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Kirche in WDR 5 | 09.11.2018 | 06:55 Uhr

80 Jahre Reichspogromnacht

Autorin: Neun Jahre alt ist Hans Dieter Osenberg, als er Zeuge von etwas Unvorstellbarem wird. Nie wird er diesen Tag vergessen. Achtzig Jahre ist das her. Verwandte hatten seine Familie eingeladen, in Düsseldorf am Sankt Martinsumzug teilzunehmen.

O-Ton 1 Osenberg: Am 10. November 1938 fahre ich mit der Mutter und dem kleinen Bruder dorthin. Die Straßenbahn vom Bahnhof aus ist kaum in die große Geschäftsstraße eingebogen, da stockt mir der Atem. Berge von Geschäftsauslagen und Hausrat auf den Bürgersteigen. Immer wieder muss die Bahn halten. Denn aus den oberen Stockwerken werden Stühle, Schränke, Teile von Herden und Klavieren bis auf die Straße geworfen. Ich spüre die Aggressivität, und weiß doch alles nicht einzuordnen.

(Quelle: Evangelische Kirche im WDR, Das Geistliche Wort am 11.11.2012 auf WDR 5, „Als man Sankt Martin Schande bereitete“ von Pfarrer Hans Dieter Osenberg, Saarbrücken)

Autorin: In der Nacht vom neunten auf den zehnten November 1938 brennen im damaligen Deutschen Reich Synagogen und jüdische Gemeindehäuser. Juden und Jüdinnen werden ermordet, gedemütigt und verhaftet. Viele Gemeindemitglieder der evangelischen Kirchen beteiligen sich damals an diesen Verbrechen oder nehmen sie hin. Ja schlimmer noch, erzählt Hans Dieter Osenberg, heute Pfarrer im Ruhestand:

O-Ton 2 Osenberg: Die Erwachsenen sind wie gelähmt und stumm, ermahnen uns Kinder, einfach nicht hinzusehen. Und am Abend tatsächlich der Umzug. Am Tag des großen Judenpogroms in Deutschland.

Zur Ehre und zum Lob des barmherzigen heiligen Martin ziehen wir mit unseren leuchtenden Lampions über die Straßen. An der Spitze Sankt Martin auf seinem Schimmel. Immer wieder müssen Hindernisse überklettert werden. Möbelteile, Scherben, Teppiche. Männer in braunen Uniformen stürmen in Hauseingänge.

(Quelle siehe O-Ton 1)

Autorin: Und die Musikkapelle intoniert ohne Erbarmen immer wieder das alte Lied vom barmherzigen Sankt Martin.

O-Ton 3 Osenberg: Nie werde ich begreifen, dass die Väter und Mütter, an deren Händen doch viele Kinder gingen, an dieser schrecklichen Diskrepanz nicht erstickt sind. Und sie war ja noch viel schlimmer, als wir es auf den Straßen sahen, weil zur gleichen Zeit in den Häusern Juden brutal überfallen, geschlagen und verhaftet wurden.

(Quelle siehe O-Ton 1)

Autorin: Diese Nacht markiert einen Übergang: Von der Diskriminierung und Ausgrenzung der deutschen Juden seit 1933 hin zur systematischen Verfolgung und gezielten massenhaften Vernichtung der Juden. Doch: Die Wurzel des christlichen Glaubens liegt im Judentum. Jesus war Jude. Und so gibt es heute für Christinnen und Christen nur eins: entschieden gegen alle Formen der Judenfeindschaft einzustehen.

Damit das gelingt gibt es Schülerpraktika. Der fünfzehnjährige Lars Plha vom evangelischen Theodor-Fliedner-Gymnasium aus Düsseldorf hat die Gelegenheit genutzt und ein Praktikum in der Jüdischen Yitzhak-Rabin-Grundschule (Düsseldorf) gemacht. Sein Fazit:

O-Ton 4 Lars Plha: Also wenn man dann so sieht, wie die wirklich sind, und nicht nur Sachen weiß, die man halt von irgendwem gehört hat, dann hilft es einem auf jeden Fall schon, ja.

Autorin: Lars Plha bereitet in seiner Freizeit mit einem Team den Kindergottesdienst in seiner evangelischen Gemeinde vor. Interessant an der jüdischen Schule fand er:

O-Ton 5 Lars Plha: Zum einen der Religionsunterricht war natürlich anders als bei uns. Und zum anderen wurde da auch noch Russisch unterrichtet und Hebräisch, weil die Gebete sind ja bei denen alle auf Hebräisch. Und da hatten die dann kompletten Unterricht auf Hebräisch. (...) Und dass die auch sehr viele Gebete auswendig können. Ein paar hatten die jetzt auch in so einem kleinen Gebetsbuch, die die dann im Religionsunterricht gebetet haben. (…) Und an deren Schulalltag war halt auf jeden Fall anders, dass sie sehr viel gebetet haben. Und bei uns, wir sind ja jetzt eine evangelische Schule, da wird eigentlich vergleichsmäßig zu denen relativ wenig gebetet.

Autorin: Sich kennen lernen und die Unterschiede wertschätzen – für ein „Nie wieder Pogromnacht“, so soll es sein. Ihre Petra Schulze, Rundfunkpfarrerin in Düsseldorf.

Musikangaben: Track 2: Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, CD Martinslieder; Laternentänze: 10 Martins- und Laternenlieder, 3 Laternentänze & Der Fröhliche Kinderkalender, Interpreten: Kinder-und Jugendchor der Musikschule des Hochsauerlandes. Fidula-Verlag (Nova MD), Holzmeister GmbH, Oktober 2001, ISBN-10: 3872264273, ISBN-13: 978-3872264275, LC 6553.

Mehr Informationen:

Jüdische Grundschule: https://jgd.de/yitzhak-rabin-schule/

Pogromnacht: https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/unterricht/faecher/gesellschaftswissenschaften/geschichte/themen/75-jahre-reichspogromnacht/

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