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Das Geistliche Wort | 28.10.2018 | 08:35 Uhr

„In diesem Zeichen, siege“

Guten Morgen!

Vermutlich war es der 28. Oktober 312, also vor mehr als 1.700 Jahren, an dem die Schlacht an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms geschlagen wurde. Dieses Ereignis wurde zum Wendepunkt der Geschichte des Christentums.

Kaiser Konstantin trat gegen seinen Konkurrenten Maxentius an. Bis heute ist nicht ganz klar, wie der zahlenmäßig stark unterlegene Konstantin Maxentius an der Milvischen Brücke besiegen konnte. Vermutet wird, dass Maxentius in seine eigene Falle getappt ist. Er ertrank zusammen mit einer Vorhut bei einem ungeordneten Rückzug im Tiber. Kaum war ihr Führer gestorben, zerstreuten sich Maxentius‘ Haupttruppen, noch bevor die eigentliche Schlacht geschlagen wurde. Konstantin hatte gesiegt. Und das sollte sich entscheidend auf die Geschichte des Christentums auswirken.

Musik 1

Entscheidend für den Sieg, so berichtet Kaiser Konstantin nach verschiedenen Zeugnissen selber, sei nicht ein militärischer Genie-Streich gewesen, sondern göttliche Intervention. In einer Vision habe der Kaiser am Himmel ein Kreuz gesehen, verbunden mit dem Wort: „In diesem Zeichen siege!“

Sodann bezeugt er eine zweite Vision für die Nacht vor dieser entscheidenden Schlacht. In dieser Nacht sei ihm Jesus Christus erschienen. Dieser habe ihn angewiesen, das vorher am Himmel erschienene Zeichen als Schlacht- und Siegeszeichen zu verwenden. Ursache dieses Sieges war in konstantinischer Interpretation also der christliche Gott, der durch diese Vision dem Kaiser zum Sieg verholfen habe.

Wie man auch immer diese Visionen deuten kann: Sie bezeichnet einen Wendepunkt. Von einer verfolgten Religion wurde das Christentum durch den Kaiser in der Folgezeit zur Staatsreligion erhoben. Kirchliche Ämter wurden mit weltlichen Ämtern verbunden, von der Christenverfolgung ging man über eine Toleranz bis dahin, dass der, der ein hohes Staatsamt bekleiden wollte, selber Christ sein musste. Zuvor war das Christentum eine Religion der Kleinen, eine Minderheit. Durch Machtpolitik wurde es nun eine machtvolle Staatsreligion, in der der Herrscher und die herrschenden Klassen großen Einfluss hatten. In diesem Ereignis liegt also die wesentliche Wurzel des christlichen Abendlandes.

Musik 2

Nachdem das Christentum Mehrheitsreligion geworden war, ist die Frage, Christ zu sein, oftmals keine religiöse Frage. Vielmehr ging es meist um eine gesellschaftliche Norm. Wer nicht dieser Norm entsprach oder entsprechen wollte, wurde in diese Form gepresst, gezwungen oder aus der Gesellschaft entfernt. Dies geschah oftmals unter Zuhilfenahme von Gewalt.

Damals kam die sogenannte Reichskirche auf, mit all den religiösen Kompromissen. Seit damals gab es staatlich organisiertes Christentum und eine immer wieder aufflammende Ausbreitung des Evangeliums durch Gewalt oder Opportunität. Die Frage von Gewalt und Religion stand auf einmal im Raum. Denn: Wie passte das alles zusammen mit der Botschaft von Erlösung, vom Frieden auf Erden, vom Kind in der Krippe, vom Tod des Unschuldigen am Kreuz, mit der Botschaft der Feindesliebe?

Aus der Übereinstimmung von Staat, Gesellschaft und Kirche wurde über die Jahrhunderte ein Machtkampf, der immer wieder mit verschiedenen Siegern ausgetragen wurde. Aber: Auch der Prozess der Trennung von Thron und Altar ging nicht immer mit einem großen Frieden einher. Die Säkularisierung aus der Französischen Revolution, deren wichtiges Ziel auch die Trennung von Staat und Kirche war, wurde sehr schnell eine brutale Terrorherrschaft mit vielen Opfern. Auch bekennend atheistischen Systeme fielen Millionen von Menschen zum Opfer: Dies gilt für die Tyrannei des Dritten Reiches, wie auch in vielen Staaten kommunistischer Herrschaft.

Vielleicht liegt also das Böse nicht einfach in der Religion, wie manche denken, sondern liegt viel primitiver einfach im Menschen tief verankert. Gibt es nicht im Herzen eines jeden Menschen diesen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch?

