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Das Geistliche Wort | 30.12.2018 | 08:35 Uhr

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Die Geschenke der Engel

Autor: Guten Morgen!

Morgen ist Silvester. "Wegen Inventur geschlossen..." So liest man an den Eingangstüren mancher Geschäfte zum Jahreswech¬sel. Es wird gezählt und verglichen: Soll und Haben. Viele machen in diesen Tagen ihre persönliche Inventur. Wir ziehen unser Resümee. Ich auch. Manche Wünsche haben sich erfüllt, andere nicht, manche Hoffnungen haben sich verwirklicht, andere wurden enttäuscht. Häufig genug bleibt da ein Rest. Wir stellen fest, dass etwas fehlt, dass uns etwas fehlt. So hoffen gerade am Jahresende viele auf eine große oder kleine Verän¬de¬rung in ihrem Leben. Dass etwas anders oder besser wird.

Musik 1: Titel: Tutto, CD: Magic Moments 10, Track 2; 1:06; Musik: Julian & Roman Wasserfuhr; Interpret: Julian & Roman Wasserfuhr, Tim Lefebre, Nate Wo. ACT Music, München 2017; LC 07644; EAN 6 14427 98552 1

Autor: Die Zeit, in der sich das alte Jahr neigt und das neue anbricht, ist die Geburtsstunde neuer Wünsche, Hoffnungen und Träume. Aber nicht selten stellen sich Sorgen ein im Übergang der Jahre. Sorgen, dass die Gesundheit nicht stabil bleibt. Die Sorge, dass zu viel von mir gefordert wird, dass ich das hohe Tempo in unserer modernen Gesellschaft nicht durchhalte. Dass ich in meinem Beruf nicht immer gut, immer präsent, immer verlässlich sein kann. Dass meine Partnerschaft den Belastungen des Alltags nicht standhält. Dass die Liebe verkümmert. Dass mein Auskommen im Alter nicht gesichert ist.

Und wenn die Sorgen, das Grübeln und Grämen überhand nehmen, kann Angst entstehen. Manchmal ist es eine namenlose, unkonkrete Lebensangst. Das Gefühl, das Leben sei bedroht, das Gefühl, die Zukunft sei gefährdet. „In der Welt habt ihr Angst…“ (Johannes 16,33b), hat Jesus zu seinen Freundinnen und Freunden gesagt – und ich höre bei diesen Worten auch, wie selbstverständlich von meiner Angst gesprochen wird. Sie gehört offenbar zur menschlichen Grundverfassung, ebenso wie die Freude und die Hoffnung. „In der Welt habt ihr Angst…“ - das gehört dazu.

Musik2: Titel: Liberetto, CD: Liberetto, Track 2; 0:23; Musik: Lars Danielsson; Interpret: Lars Danielsson, Tigran, John Parricelli, Magnus Öström. ACT Music, München 2016; LC 07644; EAN 0614427952028

Autor: „In der Welt habt ihr Angst…“ Es gibt die konkrete Angst, die Angst „vor“ … Die Angst vor der Klausur, die Angst vor Krebs, die Angst, allein zu bleiben. Von Wolfgang Amadeus Mozart wird erzählt, er habe immer große Angst gehabt, einem anderen Menschen etwas auf dem Klavier vorzuspielen. Jedes Mal habe er die Bitte abgelehnt, schroff und verärgert bisweilen. Die Vorstellung, von Bekannten zum Vorspielen gebeten zu werden, habe ihn nächtelang nicht zur Ruhe kommen lassen. Aus Angst, sich bloßzustellen und nicht gut genug zu sein. Eines Tages aber ist es dann doch wieder so weit: Einer seiner besten Freunde sagt im Laufe des Gesprächs zu Mozart: „Wolfgang, spiele mir doch etwas vor von deiner Musik.“ Der Schreck über diese Bitte ist wie immer riesengroß, doch soll es Mozart dieses Mal nicht gewagt haben, den Freund mit einem ‚Nein‘ zurückzuweisen. Nach einem langen Schweigen holt Mozart tief Luft und sagt: „Lieber Freund, ich spiele dir, was du willst – aber sage mir vorher, dass du mich liebst…“

Musik 3: Titel: Liberetto, CD: Liberetto, Track 2; 0:34; Musik: Lars Danielsson; Interpret: Lars Danielsson, Tigran, John Parricelli, Magnus Öström. ACT Music, München 2016; LC 07644; EAN 0614427952028

