel zum Pfand, dann sollst du ihn bis Sonnenuntergang zurückgeben; denn es ist seine einzige Decke, der Mantel, mit dem er seinen Leib bedeckt. Worin soll er sonst schlafen?“

Der Mantel ist schließlich mehr als ein überlebenswichtiges Gut. Weil man den Mantel nach außen trägt, entwickelte er sich bald schon zu einem repräsentativen Kleidungsstück. Ganz nach dem Motto: Zeige mir deinen Mantel und ich sage dir, wer du bist.

Musik III: Martinslied

„Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin zog die Zügel an. Sein Ross stand still beim armen Mann. Sankt Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel unverweilt.“

„St. Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel unverweilt.“ So habe ich das als Kind inbrünstig gesungen und nicht verstanden, um was es tatsächlich geht: Der heilige Martin hat viel mehr geteilt als nur ein Stück Stoff. Indem er seinen Mantel geteilt hat, hat er etwas Wesentliches von sich preisgegeben, etwas, das ihn ausmachte: sein Amt, seine Rolle, sein Ansehen – im Grunde sich selbst. Er hat sich damit schutzlos gemacht und das mit und vor einem Bettler! Das macht die Geschichte eigentlich erst so bedeutsam – und zugleich beunruhigend. Wenn es ums Teilen geht, geht es um mehr: Geteilt ist nämlich nicht einfach halbiert. Und eigentlich wissen wir das auch. Wer teilen will, muss von sich selbst absehen und von sich abgeben.

Passend zum Heiligen Martin und seiner so populären Teilungsgeschichte beginnt heute in der ARD die Themenwoche „Gerechtigkeit“. Ich bin schon sehr gespannt, was da alles angesprochen wird, was alles in unserem Land ungerecht verteilt ist. Ich bin aber auch gespannt auf Lösungsmöglichkeiten. Gerechtigkeit zu üben hat auch mit Teilen zu tun und zwar im umfassenden Sinne, wie beim heiligen Martin. Der Mantel ist nur das äußere Zeichen. Es geht um viel mehr und beginnt da, wo ich von mir absehe, von meinem Amt, meiner Rolle, meinem Ansehen.

Musik IV: Lied Martins-Musical „Teilen heißt Heilen“

Mit dem Martinslied kann man sagen: Teilen heißt heilen. Daher möchte ich zum Schluss von einem wirklich interessanten Projekt erzählen, was ich persönlich kennengelernt habe. Es wird in Menden, im Sauerland umgesetzt: Dort haben vor einigen Jahren bereits einige kreative Leute ein Martins-Musical auf die Bühne gebracht mit eigenen Texten und eigenen Liedern. Das Musical wurde begleitet durch Schülerinnen und Schüler des dortigen Berufskollegs und zwar mit einem spannenden Kunstprojekt: Die Schülerinnen und Schüler haben die Mendener Bevölkerung gebeten, zu teilen und sich mitzuteilen. Konkret: Sie haben um Kleidungsstücke gebeten, aus denen sie einen ungefähr 4 Meter langen und fast ebenso breiten, bunten Mantel genäht haben. Es sollten nicht nur irgendwelche Kleidungsstücke sein, sondern solche, die eine Geschichte erzählen.

Herausgekommen ist nicht nur ein riesiger Mantel, sondern eine wunderbare, wirklich sehr anrührende Sammlung von Geschichten, die es heute sogar als Buch gibt. Wirklich erstaunlich, was da so alles im Kleiderschrank schlummert.

Als ich die Geschichten des Mendener Martinsmantels las, habe ich mich die ganze Zeit gefragt: Welches Kleid hätte ich geben können? Gibt es in meinem Kleiderschrank ein Kleidungsstück mit einer spannenden Geschichte? Ja, gibt es. Da der Mendener Mantel längst fertig ist, teile ich diese Geschichte mit Ihnen: Es ist die Geschichte einer schwarzen Bluse, die mit silbernen Pailletten bestickt ist.

Sie gehörte meiner Oma. Als meine Oma nämlich vor ein paar Jahren ihren 90. Geburtstag feierte, war im Vorfeld natürlich eine wichtige Frage: Was zieht sie an? Bevor wir das mit ihr besprechen konnten, hatte sie schon entschieden: eine schwarze, paillettenbestickte Bluse. So eine hatte sie eines Abends im Fernsehen bei Heino und Hannelore gesehen. Hannelore trug eine schwarze, paillettenbestickte Bluse. Die gefiel meiner Oma so gut, dass sie so eine für ihren Geburtstag haben wollte. Besonders praktisch fand meine Oma, dass sie noch eine schwarze Bluse im Schrank hatte, sie brauchte also keine neue zu kaufen. Und Pailletten konnte doch wohl ein Änderungsschneider draufnähen. Sie brachte also die Bluse zum Schneider, der nach ihren Anweisungen Streifen aus Pailletten draufnähte. Als ich das fertige Objekt zum ersten Mal sah, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.

Bei der Geburtstagsfeier haben viele Gäste gestutzt und sich freundlicherweise in ein Lob geflüchtet: „Oh, ähm, ...schicke Bluse!“ Und meine Oma hat wieder und wieder erzählt, was es mit dieser Bluse auf sich hat.

Ein halbes Jahr später ist sie gestorben und als wir um ihr Totenbett standen, ging es auch um die Frage: Was zieht sie an? Irgendwer sagte: Aber bitte nicht die Geburtstagsbluse! Und wir alle haben herzlich gelacht.

Musik V:

Ein Kleidungsstück, eine Geschichte. Beides kann geteilt werden, habe ich aus der Mendener Kunstaktion zum Martinsfest gelernt. Denn es ging ja in Menden gar nicht so sehr um Kleidungsstücke, es ging um die Menschen, die die Kleider getragen haben und ihre Geschichten. So wie es beim Martin auch nicht nur darum ging, dass er seinen Mantel halbierte, sondern dass sich hier zwei Menschen begegnen: der Soldat und der Bettler. Wenn Menschen sich begegnen, wenn sie sich einander mitteilen, dann gilt erst recht: Geteilt ist nicht halbiert, sondern schafft mehr: mehr Freude, mehr Freundschaft, mehr Gerechtigkeit.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Martinstag und grüße Sie aus Paderborn, Ihre Claudia Auffenberg.

Literaturhinweis:

Silke Geppert / Maria Neuhaus (Hg.): Schau mir auf den Mantel, Kleines. Von Mänteln und vom Teilen.

ISBN: 978-3-89710-663-5

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