Musik 3

Am Anfang des Christentums stand der Tod, der Tod von Jesus Christus. Er wurde am Kreuz umgebracht. Er galt als Verbrecher unter Verbrechern, als Staatsverräter. Dass aus diesem Staatsverräter – Gott, einmal der Gott des Staates werden sollte, ahnte noch keiner. War also dieser Sprung zur Reichskirche der entscheidende Fehler? Mehr noch: Haben wir dadurch den Zugang zu Jesus Christus verloren, der sich den Kleinen, den Armen und den Ausgestoßenen zuwendet? Wurde das Christentum zu einer Religion, der es vor allen Dingen um Machterhalt geht?

Ich glaube das nicht. Ein Zurück zu den Wurzeln des Christentums ist nicht die Lösung. Denn: Wir werden das gesellschaftliche Rad nicht zurückdrehen können, und es ist ein Irrtum zu glauben, dass früher alles besser war. Als Christen sind wir nicht gerufen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, sondern die heutige Zeit zu gestalten. Glaube, Liebe und Hoffnung müssen in der heutigen Zeit gelebt werden. Gottes Reich ist nicht das Reich von gestern und vorgestern.

Die wunderbarste Eigenschaft von Menschen ist doch etwas, dessen Kostbarkeit wir nicht hoch genug einschätzen können: Es ist das Gewissen! Das Gewissen ist ein Ort der Auseinandersetzung für oder gegen die eigenen Emotionen, Neigungen und Tendenzen. Das Gewissen ist ein Ort, wo wir Dinge unterscheiden, Wahres und Falsches trennen und uns für das Gute oder das Böse entscheiden. Das Gewissen ist die Letztinstanz, die über Leben und Tod entscheidet. Das Gewissen geht weit über den Wert der eigenen Gesundheit hinaus, denn es ist der Ort, an dem wir Menschen zu Menschen werden.

Die große Kraft des Gewissens führt uns hin in eine ganz neue und andere Radikalität. Ist das, was ich tue, richtig oder falsch, Wahrheit oder Lüge, Recht oder Unrecht? Und dann: Bin ich bereit für das, was ich als Richtig erkannt habe, einen Preis zu zahlen: Meine Freiheit hinzugeben, mein Ansehen, meine Zeit, meinen Ruf, mein Geld?

Musik 4

Für mich ist in der heutigen Zeit Papst Franziskus ein großes Vorbild. Er füllt jenes Amt aus, das einst durch die Schlacht an der Milvischen Brücke eine enorme machtpolitische Aufwertung erhielt, das des Pontifex Maximus. Was mich vor fünf Jahren beeindruckte: Seine erste Bitte nach der Papstwahl, war die Bitte um unser Gebet. Kurz darauf folgte in einem Interview eine bemerkenswerte Antwort auf die Frage: „Wer ist Jorge Bergoglio?“ Seine Antwort war: „Ein Sünder“. Er – der Papst- ist ein Sünder, der unser Gebet braucht. Auch der Papst ist nicht frei von Fehlern, auch er schwebt nicht über den Dingen. Er ist der Erste, der Gottes Barmherzigkeit und unser Gebet nötig hat. Nur weil er dies weiß und auch so handelt, kann er die Kirche so leiten, wie er es tut – mit allen Macken und Kanten. Er hat diese Autorität nicht, weil er als Person so hervorragend ist, sondern durch die Vollmacht, die ihm durch dieses Amt gegeben ist. Und trotz und in diesen Schwächen versucht Papst Franziskus täglich, sich den Kleinen und Armen zuzuwenden und so heute Gottes Wort in diese Welt zu tragen. Er ist für mich Vorbild in einer Kultur der Sanftmütigkeit.

Ich bin davon überzeugt, dass wir durch diese Welt verändern können! Wir können auf das Böse mit etwas Gutem antworten. Wir können den Tag statt mürrisch, mit einem freundlich-zärtlichen Blick beginnen. Wir können dem Nachbarn zulächeln, wenn er uns Böses will. Wir können den Menschen vergeben, auch wenn sie nicht um Vergebung bitten. Wir Menschen können auch nicht auf unserem Recht bestehen. Wir können stehen bleiben beim Bettler, der an der Tür zum Supermarkt sitzt. Wir können uns zum 27-mal die Geschichte der alten Nachbarin anhören. Wir können „Nein“ sagen, wenn alles „Ja“ und „Amen“ sagt. Wir können ehrlich bleiben, auch wenn die Notlüge viel einfacher wäre. Mit Christus können wir sogar den Tod besiegen, denn Er ist auferstanden. Das Feiern wir am heutigen Tag.

Musik 5

Früher war nicht alles besser. Aber das Heute können wir besser machen. Ich wünsche Ihnen einen frohen Sonntag.

Ihr Felix Genn, Bischof von Münster

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