Autor: „Sage mir vorher, dass du mich liebst…“ Wie Liebe die Angst eines Menschen überwinden hilft, zeigt eine Erzählung von Marie Luise Kaschnitz. Adam und Eva, die Hauptpersonen in der gleichnamigen Erzählung, stehen hier nicht mehr am Anfang, sondern am Ende ihres Lebens. Am Ende eines langen Lebens jenseits der Mauer zum Paradies, das sie ja viele Jahre zuvor verlassen mussten. Adam – so erzählt Kaschnitz – leidet an Schlaflosigkeit. Die Gedanken, die ihn wachhalten, sind nun keineswegs bedeutend, sondern drehen sich mit entnervender Zähigkeit um kleinere Mängel am Haus. Um einen Fehler im Bewässerungssystem des Hofes, einen Schaden am Dach und Ähnliches mehr. Eva an seiner Seite schläft hingegen tief und fest. Sie scheint nicht an den Missständen des häuslichen Lebens zu leiden. Sie scheint Adam auch nicht mehr so nah zu sein wie früher. Ja, es kommt ihm so vor, als entferne sie sich von ihm – mit jedem Tag ein wenig mehr. Und dann wird ihm etwas bewusst, das wohl auch die heimliche Ursache seiner täglichen Nörgeleien und seiner Schlaflosigkeit ist.

Sprecherin: „Es war darum eine große Erschütterung für ihn, als er eines Tages erfuhr, dass er sterben müsste.“

Autor: Die Gedanken ans Lebensende nehmen mehr und mehr von Adam in Besitz. Und da ist auch diese Gelassenheit Evas angesichts der Tatsache des Sterben-Müssens – eine Sache, die Adam bis zur Verzweiflung umtreibt. Er fragt sich wieder und wieder und fragt dann auch Eva, wer denn vollenden wird, was sie beide alles aufgebaut haben im Lauf der Zeit. Ihre Antwort ist knapp:

Sprecherin: „Jemand wird es schon fertig machen, was wir angefangen haben.“

Autor: Adam macht sich auch Sorgen im Blick auf die Kinder. Sie kommen ihm träge und leichtsinnig vor. Doch Eva tut seine Bedenken ab:

Sprecherin: „Es wird schon etwas aus ihnen werden…“

Autor: Schließlich holt Adam zum letzten Schlag gegen seine Frau aus, die den wichtigen Fragen des Lebens offenbar gleichgültig gegenübersteht. Wenigstens diese Frage wird sie doch wohl treffen. „Was wird aus uns?“ So fragt er, nachdem er sie nachts aus ihrem unerklärlich tiefen Schlaf wachgerüttelt hat.

Sprecherin: „Wir bleiben zusammen, sagte Eva. Wir gehen zurück in den Garten. Und sie legte ihre Arme um Adams Hals und sah ihn liebevoll an. Ist er denn noch da, fragte Adam mürrisch. Woher, meinst du, fragte Eva, dass ich die Reben hatte, die ich dir gebracht habe, und woher, meinst du, dass ich die Zwiebel der Feuerlilie hatte, und woher, meinst du, hatte ich den schönen, funkelnden Stein? Woher hattest du das alles, fragte Adam. Die Engel haben es mir über die Mauer geworfen. Wenn wir kommen, rufe ich die Engel, und dann öffnen sie mir das Tor. Adam schüttelte langsam den Kopf, weil eine dunkle und ferne Erinnerung ihn überkam. Gerade dir, sagte er. Aber dann fing er an zu lachen, laut und herzlich, zum ersten Mal seit ach so langer Zeit.“

Musik 4: Titel: Liberetto, CD: Liberetto, Track 2; 0:47; Musik: Lars Danielsson; Interpret: Lars Danielsson, Tigran, John Parricelli, Magnus Öström. ACT Music, München 2016; LC 07644; EAN 0614427952028

Autor: Marie Luise Kaschnitz hat mit ihrer kleinen Geschichte von Adam und Eva etwas sehr Schönes skizziert, einen Gedanken, der sich auch an verschiedenen Stellen in der Bibel findet. Sie sagt uns, also allen, die jenseits der Paradiesmauer leben: Das Paradies ist nicht für alle Zeiten verloren. Es ist noch da. Kein Flammenschwert Ehrfurcht einflößender Gottesdiener versperrt den Rückweg für immer. Mögen die Engel auch mal bewaffnet gewesen sein – sie haben längst ihren heiligen Zorn über die Menschen verloren. Sie stehen zu den Vertriebenen und nicht gegen sie. Aber nur Eva bemerkt ihre Geschenke. Nur sie erkennt in Reben, Lilie und Stein die Früchte des Gartens, Spuren des Paradieses in ihrem Leben. Wo einem doch im Leben nichts geschenkt wird, wie man so sagt. Nur: warum hat Adam nichts bemerkt? Warum hat er seit ach so langer Zeit nichts zu lachen gehabt? Bei Adam sind die Augen trüb geworden. Die Zeichen des Paradieses, er sieht sie nicht. Er ist abgelenkt vom großen Lärm des Alltags. Das kenne ich vom Adam in mir. Er hat etwas erarbeitet und möchte es erhalten, und er merkt nicht, was seine Seele nährt. Er versteht, dass irgendwann unausweichlich der Tod kommt. Er wird sterben. Das macht ihm Angst. Dabei erlebt er an seiner Seite Eva, die das Leben immer schon so verstanden hat, dass es endet. Aber sie bleibt ruhig. Weil sie schon früh die Geschenke entdeckt hat, die von jenseits der Mauer kamen. Die Geschenke der Engel. Mitten aus dem Paradies.

Musik 5: Titel: Liberetto, CD: Liberetto, Track 2; 0:35; Musik: Lars Danielsson; Interpret: Lars Danielsson, Tigran, John Parricelli, Magnus Öström. ACT Music, München 2016; LC 07644; EAN 0614427952028

Autor: Wunder kommen zu denen, die an sie glauben. Die sich den Geschmack für’s Unendliche bewahrt haben. Ich denke manchmal, ich bin zu versessen auf das Große. Den großen Erfolg, den großen Gewinn, das große Glück. Und diese Versessenheit verdirbt mir den Geschmack an kleineren Dingen.

Aber nun Eva. Sie legt die Arme um Adam. Sie ist liebevoll. Sie tut ihm gut. Und sein Blick trifft jetzt in ihre Augen. Er hatte sich schon abgewöhnt, darin zu lesen. Er findet in diesen Augen nun den Abglanz des Gartens und wird neugierig auf ihn. Und er fängt an zu begreifen, dass es Tränen der Freude gibt, die aus demselben Stoff sind wie die Tränen der Hoffnungslosigkeit. Zu beidem ist der Mensch fähig. Und Adam wird jetzt aus Reben Wein machen. Trauer kann in Freude verwandelt werden. „In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus, „aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33b)

Das Leben ist kein Paradies, für viele ist es eher die Hölle. Viele von uns versuchen erst gar nicht, bis zur Mauer vorzudringen. Und kennen daher die Geschenke der Engel nicht. Wer sie kennt, dem öffnet sich die Antwort auf die Frage: Was wird aus uns?

Sprecherin: „Wir gehen zurück in den Garten. Wenn wir kommen, rufe ich die Engel, und dann öffnen sie mir das Tor…,“

Autor: …sagt Eva.

Morgen also ist Silvester. Viele machen da Inventur. Keine, keiner von uns ist dabei verurteilt zu einem unbarmherzigen persönlichen Rückblick und einer pessimistischen Vorschau auf das nächste Jahr oder das Ganze unseres Lebens. Halten wir es doch mit Eva und Adam. Die Nähe eines anderen Menschen kann helfen, mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Und die uns beschenken, müssen nicht unbedingt Wesen mit Flügeln sein. Angst haben wir alle. Aber beherrschen soll sie uns nicht. Und manche gehen so wie ich in das neue Jahr mit dem Vertrauen auf die Kraft, die nicht aus mir selber kommt und die wir „Gott“ nennen. Wie sagt der zu seinen Menschen? „Ich will dich behüten, wohin du auch gehst.“ (Genesis 28,15) Darauf möchte ich bauen, wenn ich beginne, das weiße Blatt zu beschreiben, das wir „Neues Jahr“ nennen.

Eine gute Passage in dieses neue Jahr wünscht Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.

Musik 6: Titel: Ani Maamin, CD: Continuo, Track 4; 1:45; Musik: Tuvia Shlonsky; Interpret: Avishai Cohen, Sam Barsh, Mark Guiliana, Amos Hoffman. Razdaz Recordz, New York 2006; LC 30124; EAN 5 051808 460324

Verwendete Literatur:

Marie Luise Kaschnitz, Liebesgeschichten, Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2003, S. 127-134

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